Keine Besserung in Togo

Der Diktator ist tot, doch die Diktatur geht weiter

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Es gibt nur noch wenige Diktatoren auf dieser Welt, die seit mehr als dreißig Jahren regieren. Speziell von der Sorte, die in jeder Hinsicht einen üblen, korrupten Despoten darstellt, die eigene Bevölkerung skrupellos unterdrückt und ausnimmt. Gnassingbé Eyadéma war so einer, er herrschte 38 Jahre lang mit eiserner Faust über Togo, bis er am 5. Februar im Alter von 69 Jahren an einem Herzleiden starb.

Die Republik Togo besteht aus einem schmalen Landstreifen zwischen Ghana und Benin. 5,5 Millionen Menschen leben in dem westafrikanischen Land.

1960 wurde die ehemalige französische Kolonie unabhängig. 1963 fand hier der erste Militärputsch in der Geschichte des postkolonialen Afrika statt: Der gewählte Präsident Sylvanus Olympio wurde ermordet und angeblich soll es der Ex-Fremdenlegionär Gnassingbé Eyadéma selbst gewesen sein, der die Schüsse abgegeben hat. Vier Jahre später übernahm er selbst die Macht. Fast vier Jahrzehnte blieb er der lebende Alptraum Togos. Unzählige Attentate und einen Flugzeugabsturz überlebte er genauso unbeschadet wie alle nationalen und internationalen Versuche, ihn zum Abdanken zu bewegen.

Offizieller Abschied vom Diktator Eyadéma, Bild: République Togolaise

Als der "Schatz Togos" oder "Vater der Nation" ließ sich General Eyadéma offiziell betiteln. Seinem Volk zeigte er sich nur mit Sonnenbrille. Der Protestant hatte drei Ehefrauen und unzählige Kinder. Und das Fossil unter den Tyrannen verwandelte sein Land in eine grausame Militärdiktatur.

Lange schaute die Welt diskret weg, wenn der "Freund Frankreichs", wie der französische Präsident Jacques Chirac ihn posthum noch nannte (De la présidence Eyadéma à la dynastie Gnassingbé) die Menschenrechte mit Füßen trat.

Das änderte sich erst Anfang der 90er Jahre, als das togoische Regime nach einer kurzen Phase zaghafter Schritte in Richtung Demokratie das Übergangsparlament brutal auflöste und die folgenden Massenproteste niederschlug, Soldaten schossen in friedliche Demonstrationszüge von Studenten und richteten auch unter den Augen angereister internationaler Vermittler ein Blutbad an. Die angesetzten Wahlen wurden annulliert und Eyadéma übernahm wieder die volle Kontrolle (UNHCR: Situation of human rights in Togo).

Die Europäische Union stellte ihre Hilfen ein und verhängte Sanktionen. Die folgenden Wahlfarcen, die der Militärdiktator veranstaltete, sollten eigentlich sein internationales Image verbessern. Allerdings ließ er die Auszählung der Stimmen 1998 stoppen, als sich eine Niederlage abzeichnete. Er erklärte sich schlicht zum Sieger. In der Folge wurden Hunderte Togoer, die es gewagt hatten, daran Kritik zu üben, ohne Verfahren hingerichtet. Ihre Leichen wurden ins Meer geworfen und später von der Flut an die Strände geschwemmt (Amnesty International: Togo. Commission of inquiry - time for truth and justice).

Wieder gelobte Togo Besserung und versprach freie Wahlen. Stattdessen änderte General Eyadéma die Verfassung, um sich erneut wiederwählen lassen zu können. Unverfroren ließ sich er sich 2003 erneut zum Sieger küren, obwohl die Togoer seiner bereits so müde waren, dass unter der Hand gewitzelt wurde: Selbst wenn ein Schaf als Gegenkandidat antreten würde, wäre ihm die Mehrheit der Stimmen gewiss.

Auch nach diesem letzten Wahldebakel gab es Proteste und darauf folgende Terror des Militärs mit willkürlichen Verhaftungen, Verfolgungen und Folter (Amnesty International: Drohende Folter und Togo 2003).

Obwohl Eyadéma immer wieder sein Wort gegeben hatte, Demokratisierung zuzulassen und obwohl er es immer wieder gebrochen hat, nahm die Europäische Union auf Betreiben Frankreichs im August 2003 Konsultationen mit dem Unrechtsregime auf. Langfristiges Ziel war dabei die Wiederaufnahme der Kooperation.

Dynastie der Diktatoren

Schon länger sei Gnassingbé Eyadéma herzkrank gewesen, war hinterher zu erfahren und am 5. Februar erlag er einem Herzinfarkt, als er zur Behandlung ausgeflogen werden sollte. Der Premierminister Koffi Sama verkündete im Radio:

Togo wird von einem großen Umglück heimgesucht. Es handelt sich um eine wahre nationale Katastrophe. Der Präsident ist tot.

