"Konferenz der Schwachen"

Palästinenser machen sich in London wenig Hoffnung auf neue Friedensverhandlungen mit Israel

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Wenn die palästinensische Führung am Dienstag in London mit den Delegationen aus den USA und Europa sowie Vertretern großer Geberorganisationen zusammentrifft, ist sie sich ihrer Schwäche bewusst. Was von Großbritanniens Premier Tony Blair einmal als Neuauflage israelisch-palästinensischer Friedensgespräche geplant war, wurde zur Maßregelung für die Palästinenser degradiert. Die israelische Regierung hat ihre Teilnahme an der Konferenz nämlich rundweg abgelehnt.

"Die Konferenz muss sich auf die Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Endstatusfragen konzentrieren", sagte Saeb Erekat, Chef-Unterhändler der Palästinenser, "also Ost-Jerusalem, die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten, Grenzen und Flüchtlinge." Das Ziel in London, so Erekat weiter, sollte die palästinensische Staatsgründung bis zum Jahresende auf Grundlage der international unterstützten Straßenkarte zum Frieden, die Road Map, sein.

Für Israel dient die Konferenz allerdings allein zur Unterstützung palästinensischer Reformen und der Einstellung des Widerstands gegen die Besatzung. Die Einfrierung israelischer Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten, wie in der Road Map vorgesehen, kommt für die israelische Regierung nicht in Frage. "Die Konferenz dreht sich darum, wie die internationale Gemeinschaft den Palästinensern bei der Vorbereitung auf das neue Zeitalter (nach dem Tod Jassir Arafats) helfen kann", erklärte Dov Weinglass, Berater von Israels Premier Ariel Scharon.

Palästinenser wollen Wiederaufbauhilfe

Palästinas neuer Präsident Mahmud Abbas verspricht sich von der Konferenz, an der auch Vertreter der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds teilnehmen, finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau. Israels Militär zerschlug vor drei Jahren den palästinensischen Sicherheitsapparat und andere Institutionen der vormaligen Selbstverwaltung. Viele Gebäude und Infrastruktur wurde zerbombt.

"Für eine Wiederbelebung der palästinensischen Wirtschaft muss Israel das System der Beschränkungen der Bewegungsfreiheit für Menschen und Waren zurücknehmen", so die Weltbank in einem Bericht vom Dezember. "Diese Maßnahmen sind der Grund für die ökonomische Misere der Palästinenser."

Die Experten gehen davon aus, dass wie bisher etwa 900 Millionen Dollar jährlich fließen müssen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Von der palästinensischen Autonomiebehörde wird allerdings verlangt, die Mittel transparent zu verwalten und gegen die bewaffneten Oppositionsgruppen vorzugehen. Die Neubesetzung des Kabinetts vom Donnerstag ist die Voraussetzung für ersteres. Anstatt unfähigen, aber loyalen Parteigängern Arafats sind nun Fachleute am Werk. Die gezielte Verfolgung der Extremisten durch palästinensische Polizei muss allerdings bis zum Rückzug israelischer Truppen warten. Momentan hält die Armee noch das gesamte Westjordanland besetzt. Auch der Selbstmordattentäter, der am Freitag vier Israelis in Tel Aviv in den Tod riss, kam aus einem Dorf, das noch von israelischen Soldaten kontrolliert wird.

Abbas' Ministerpräsident Ahmad Qureia ist deshalb von der Londoner Konferenz enttäuscht. "Wir brauchen kein Treffen, wo man uns zeigt, wie man wiederaufbaut und wie man verhandelt", so Qureia. "Was wir brauchen ist eine internationale Friedenskonferenz." Viele Palästinenser sind seiner Meinung. Auch wenn die Waffenruhe voll eingehalten würde, gehen der Ausbau der israelischen Sperranlagen weiter. Dadurch werden Tausende Palästinenser von ihren Feldern, Arbeitsplätzen und Schulen abgeschnitten. Die Isolierung des palästinensischen Ost-Jerusalem vom Rest des Westjordanlands geht ebenfalls ungebrochen weiter und sorgt für großen Unmut.

Palästinenser fordern Druck auf Israel

Andere palästinensische Politiker hoffen jedoch, dass nach London auch Druck auf Israel ausgeübt wird, sich an internationalen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern zu beteiligen und, wie in den Friedensverträgen von 1993 vereinbart, Siedlungsbau und Landraub einzustellen. "Das ist etwas, dass die USA und die internationale Gemeinschaft tun müssen", forderte die palästinensische Parlamentsabgeordnete Hanan Aschrawi. "Es braucht politische Rahmenbedingungen und einen Aktionsplan. Das würde beiden Völkern die Hoffnung darauf geben, und besonders den Palästinensern, dass Gewalt nicht der einzige Weg ist. Dass die Besatzung ein Ende finden und die Zwei-Staatenlösung umgesetzt wird."

Auf der Konferenz soll eine Erklärung verabschiedet werden. "Sie wird sich auf internationales Recht und die Road Map beziehen", meint der palästinensische Planungsminister Ghassan Khatib. "Es wird aber auch um ökonomische Fragen, Entwicklung und Reformen gehen, sowie um internationale Verpflichtungen zur Rückkehr zum Friedensprozess." Obwohl Israel nicht an der Konferenz teilnimmt, hat das Land vom britischen Gastgeber die Zusage erhalten, trotzdem am Konferenzkommuniqué mitformulieren zu dürfen. Der Versuch der palästinensischen Führung, einen Bezug auf die Endstatusfragen israelisch-palästinensischer Verhandlungen herzustellen, wurde deshalb bereits im Vorfeld abgelehnt.

"Das Kernproblem liegt nicht in unserer politischen Rhetorik oder unserem Verhalten", so ein Kommentar in der palästinensischen Tageszeitung Al Quds mit dem Titel "Konferenz der Schwachen". "Das Problem ist der Besitz realer Macht. Jeder der sich ohne Macht in politische Verhandlungen begibt, ist bereits vernichtet."