Wie man erdähnliche Planeten aufspürt

Zu den alten und jungen Methoden, extrasolare Planeten aufzuspüren, kommt jetzt eine weitere hinzu: die Transit-Timing-Methode

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Optimistischen Schätzungen zufolge, die auf Computersimulationen basieren, könnten allein in unserer Galaxie (Galaxis) 100 Milliarden erdähnliche Planeten existieren. Fragt sich nur, wie man diese findet. Mittlerweile wenden die kreativen Planetenjäger verschiedene, teils konventionelle, teils exotische Verfahren an, um die "erste" zweite Erde dingfest zu machen. US-Astronomen stellen in der aktuellen "Science"-Ausgabe eine weitere Methode vor. Sie berücksichtigt die Anziehungskräfte aller anderen großen, bekannten Planeten in einem fernen Sonnensystem, um kleinere unbekannte Körper auszumachen.

Der städtischen Zivilisation weit entrückt, ungestört von Smog, feuchter Luft, Lichtverschmutzung und aufsteigender Warmluft, die Turbulenzen erzeugt, thront auf dem hochgelegenen Gipfelplateau des 2.635 Meter hohen Cerro Paranal in der Atacama-Wüste im Norden von Chile das weltweit größte, modernste optische und leistungsstärkste bodengestützte Observatorium der Postmoderne: das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO.

Anmerkungen zum Stand der Exoplaneten-Forschung

Die mit vier stationären 8,2-Meter-VLT-Spiegelteleskopen operierende Sternwarte hat ihre außerordentliche Leistungsfähigkeit schon mehrfach unter Beweis gestellt. So konnten die VLT-Teleskope mal im Verbund oder Duo bzw. Trio neben Schwarzen Löchern und fernen Galaxien sowie Gammastrahlenblitze auch Exoplaneten registrieren.

Im Juni 2004 gelang einem internationalen Forscherteam der ESO sogar die Entdeckung des bislang erdähnlichsten exosolaren Planeten. Bei einer acht Nächte währenden Observationssequenz entdeckten sie bei dem knapp 50 Lichtjahre von der Erde entfernten sonnenähnlichen Stern Mu Arae (auch mu Area geschrieben) einen Planeten (HD 160691 d), der sage und schreibe "nur" 14 Mal massereicher als die Erde ist, womit er zweifelsfrei der kleinste aller bisher entdeckten extrasolaren Planeten ist.

152 Exoplaneten sind bislang bestätigt. Dutzende warten noch auf ihre Arrivierung zum "echten" Exoplaneten. Viele von ihnen mögen so aussehen wie der auf diesem Space-Art zu sehende Himmelskörper. Die meisten jedoch werden größer, kleiner oder exotischer sein. Bild: Greg Bacon (STScI), NASA

Einen derart massearmen und kompakten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems fanden die Astro-Detektive bis dahin nicht. Zum anderen war er aber auch der erste extrasolare Felsenplanet überhaupt. Während all seine "Kollegen" sich im kalten All als heiße Gasbälle Abkühlung zu schaffen versuchen, umkreist der mit einer dünnen Atmosphäre ausgestattete Exoplanet seinen Heimatstern als cooler Steinplanet. "Jetzt betreten wir Neuland auf dem Gebiet der Astronomie", gestand der weltweit bekannte Schweizer Astronom und Planetenjäger Michel Mayor, der an der Entdeckung maßgeblichen Anteil hatte.