Noch am selben Tag schloss das Militär die Grenzen, setzte die Verfassung außer Kraft und bestimmte den Sohn des toten Despoten zum Interimspräsidenten bis 2008, um ein "völliges Machtvakuum" zu vermeiden. Der 39jährige Faure Gnassingbé gehört zur Staatspartei seines Vaters, der "Rassemblement du Peuple Togolais" (RPT). Er studierte in Frankreich und den USA, nach seiner Rückkehr bekam er in sein Heimatland einen Ministerposten (Une page se tourne).

Schnell und deutlich machte die internationale Gemeinschaft deutlich, dass sie mit dieser dynastischen Nachfolgeregelung nicht einverstanden war. Die African Union (AU) äußerte sich schnell und scharf, der Kommissionspräsident und ehemalige Präsident Malis Alpha Omar Konare sagte wörtlich:

Was jetzt in Togo geschieht, nennen wir die Dinge wie sie sind, ist eine Machtübernahme durch die Armee. Es ist ein militärischer Staatsstreich.

In der Hauptstadt Lomé demonstrierten im Februar immer wieder mutige Oppositionelle, und erneut schoss das Militär in die Menge. Mindestens drei Personen starben. Die Afrikanische Union und die Economic Community Of West African States (ECOWAS) drohten mit Sanktionen, der Präsident der Regionalmacht Nigeria, Olusegun Obasanjo sogar mit einer möglichen militärischen Intervention. Die EU verlangte die Herstellung des verfassungsmäßigen Zustands, also Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen. Die USA stellte ihre militärische Hilfe ein (Wirtschaftssanktionen gegen Togo).

Der internatonale Druck wirkte. Am 25. Februar trat Faure Gnassingbé zurück, Übergangsstaatschef ist nun der Vizeparlamentspräsidenten Bonfoh Abbass. Die Wahl eines neuen Präsidenten in Togo ist für den 24. April angesetzt (Les Togolais voteront le 24 avril).

Faure Gnassingbé tritt als Kandidat der Partei RPT zur Wahl an. Vor Parteianhängern versicherte er, der politischen Linie seines Vaters treu zu bleiben und er rief alle auf: "Wir müssen uns mobilisieren und organisieren, damit die Macht nicht aus unseren Händen gleitet." (''Rester fidèle à la mémoire de mon père'' ).

Kein Wunder, dass Exilpolitiker starke Zweifel haben, ob es bei den Wahlen diesmal mit rechten Dingen zugehen und kein Betrug stattfinden wird. Selbst bei tatsächlich echten ersten Schritten in Richtung Demokratie wird es Jahre dauern, bis die völlig korrupten und von den Machstrukturen des Militärs durchdrungenen Verhältnisse im Land nachhaltig verändert sein werden.

Deutschland und Togoland

"In 2004 blicken wir auf 120 Jahre deutsch-togoischer Beziehungen zurück (1884 - 2004)", ließ das Auswärtige Amt vergangenes Jahr verlauten. Die Sklavenküste Westafrikas war ein interessantes Gebiet, um Geschäfte zu machen. Auch für die Deutschen. 1884 nahm Reichskommissar Gustav Nachtigal "Togoland" als Schutzgebiet für den Kaiser in Besitz. Ein reger Handel entstand, vor allem Palmöl, Palmkerne, Gummi, Elfenbein, Kaffee, Kopra und Kokosnüsse wurden exportiert ( Togo, bis 1905 "Togoland").

Reisen im Kolonialstil, Togo um 1885 (Bild: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz)

1919 waren nach dem verlorenen Weltkrieg die kolonialen Träume des Deutschen Reiches ausgeträumt. Der Versailler Vertrag setzte auch der deutschen Kolonie Togo ein Ende. Dennoch hinterließ die alte Verbindung Spuren, die sich bis in die Gegenwart ziehen.

Von 1960-1991 flossen insgesamt rund 630 Millionen Euro Entwicklungshilfe von Deutschland nach Togo. Unterstützt wurde u.a. der Ausbau des Tiefseehafens Lomé, Projekte der Strom- und Wasserversorgung und des Straßenbaus. In der Hauptstadt Lomé gibt es ein Goethe-Institut, die Bundesrepublik half auch beim Ausbau des togoischen Berufsschulwesens. Insgesamt gab es bis zur Suspendierung der bilateralen Zusammenarbeit 1993 wegen der "politischen Situation und der unbefriedigenden Menschenrechtslage" relativ enge Beziehungen. Die frühere Kolonialmacht Deutschland unterhält (neben Frankreich) auch die einzige europäische Botschaft vor Ort (Auswärtiges Amt: Beziehungen zwischen Togo und Deutschland).

