Suchmaschinen filtern jugendgefährdende Angebote

Deutsche Suchmaschinenbetreiber geloben in einem Verhaltenskodex, rund 1000 vom Bund indizierte Websites in einem Akt der Selbstkontrolle nicht mehr anzuzeigen

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Online-Suchdienste sind die wichtigsten Relaisstellen zum digitalen Informationsuniversum im Internet. Wer entscheidet, was in den Trefferlisten verzeichnet ist, hat eine große Machtposition. Die Anbieter selbst überlassen die Auswahl daher am liebsten rein der Technik, also den eingesetzten Suchalgorithmen. Doch die im Netz gefundenen Inhalte sind nicht nach jedermanns Geschmack, teils nicht für alle Augen bestimmt oder gar strafrechtlich in einzelnen Ländern relevant. Um einer staatlichen Regulierung zuvorzukommen, greifen große Anbieter hierzulande daher nun zur Selbstkontrolle anhand staatlicher Kriterien in punkto Jugendschutz.

Rund 1000 Websites werden künftig über die hierzulande am meisten genutzten Suchmaschinen nicht mehr zu finden sein. Sie stehen bereits auf der Schwarzen Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM. Diese will verhindern, dass unter 18-Jährige mit Materialien konfrontiert werden, die nicht für die Augen von Kindern und Jugendlichen geeignet scheinen. Ein Verkauf entsprechend indizierter Medien am Kiosk ist daher etwa seit langem verboten. Im Internet waren von der BPjM geächtete Angebote dagegen bisher häufig über Suchmaschinen bei der Eingabe von Schlüsselbegriffen leicht zu finden.

Sabine Frank (FSM), (Elke Monssen-Engberding (BPjM), Stefan Keuchel (Google). Foto: Stefan Krempl

Doch damit soll Schluss sein: Google.de, Lycos Europe, MSN Deutschland und Yahoo Deutschland haben am Donnerstag ihren gemeinsamen Schritt bekannt gegeben, die indizierten Sites nicht mehr anzuzeigen. An Bord der neu gegründeten Freiwilligen Selbstkontrolle der Suchmaschinenbetreiber, die unter dem Dach der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) agiert, sind auch die Provider AOL Deutschland und T-Online mitsamt t-info, die ihre Suchdienste auf Google stützen.

"Nach BPjM-Recht auf den Index gesetzte Inhalte werden nicht mehr auffindbar", erläutert Thomas Dominikowski von Lycos den Kern des ausgemachten Verhaltenskodex. Bis die neuen Filter implementiert sind, dauert nach Schätzung Dominikowskis noch etwa zwei Monate.

Das Vorhaben ist heikel, denn es soll keinen Unterschied machen, ob Erwachsene oder Jugendliche am Suchen sind. Artikel 5 Grundgesetz gesteht schließlich jedem das Recht zu, "sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Eine Zensur soll nicht stattfinden. Dieses Recht findet seine Schranken aber unter anderem in den "gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend", wie es in Artikel 5 gleich weiter heißt. Laut dem novellierten Jugendschutzgesetz des Bundes und dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) der Länder, die beide nach langen Kontroversen (Jugendschutz nach Erfurt: das dicke Ende kommt noch) im Frühjahr 2003 in Kraft getreten sind, dürfen jugendgefährdende Inhalte Erwachsenen nur in geschlossenen Benutzergruppen nach vorheriger Altersprüfung zugänglich gemacht werden. Eltern sind zudem aufgefordert, mit nutzerautonomen Filterprogrammen ihre Schützlinge vor möglicherweise entwicklungsbeeinträchtigenden, aber ansonsten offen zugänglichen Inhalten zu bewahren.

Weit entfernt von einem Zensurvorwurf?

"Wir sind von einem Zensurvorwurf eigentlich weit entfernt", meint denn auch Jan Schmidt-Pfitzner, Rechtsexperte von T-Online. "Wenn die Inhalte in einer geschlossenen Gruppe zugänglich sind, kommen sie nicht auf Negativliste", assistiert ihm Dominikowski. "Es geht nur um frei zugängliche Angebote." Auch für die FSM-Geschäftsführerin Sabine Frank liegt kein Fall von Zensur vor: "Suchmaschinenanbieter haben keine Verpflichtung zur Anzeige von Seiten", stellt sie klar. Viele der indizierten Angebote hätten zudem international einen "strafrechtsrelevanten Einschlag".

