Die Schmerzwaffen kommen

Mittel der neuen Kriegsführung: Nicht-tödliche Waffe, die mit elektromagentischen Pulsen unerträglichen Schmerz verursacht, kurz vor dem Einsatz

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Kürzlich wurde bekannt, dass das Office of Naval Research der US-Marine an der University of Central Florida eine nicht-tödliche Laserwaffe entwickeln lässt, die auf eine Entfernung von bis zu zwei Kilometern möglichst große Schmerzen und eine vorübergehende Lähmung bei den angezielten Menschen hervorrufen soll. Nach Dokumenten, die das Sunshine Project über einen FOIA-Antrag erhalten hat, erzeugen die Laserimpulse, wenn sie auf die Hautoberfläche prallen, elektrische Ladungen, die eine Druckwelle erzeugen, welche auf Schmerzrezeptoren einwirkt und Schmerzen hervorruft. Allerdings soll bereits in diesem Jahr - geplant war ursprünglich ab Februar - ein anderes nichttödliches Waffensystem im Irak getestet werden, in dem elektromagnetische Energie in Form von Wellen in der Länge von einem Millimeter in einem Strahl ausgesendet werden. Der Strahl dringt etwa 1,5 mm unter die Hautoberfläche ein und verursacht einen unerträglichen Schmerz.

Prototyp des Active Denial System

Die Forschung und Entwicklung von nicht-tödlichen Waffen hat im Pentagon vor allem nach den Erfahrungen der "Friedensmission" in Somalia eingesetzt. Zu diesem Zweck wurde 1996 das Joint Non-Lethal Weapons Directorate (JNLWD) gegründet. Der Wunsch nach nicht-tödlichen Waffen wurde weiter durch die Aussicht in der Zeit der Clinton-Präsidentschaft verstärkt, in der man davon ausging, dass die Zeit der großen traditionellen Kriege nach dem Ende des Kalten Kriegs vorüber sei und man sich vorwiegend auf asymmetrische und humanitäre bzw. friedenssichernde Konflikte oder Interventionen einstellen müsse. Aber noch 2002 hat das National Research Council den Bericht An Assessment of Nonlethal Weapons Science and Technology herausgegeben, in dem verlangt, mehr Geld für die Forschung und Entwicklung von nicht-tödlichen Waffen zu investieren, die "Menschen und Dinge handlungsunfähig machen, aber Tod und Schaden minimieren". Beklagt wurde aber auch das Fehlen neuer Ideen. Neben Betäubungsmitteln und Stinkbomben zur Kontrolle von Menschenmengen wurde im Rahmen von existierenden vielversprechenden Möglichkeiten vor allem auf Hochenergie-Mikrowellenwaffen zum Stoppen von Fahrzeugen, Laserwaffen gegen Menschen und die auf einem Fahrzeug transportierbare Strahlenwaffe, die mit elektromagnetischen Wellen Schmerzen verursacht: Vehicle-Mounted Active Denial system (VMAD) oder nur Active Denial System (ADS).

Eben diese von der U.S. Air Force entwickelte Abwehrwaffe soll nun erstmals wie eine neue akustische nicht-tödliche Waffe, die bereits eingesetzt wird, im Irak getestet werden (Testfeld für neue nichttödliche Abstandswaffen). Zunächst wird die Strahlenwaffe auf Humvees angebracht, später sollen auch Flugzeuge damit ausgerüstet werden. Dabei wird ein Mikrowellenstrahl mit 95 GHz auf einen Gegner mit einer Antenne gerichtet. Solange Energie vorhanden ist, lassen sich auch Menschengruppe abwehren oder eine Art Schmerzbarriere bilden. Die genaue Reichweite wird geheim gehalten, soll aber über 500 Meter betragen.

Der Strahl soll nur knapp unter die Hautoberfläche eindringen und dort ohne eine Verbrennung ein Hitzegefühl verursachen, wodurch ein unerträglicher Schmerz entsteht (bei 55 Grad Celsius gibt es ein Maximum des Schmerzgefühls), aber angeblich aufgrund der Wellenlänge und geringen Energie angeblich keinen Schaden bewirkt. Aktiviert werden durch angeblich subtraumatische Erhitzung der Haut Wärme leitende Proteine, die wiederum Nozizeptoren stimulieren. Zudem habe sich in Versuchen an Tieren und Menschen gezeigt, dass diese, sobald der Strahl auf sie trifft, sich wegen der Schmerzen schnell aus diesem wegbewegen. Niemand habe es bei den Versuchen geschafft, den Strahl länger als drei Sekunden auszuhalten.

