Englische E-Universität entpuppt sich als E-Verschwendung

Ein weiteres Kind des Dotcom-Booms ist pleite

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Mit Computern und Internet kann man ausgezeichnet Geld verlieren. So richtig gut klappt es aber mit dem E-Geld verheizen, wenn es sich dabei um Steuergelder handelt.

Einst wurde das Internet in Form von E-Mail und anderen Diensten sowie später dem WWW an Universitäten und Forschungsinsituten eingeführt und für Ausbildungs- und Lehrzwecke genutzt. Heute ist diese Nutzung bei den Markenrechtlern, Abmahnern und E-Commerclern dagegen geradezu verhasst: Das Internet, inklusive Mail und WWW, gilt wahlweise als kommerzielles Werkzeug, um Privatleute per Dialer oder Abmahnung abzuzocken oder als eine öffentlich-rechtliche journalistische Dienstleistung von ARD und ZDF, für die denen ab 2007 Fernsehgebühren zu zahlen sind.

Wer heute als Privatmann noch Kurse oder Wissen kostenlos ins Netz stellen will, um der Allgemeinheit zu helfen, tritt entweder ungewollt eine Serienabmahnung gegen andere los oder wird selbst wegen einer Markenverletzung abgemahnt. Die Namen der Universitäten werden wiederum inzwischen für Spammails missbraucht, zuletzt geschehen bei der Fachhochschule München.

Umso erfreulicher, wenn der an sich bewährte Ansatz der Fernuniversität nun auch vom Internet Gebrauch macht -- für Leute, die bereits im Berufsleben stehen und sich auch mit der Familie bereits fest niedergelassen haben, eine Wohltat und zudem für alle Beteiligten kostensparend, da Campusräume und Umzüge entfallen.

Die E-Uni, der moderne Ableger der Fernuniversität

Akademie.de setzt dies seit Jahren für einzelne Kurse um -- ursprünglich aus EU-Mitteln gefördert und für die Kursteilnehmer kostenfrei oder ermäßigt, im Dotcom-Bom trotz damals noch hoher Verbindungskosten recht erfolgreich, heute im DSL-Flatrate-Zeitalter wesentlich dünner ausgestattet, doch noch lebendig. Akademische Abschlüsse gibt es dort jedoch trotz des Namens nicht.

In England wurde dagegen im Dotcom-Jahr 2000 für 50 Millionen englische Pfund (72.653.300 Euro) eine spezielle "E-University" gegründet -- von der mittlerweile nicht einmal mehr die Website funktioniert. Statt eigentlich angepeilter 5600 E-Studenten mit einem Ziel von 110.000 Studenten in den ersten 6 Jahren und 250.000 nach 10 Jahren fanden sich jedoch mit dem ersten erst im September 2003 endlich realisierten Kursen gerade deren 900 ein. Das ergibt Kosten von 44.000 englischen Pfund (63.934,90 Euro) pro Student -- dafür wären auch die nobelsten Universitäten wie Oxford oder Cambridge möglich gewesen.

Obwohl er jämmerlich scheiterte, private Investoren für das Projekt zu bekommen -- 50% der Summe sollten so eigentlich aufgebracht werden, 0,5% waren es tatsächlich --, wurde dem Chef John Beaumont ein Bonus von 44.914 Pfund (65.263 Euro) zusätzlich zu seinem jährlichen Gehalt von 186.000 Pfund (270.270 Euro) für diese magere Leistung genehmigt. "Völlig unakzeptabel und moralisch nicht zu rechtfertigen" kommentierte dies das House of Commons Education Committee in einer Untersuchung.

Bodenlose Geldverschwendung

Keine Marktforschung war dem Start der E-Uni vorausgegangen, um festzustellen, wie groß der Bedarf überhaupt ist -- und was die Stundenten wünschen: Auch bei E-Learning legen sie nämlich durchaus Wert darauf, sich bei Bedarf auch reel treffen zu können. Nur 4,2 Millionen Pfund (6.102.880 Euro) wurden für Marketing und Vertrieb ausgegeben, dafür 14 bis 20 Millionen Pfund (20 bis 30 Millionen Euro) -- ein Viertel der insgesamt aufgewendeten Summe -- für eine neuartige, von Sun Microsystems entwickelte Website. Diese wurde jedoch später nur von insgesamt 200 Stundenten genutzt, der Rest benutzte lieber bereits existierende Online-Auftritte von ihnen bereits vertrauten Universitäten. Im Februar 2004 zog das Higher Education Funding Council for England (HEFCE) deshalb den Stecker.

Die Kombination des Dotcom-Wahns und dem Glauben an unendliche virtuelle, in den Datenleitungen liegende Verdienstmöglichkeiten mit den Möglichkeiten der unauffälligen Geldverschwendung in öffentlichen und öffentlich-rechtlichen Organisationisationen führte hier zur E-Katastrophe. Dabei betrage der globale Markt für E-Learning schätzungsweise 9,4 Milliarden Pfund (13,65 Milliarden Euro) und da wäre für England durchaus ein akzeptabler Anteil drin gewesen, so der Vorsitzende des House of Commons Education Committee Barry Sheerman.