Das Verhältnis deutscher Politiker zu General Eyadéma war sehr verschieden. Von Bundespräsident Heinrich Lübke wird berichtet, dass er sich 1966 anlässlich eines Staatsbesuchs extra den rechten Arm eingipsen ließ, um dem mörderischen Diktator nicht die Hand schütteln zu müssen. Franz Josef Strauß war da weit weniger empfindlich. Gerne besuchte er Togo, wurde mit Salutschüssen empfangen und ging dann mit seinem Freund Eyadéma auf die Großwildjagd. Zwischen Bayern und dem westafrikanischen Land gibt es bis heute besondere Beziehungen (Eine Freundschaft mit Tradition).

In den vergangenen Jahren war es die Bundesrepublik, die sich den Bemühungen Frankreichs entgegenstellte, die Sanktionen der EU gegen Togo einzustellen. Als der togoische Premierminister Koffi Sama 2003 in Berlin vorsprach, bekam er von der Staatsministerin Kerstin Müller eine ziemliche Abfuhr erteilt. Sie prangerte die "zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, willkürlichen Verhaftungen sowie die massive Beschränkung der Pressefreiheit und die Wahlmanipulationen der vergangenen Jahre in der Republik Togo" an und erklärte, dass

an die Wiederaufnahme der bilateralen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit dem westafrikanischen Land erst zu denken ist, wenn die Menschenrechte beachtet werden, die Presse frei und unabhängig arbeiten kann sowie Rechtsstaatlichkeit, ein unabhängiges Justizwesen und gute Regierungsführung in Togo Realität geworden sind.

Staatsministerin fordert Demokratisierung und Respektierung der Menschenrechte in Togo

Gleichzeitig scheute sich die Bundesrepublik nicht davor, ständig Flüchtlinge nach Togo abzuschieben. Nach den Unruhen und Verfolgungen Anfang der 90er Jahre flohen viele Togoer nach Europa und eine große Gruppe gelangte als Asylbewerber nach Deutschland. Neben Kanada lebt hierzulande die aktivste Gruppe an togoischen Exilpolitikern und Oppositionellen.

Sehr unangenehm war dem Diktator Eyadéma die direkte Tuchfühlung, als er 2000 die EXPO in Hannover besuchte und von heftigen Protesten empfangen wurde. Die Demonstranten riefen ihm "Eyadéma ist ein Mörder" entgegen und forderten Menschenrechte ein (Demonstration gegen Eyadéma am Nationentag Togo auf der Expo 2000 am 25. Oktober).

Demonstration gegen Abschiebungen nach Togo (Bild: Karawane München - Mehr Fotos

Abschiebungen nach Togo fanden in den letzten Jahren durchgehend statt, die Situation verschärfte sich aber noch, als im Oktober 2003 Essohanam Comla Paka zum neuen Botschafter in Berlin ernannt wurde. Offensichtlich hatte dieser führende Kopf der Staatspartei RPT sowohl den Auftrag, die deutsche Regierung zu besänftigen als auch möglichst viele Exilpolitiker wieder in der alten Heimat abzuliefern. Eifrig begann der neue Botschafter damit, Heimreisepapiere auszustellen und diesbezüglich möglichst optimal mit den deutschen Behörden zu kooperieren. Und das, obwohl die Oppositionellen in Togo nachweislich gefährdet sind. Nach Angaben der Antirassistischen Initiative Berlin

wurden mindestens 20 Flüchtlinge nach ihrer Abschiebung in Togo von Polizei oder Militär misshandelt oder gefoltert. Mindestens fünf Menschen verschwanden nach der Abschiebung spurlos - ein Flüchtling kam zu Tode. Diese Zahlen stellen nur die Spitze des Eisberges dar, weil kaum Informationen über die Situation von Abgeschobenen nach Deutschland gelangen, viele von ihnen direkt nach der Ankunft inhaftiert werden und keine Möglichkeit haben, die Öffentlichkeit über ihre Situation zu informieren.

Gerade 2004 kam es zu einer auffallenden Häufung von Abschiebeandrohungen und Abschiebungen - auch in der Form von Sammelchartern aus verschiedenen europäischen Ländern (EU-Projekt: Massenabschiebungen per Charterflug). In Berlin veranstaltete die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen und die togoischen Exilopposition einen Hungerstreik, um auf diese Abschiebepraxis aufmerksam zu machen (19. - 22.06.2004: Hungerstreik gegen Abschiebungen nach Togo und Kamerun in Berlin).

Und obwohl die Situation in Togo unsicher und bisher nicht absehbar ist, wann und wie die Verhältnisse sich ändern, wird weiter abgeschoben.