Galaktischer Piratensender entdeckt?

Siebenstündige Radioausstrahlung aus dem Zentrum der Galaxie aufgenommen - Ursache unbekannt

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Astronomen haben einen ungewöhnlichen, sehr energiereichen Ausbruch im Bereich von Radiowellen entdeckt, dessen Ursprung wahrscheinlich in der Nähe des Zentrums der Milchstraße liegt.

Im Wissenschaftsmagazin Nature berichten Scott D. Hyman vom Sweet Briar College in Virginia und Kollegen anderer Institute in den USA von der Entdeckung des Objekts mit der Bezeichnung GCRT J1745-3009. Die Signatur dieser energiereichen Radioquelle ist außergewöhnlich und die Wissenschaftler sind überzeugt, dass es sich entweder um eine bisher unbekannte Form, also eine neue Klasse von kosmischem Objekt, handelt oder aber um eine bisher unbekannte Art von Aktivität eines Objekts einer bekannten Klasse. In jedem Fall um etwas völlig Neues.

Abbildung der neuen Quelle, die sich unterhalb eines Rings aus Überresten einer Supernova befindet (Bild: NRL/SBC Galactic Center Radio Group)

Bislang war es schwierig, kurzlebige Radioausbrüche zu entdecken, da der Himmel nur in kleinen Ausschnitten nach Emissionen im Radiowellenbereich abgesucht wurde. Das Team um Scott Hyman überwachte das Zentrum unserer Galaxis mehrere Jahre lang, dadurch gelang ihnen es, GCRT J1745-3009 aufzuspüren. Hyman feiert seinen wissenschaftlichen Triumph:

Wir haben das große Los gezogen. Eine Abbildung des galaktischen Zentrums, erstellt durch das Erfassen von Radiowellen von einem Meter Wellenlänge, offenbarte multiple Ausbrüche einer Quelle während einer Dauer von 7 Stunden von 30. September bis 1. Oktober 2002 - und zwar fünf Ausbrüche, die sich in beachtlich konstanten Intervallen wiederholten.

Radioquellen sind die großen Unbekannten im All

Zur Überwachung des Himmels nutzten die Astronomen das Radio Teleskop des National Science Foundation's Very Large Array in New Mexico. Der Weitwinkelblick des Very Large Array ermöglichte ein großes Gebiet rund um das Zentrum der Milchstraße zu beobachten. Andere Radioteleskope haben immer nur einen kleinen Ausschnitt im Visier. Kein Wunder also, dass bislang nur relativ wenige Radioquellen bekannt sind. Teammitglied Joseph Lazio vom Naval Research Laboratory (NRL) kommentierte:

Obwohl es bekannt ist, dass es am Himmel sehr viele kurzlebige Objekte gibt, die im Wellenbereich von Röntgen- oder Gammastrahlen emittieren, wurde erstaunlicherweise sehr wenig getan, um nach Ausbrüchen im Radiowellenbereich zu suchen, die für viele astronomische Objekte leichter zu produzieren sind.

Die fünf Ausbrüche von GCRT J1745-3009 waren von gleicher Helligkeit und leuchteten im Abstand von 77 Minuten jeweils 10 Minuten lang. Zwischen dem periodisch wiederkehrenden, energiereichen Aufflackern gab es keinerlei Emissionen.

Wie weit GCRT J1745-3009 wirklich von uns entfernt ist, bleibt unbekannt. Die Radioquelle könnte sich tatsächlich in einer Distanz von 24.000 Lichtjahren nahe dem Zentrum der Milchstraße befinden oder sehr viel näher, wenn eine kosmische Projektion mit im Spiel wäre. Genauen Aufschluss darüber können nur weitere Forschungen bringen.

Abbildung der zentralen Region der Milchstraße im Radiowellenbereich. Der Pfeil zeigt die Position der Überreste der Supernova an, die im oberen Bild heran geholt erscheint. (Bild: NRL/SBC Galactic Center Radio Group)

Die mysteriöse Radioquelle, die diese kurzlebigen Emissionen verursachte, war vor 2002 nicht aufgefallen. Die Forscher konnten auch auf älteren Aufnahmen, die sie sichteten, keine Spur von ihr entdecken. Es wurde keine begleitende Röntgenstrahlung gefunden, die von der selben Quellen stammt. Co-Autor Paul Ray vom Naval Research Laboratory meint:

Dass keine Röntgenstrahlenemissionen entdeckt wurden, ist verblüffend. Viele Quellen, die temporäre Röntgenstrahlen-Flares emittieren, wie binäre Sternensysteme mit einem Schwarzen Loch, emittieren gleichzeitig auch im Radiowellenbereich.

Die Eigenschaften von GCRT J1745-3009 unterscheiden sich erheblich von den bekannten kurzlebiger Radioquellen. In einem begleitenden News & Views-Artikel in Nature schreiben Shri R. Kulkarni und E. Steri Phinney vom California Institute of Technology in Pasadena

Unserer Meinung nach ist die Behauptung, es handle sich um eine neue Klasse [astronomischer Objekte] plausibel, aber nicht jenseits allen Zweifels.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Feststellung, wie weit GCRT J1745-3009 wirklich von uns entfernt ist. Nach Kulkarni und Phinney könnte es sich zum Beispiel auch um einen ungewöhnlichen Pulsar (der nur sporadisch pulsiert), einen speziellen Braunen Zwerg, ein seltsames binäres Systems oder einem magnetisierten Weißen Zwerg handeln. Auf jeden Fall ist die "Radioastronomie bereit, neue und reizvolle Ausbrüche zu liefern."