Michel Mayor war es auch, der zusammen mit Didier Queloz vom Genfer Observatorium im Jahr 1995 beim Stern 51 Pegasi den ersten Planeten einer noch nicht erloschenen Sonne entdeckte. Seitdem sind den "Planetenfischern" bislang 152 offiziell bestätigte Exoplaneten [Stand: 24.02.05] in die weltweit ausgelegten Fangnetze gegangen. 152 ferne Welten, die sich auf 134 Planetensysteme verteilen, die aber mit unserer Heimatwelt allesamt nur herzlich wenig gemein haben. Mal präsentieren sie sich als überdimensionierte Gasriesen, die schlichtweg zu heiß sind, um biologisches Leben zu beherbergen. Mal ist deren Masse, die zwischen Saturn und Jupiter changiert oder sogar ein Mehrfaches der Jupitermasse aufweist, einfach zu groß. Oder sie zeigen sich als Objekte, die ihren Heimatstern in sehr exzentrischen Umlaufbahnen oder in auffallend geringer Distanz mit enormem Tempo umkreisen. Kurzum, einen halbwegs erdähnlichen Planeten fernab des Sonnensystems konnten die Forscher bislang noch nicht lokalisieren, ganz zu schweigen von der viel beschworenen "zweiten Erde".

Veraltete, aber zuverlässige Observationstechnik

Letzten Endes hängt dieses Dilemma mit den gegenwärtig technischen und methodischen Unzulänglichkeiten zusammen. Denn das in der Vergangenheit größtenteils angewandte konventionelle Radialgeschwindigkeitsverfahren, bei dem Astronomen die Gravitationskraft der Planeten und die daraus resultierende kleine Bewegung des Zentralsterns messen, ist zwar effektiv, stößt aber so langsam an seine Grenzen. Hunderte von Sternen zeitgleich zu observieren und dabei wenigstens "einen" bei seinem rhythmischen Tanz in flagranti zu erwischen, verlangt einen hohen Aufwand.

Sterne "tanzen" immer dann, wenn sich ein Planet und ein Stern um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Infolge der Anziehungskraft, die der Planet auf sein Muttergestirn ausübt, wackelt und eiert der Stern periodisch. Anhand dieser Bewegung können die Forscher auf die Anwesenheit eines extrasolaren Planeten rückschließen. Mittlerweile können die Planetenjäger das durch die Gravitation der extrasolaren Planeten verursachte Schwanken der Sterne, die so genannte Radialgeschwindigkeitsamplitude, bis auf einen Meter pro Sekunde messen.

Zukunftsträchtige Transit-Methode

Weitaus zukunftsträchtiger ist dagegen die Transit-Technik. Hier "fokussiert" sich das Weltraumteleskop nicht mehr auf den gravitationsbedingten Tanz der Sterne, sondern auf Planeten, die vor ihrem jeweiligen Heimatstern vorbeiziehen. Stehen der observierte Stern und der extrasolare Planet sowie die Erde in einer Linie, der Exoplanet also gewissermaßen zwischen dem Teleskop und seiner Muttersonne, schwächt sich das von dem Zentralgestirn ausgesandte Licht geringfügig ab, ist aber immer noch stark genug, um den unsichtbaren Planeten "sichtbar" zu machen. Astronomen können bei solchen photometrischen Messungen die Intensität des abgeschirmten solaren Lichts messen.

Der Kugelsternhaufen NGC 6397 ist 8.200 Lichtjahre von der Erde entfernt und liegt im Sternbild Altar. Eine Million Sterne sind hier auf engstem Raum konzentiert. Möglicherweise befinden sich hier noch weitaus mehr extrasolare Planeten. Bild: ESO

Ein extrasolarer Planet in 50 Lichtjahre Entfernung würde etwa nur einen kleinen Teil der sichtbaren Sternenoberfläche ("ringförmige Sternenfinsternis") abdecken: Er würde zirka ein Prozent des bei uns ankommenden Lichts abschirmen. Diese so genannte Signaltiefe von 0.01 ist gut nachweisbar und entspricht dem Verhältnis von Planeten- zu Stern-Querschnittsfläche. Tritt der Planet vor einem Stern, geht die Intensität des Sternenlichtes aber nur für einige Minuten und Stunden zurück. In dieser Zeit können die Planetenjäger aber immerhin (u.a.) die Planetendichte und Größe des beobachteten Körpers berechnen. Nicht zuletzt können sie mit sensiblen Spektrographen aus den Intensitätseinbrüchen in verschiedenen Wellenlängenbereichen Hinweise auf die Zusammensetzung der Planetenatmosphäre erhalten. Auf diese Weise konnten sie sogar in der ausgedehnten Atmosphäre von HD209458b, einem 150 Lichtjahre von der Erde entfernten Planeten des sonnenähnlichen Stern HD209458 im Sternbild Pegasus, Wasserstoff, Kohlen- und Sauerstoff nachweisen.