Elke Monssen-Engberding, die Chefin der Bundesprüfstelle, warb bei der Vorstellung der neuen Selbstregulierungsmaßnahme in Berlin zudem für das "rechtsstaatliche Verfahren", in dem die Liste jugendgefährdender Medien ihrer Ansicht nach erstellt wird. Die daran beteiligten Gremien würden "Fachkenntnis und gesellschaftliche Akzeptanz" verbinden, alle Kreise der pluralistischen Gesellschaft könnten mitwirken. Eine Indizierung sei zudem generell nur die "ultima ratio", primär gehe es um die Stärkung der "Medienkompetenz" der Nutzer und der Erziehungsberechtigten.

Auf der Liste landen laut Monssen-Engberding unter anderem Inhalte mit rechtsextremen Hintergrund, pornographische Darstellungen in Verbindung mit Gewalttätigkeiten, Ansichten von Kinder als Sexualobjekt ohne Pornographie sowie von Gewalttätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen. Es gibt somit auch keine Generalliste, sondern einzelne Module, die nach gesonderten Bewertungen erstellt werden. Die bietet den Suchmaschinenanbietern theoretisch auch Differenzierungsmöglichkeiten, was tatsächlich komplett aus den Trefferlisten raus fallen oder was eventuell Erwachsenen zugänglich gemacht werden soll. Doch die Anbieter neigen momentan einem pauschalen Filtermodell zu. Dabei soll den Nutzern auch nicht angezeigt werden, dass ihnen etwas bewusst vorenthalten wird. Denn das könnte ja die Neugier auf die indizierten Inhalte steigern.

Die Internetwirtschaft demonstriert guten Willen gegenüber dem Staat

Insgesamt ist der Vorstoß, für den sich die Bertelsmann Stiftung seit längerem eingesetzt hat, letztlich eine Art Signal der Wirtschaft an den Staat, dass man den Jugendschutz ernst nehmen will. Die Suchmaschinenbetreiber wollen so insbesondere vermeiden, dass staatliche Behörden mit Sperrungsverfügungen gegen sie vorgehen und ihnen die Filterungen vorschreiben. Klar ist dabei letztlich allen Beteiligten, dass der angestrebte "deutsche" Jugendschutz generell seine Grenzen hat im internationalen Cyberspace. Die Initiative ist nämlich "auf deutsche Suchmaschinenangebote beschränkt", wie Schmidt-Pfitzner klarstellt. Wer mit Browsern wie Safari oder Firefox surft, wird bei Suchanfragen über die Suchmaske der Navigationswerkzeuge aber beispielsweise generell auf die Suchergebnisse der US-amerikanischen Mutterfirmen der Betreiber gelenkt. Dort werden die Filtereinstellungen vorerst nicht implementiert.

"Wir werden heute nicht die Welt verbessern, aber die absolut hoch priorisierten Inhalte schwerer zugänglich machen", umreißt in diesem Sinne Mike Cosse von AOL Deutschland die Initiative. Ein Geschmäckle bleibt an den Filterbemühungen aber trotzdem haften. Denn gleichzeitig mit der Verpflichtung zum stillschweigenden Aussortieren der jugendgefährdenden Inhalte versichern die Suchmaschinenbetreiber unter anderem auch, "ihre Ergebnisseiten im Rahmen ihrer Möglichkeiten transparent zu gestalten". Doch davon kann bei dem vorgestellten Ansatz zum Jugendschutz nicht die Rede sein.

Der Filteransatz beißt sich zudem auch mit der grundlegenden Philosophie der vereinten Suchmaschinenbetreiber mit ihren über acht Milliarden erfassten Websites, wie sie Dominikowski skizzierte: Demnach ist es die Hauptaufgabe der Anbieter, "die schier unendlichen Informationen" im Internet "für die Öffentlichkeit zugänglich" zu machen. Automatisch anhand festgelegter Algorithmen werde die Online-Informationsvielfalt für die Nutzer geordnet. "Die Inhalte werden dabei nicht verändert, nicht editiert", erklärte der Lycos-Abgesandte. "Wir machen nur die Fundstellen zugänglich." Künftig aber eben gut tausend weniger.