Doch vor dem Einsatz der über ein Jahrzehnt lang für 50 Millionen US-Dollar entwickelten Strahlenwaffe stellen sich noch Probleme. Sicherheitshalber hat das Pentagon letztes Jahr schon einmal untersuchen lassen, wie die Verwendung dieser starken Schmerz verursachenden Strahlenwaffe bei den Amerikanern und anderswo ankommt. David Karcher, Leiter des Joint Non-Lethal Weapons Directorate (JNLWD) versichert, dass die Waffe nicht zum Foltern eingesetzt werde. Dafür aber hat er nur als Beleg anzubieten, dass dies nämlich die Definition des Pentagon für nicht-tödliche Waffen verletze ...

Ein anderes Problem ist, wie die nicht oder weniger tödlichen Waffen an Tieren und Menschen getestet werden können, um verlässlich zu demonstrieren, dass sie nicht gefährlich sind. Angesichts der zwar geringen, aber doch vorhandenen Todesfälle nach der Verwendung der besonders bei den US-amerikanischen Sicherheitsbehörden verbreiteten Taser-Elektroschockwaffen, wären überzeugende Tests auch zur Schaffung von Akzeptanz in der Öffentlichkeit wichtig. Das vom JNLWD finanzierte Non-lethal Technology Innovation Center hat Richtlinien für Tests an Menschen entwickelt, die aber aufgrund der neuen Techniken Schritt für Schritt mit der Praxis entwickelt werden. In aller Regel werden die Tests heimlich durchgeführt und die Ergebnisse nicht veröffentlicht. Das geschehe vor allem auch deswegen, so Nicholas Nicholas, ein leitendender Wissenschaftler am Institute for Non-Lethal Defense Technologies an der Penn State University, damit mögliche Gegner die Technik nicht ausspionieren können. Und vermutlich wird auch manchen exotischen Ideen nachgegangen, die man lieber erst einmal der Öffentlichkeit nicht bekannt machen will.

Die neuen Waffensysteme mit tödliche und nicht-tödlichen Anwendungen werden hinter verschlossenen Türen entwickelt und getestet

Bürgerrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch fordern die Möglichkeit, Einsicht in die Testergebnisse zu erhalten. Die Tierschutzgruppe PETA hat ein Gesuch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (FOIA) gestellt, um die Dokumente zu erhalten, wie und mit welchen Folgen das ADS an Ziegen getestet wurde. Genauere Einzelheiten und die Reichweite von ADS werden geheim gehalten. Offenbar wurde auch nicht getestet, welche Auswirkung die Waffe auf Personen ausübt, die sich in der Nähe aufhalten. Auf einer Konferenz sagte ein Militär, dass es dann möglicherweise Schäden verursachen könnte.

Nach Captain Daniel McSweeney, dem Sprecher des JNLWP, wurde ADS bereits vom Beratungskomitee des Non-lethal Technology Innovation Center medizinisch geprüft, auch rechtlich habe man sich abgesichert. Aber es müsse noch vor dem Einsatz evaluiert werden.

Im Sommer des letztes Jahres hat die University of Florida einen Vertrag mit dem Office of Naval Research, das für das JNLWD zuständig ist, abgeschlossen, um die "sensorischen Folgen von elektromagnetischen Pulsen, die von Laser-erzeugtem Plasmen" zu untersuchen, also welchen Schmerz diese bei den Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) auslösen. Der mit 500.000 US-Dollar dotierte Vertrag, der dem Sunshine Project durch einen FOIA-Antrag zugänglich gemacht wurde (wenn auch schwer eingeschwärzt), nennt als Techniken, die geprüft werden sollen, das ADS und das "pulsed-energy projectile" (PEP). Beide hätten nicht-tödliche und tödliche Anwendungen, die vorgesehenen Aufgabenbereiche wurden ausgeschwärzt.

Im Zentrum steht die Untersuchung, ob mit PEP als einer nicht-tödlichen Waffe, die elektromagnetische Pulse abgibt, ein solcher Schmerz verursacht werden kann, der "ein Individuum entwaffnet oder stoppt oder eine Barriere für die Bewegung großer feindlicher Gruppen bildet". PEP könne man zur Ergänzung dann einsetzen, wenn ADS nicht effizient ist, zu schwach wirkt oder Gegenmaßnahmen vorhanden sind. Gerichtete Energie habe den großen Vorteil, dass bei Sichtkontakt "gewaltige Energiemengen über große Entfernungen mit exakter Genauigkeit" auf ein Ziel gefeuert werden können. PEP habe gegenüber ADS den Vorteil, dass Schmerzen nicht durch Erhitzung und damit mögliche Schädigung von Körpergewebe bewirkt werden, sondern offenbar bestimmte Nozizeptoren-Arten direkt stimulieren können. Betont wird allerdings, dass über die Mechanismen noch wenig bekannt sei. Ebenso wie ADS ist auch PEP noch so groß und schwer, dass die Waffe nur auf einem Fahrzeug angebracht werden kann.