Die Stärke des Helligkeitseinbruchs ergibt sich übrigens aus der maximalen Transitzeit (i=90°). Um einen Transit überhaupt beobachten zu können, darf die Bahnebene des Trabanten nicht zu stark von i=90° abweichen, weshalb die statistische Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Observation nicht gerade besonders hoch ist. Zudem fällt und steht das Gelingen einer Transit-Observation mit der Entfernung des jeweiligen Exoplaneten zu seinem Heimatstern. Je näher der Planet seiner Sonne ist, desto leichter können ihn Astronomen aufspüren. Bei weit entfernten Begleitern nimmt die Wahrscheinlichkeit eines beobachtbaren Transit schnell ab.

Exotische Methoden der Planetensuche

Noch ungewöhnlicher ist die Astrometrie-Methode. Wie bei der Dopplereffekt-Technik messen die Planetenjäger auch bei diesem Verfahren die geringfügigen tänzelnden Bewegungen, die ein Stern infolge der gravitativen Einwirkung eines planetaren Begleiters macht. Allerdings wird hierbei im Gegensatz zur Radialgeschwindigkeitsmethode nicht die Verschiebung im Spektrum, sondern die Positionsverschiebung des stellaren Körpers selbst direkt berechnet.

Geradezu exotisch kommt dagegen die Pulsar-Timing-Methode daher. Auch wenn diese Verfahren noch in den Kinderschuhen stecken, haben sie dank emsiger Astronomen bereits die ersten Gehversuche absolviert. Immerhin gleicht das Prinzip der Pulsar-Timing-Methode der Radialgeschwindigkeitsmessung. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Forscher bei dieser Methode nicht die Dopplerverschiebung im Spektrum, sondern die Ankunftszeit der Radiopulse messen. Bewegt sich der Pulsar auf den Beobachter zu, kommen die Radiopulse mit einer höheren Frequenz. Entfernt er sich vom Beobachter, so ist die Frequenz der Pulse niedriger. Durch die hohe Zeitmessgenauigkeit können mit diesem Verfahren sogar erdähnliche Körper um Pulsare herum lokalisiert werden.

Erst entdeckten die Planetenjäger Jupiter-große Gasriesen, dann Neptun-große Exoplaneten. Wann folgt die erste "zweite Erde"? Bild: NASA/GPL

Während bei dem Pulsar-Timing-Prinzip also gezielt periodische Veränderungen in der Ankunftszeiten von Pulsar-Signalen gemessen werden, steht beim Gravitational Microlensing ein völliges anderes Prinzip im Mittelpunkt. Beim Gravitationslinsen-Effekt handelt es sich in der beobachtenden Astronomie um ein mittlerweile kaum mehr wegzudenkendes Verfahren, das auf einem natürlichen Prinzip beruht. Liegen zwei Galaxien in Sichtlinie hintereinander, so dass die erste die dahinter liegende verdeckt, wirkt die erste als Gravitationslinse. Ihre Schwerkraft verzerrt das Licht der verdeckten Galaxie -- und platziert dadurch ihr Abbild dergestalt, dass es daneben liegend erscheint. Der Beobachter sieht das Objekt mehrfach, weil die Lichtstrahlen unterschiedliche Wege nehmen. Befinden sich das Objekt, die Gravitationslinse und der Beobachter sogar exakt auf einer Linie, werden die Lichtstrahlen des hinteren Objekts zu einem perfekten Ring, einem Einstein-Ring, um die Galaxis abgelenkt.

Dieser von Einstein vorhergesagte, aber selten auftretende "Microlensing-Effekt", kommt aber auch bei einzelnen Sternen zum Tragen. Bewegt sich ein Stern, der sich in der Sichtlinie der Erde und einem weit entfernten Hintergrundstern befindet, an diesem vorbei, so wird das Licht des Hintergrundsterns in charakteristischer Weise durch den Gravitationslinseneffekt verstärkt. Dank solcher Phantombilder können die Sterngucker nicht nur hinter die kosmische Fassaden von Sternen, Galaxien und Galaxie-Clustern blicken (die ohne diesen Effekt selbst mit Hilfe des Hubble Teleskops nicht direkt beobachtbar wären), sondern auch extrasolare Planeten lokalisieren. Denn Exoplaneten, die nahe um den "linsenden" Stern kreisen, verändern die Lichtkurve der Lichtverstärkung dergestalt, dass sie als Planet erkennbar sind.

Auf das Intervall kommt es an

Die um kreative Ideen selten verlegenen Planetenjäger stellen nunmehr in dem US-Wissenschaftsmagazin "Science" einen neuen Theorieansatz vor, dem zufolge kleinere Exoplaneten auch durch die exakte Analyse der Umlaufbahnen bekannter großer Planeten entdeckt werden können. "Bei vielen der neu entdeckten Planeten können die Intervalle zwischen den fortlaufenden Transits mit einer Genauigkeit von 0,1 bis 100 Minuten gemessen werden. Wir zeigen nun, dass diese Zeitmessungen auch die Entdeckung von anderen Himmelskörpern in den jeweiligen Systemen erlauben. Auch von jenen, die nicht im Transit zu sehen sind" schreiben Matthew Holman vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (USA/MA) und Norman Murray vom Canadian Institute for Theoretical Astrophysics in dem "Science"-Fachbeitrag (307: 1288-1291 / 2005) "The Use of Transit Timing to detect Terrestrial-Mass Extrasolar Planets".

Holmans neues Transit-Timing-Verfahren basiert auf einer Beobachtung, die Astronomen bereits Anfang des letzten Jahrhunderts dabei half, den Planeten Pluto in unserem Sonnensystem zu finden. Indem sich die Forscher auf die gegenseitige gravitative Beeinflussung zwischen dem Heimatstern und seinen Planeten konzentrierten, konnten sie den fernsten Begleiter der Sonne, den viele Astronomen eher als Mond ansehen, lokalisieren.

Wachsames Auge auf Giganten halten

In der Regel umkreisen einzelne Planeten ihren Heimatstern in einer sehr gleichmäßigen Bahn. Gleichwohl wirken - und dieser Effekt wird oft übersehen - in einem Planetensystem die Anziehungskräfte aller anderen Körper auf besagten Planeten und beschleunigen oder bremsen seinen Orbit. So ergab eine Computersimulation, dass sich - übertragen auf unser Sonnensystem - unter Anwendung der neuen Messmethode Schwankungen im Bereich von einigen Sekunden (hier kam Merkurs Einfluss zum Tragen) bis zu Stunden (Mars' Einfluss) ergeben würden.

Bei Exoplaneten müsste nach Ansicht der Forscher dieser Effekt vor allem bei saturn- oder jupitergroßen Planetenriesen noch stärker zum Tragen kommen, weshalb es bei diesem Messverfahren durchaus möglich wäre, dortige erdähnliche Begleiter aufzuspüren. Voraussetzung hierfür wären allerdings sehr exakte und langwierige Messungen, da sich die Abweichungen über Zeiträume von Monaten oder Jahren erstrecken. "Die ‘Transit-Zeit' hängt von den Veränderungen ab, die sich aus der Masse der zusätzlichen Planeten ergeben", verdeutlichen beide Autoren. "Und in einigen Fällen werden erdähnliche Planeten einen entsprechenden messbaren Effekt verursachen". Daher solle man, so die beiden Wissenschaftler, auf der Suche nach dem planetaren Zwilling der Erde, insbesondere ein wachsames Auge auf die Bahndaten der fernen jupiterähnlichen Giganten halten.