Meediaah..

..wie ein indischer Elefant vor einer Maus davonläuft

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In Indien gibt es fast so viele Zeitungen wie Götter, nämlich 55.780. Eine schöne Zahl, die das Superlativ-Postulat von der "größten Demokratie der Welt" wirkungsvoll untermauert. Seit einiger Zeit aber geraten mehr und mehr Zeitungen unter die Kontrolle von großen Mega-Media-Corporations, die sich dank gegenseitiger Unterstützung zu Elefanten mit göttergleicher Macht auswachsen. Zu spüren bekommen hat diese Macht nun einer der wenigen indischen Medienkritiker.

Es gebe zwar immens viele Fernsehkritiker in Indien, aber nur eine Handvoll Journalisten, die sich kritisch mit der Politik der indischen Zeitungen auseinandersetzen, heißt es in dem Bericht des amerikanischen Medienkritikers Mark Glaser, der den traurigen Fall von Pradyuman Maheshwari dokumentiert.

Maheshwari führte bis vor kurzem einen Blog mit dem zugkräftigen Namen Meediah!. Mit einer Leserschaft von 8.000 im Rücken machte sich Maheshwari vorzugsweise an die immer gleiche Arbeit, dem Zeitungsriesen "Times of India" genau auf die Finger zu sehen: bissige Kommentare über die Verquickung von Meinung und PR, den sogenannten "edvertorials", gnadenloses Aufspüren schlechter Recherche und Weitererzählen von zugetragenen Interna.

Der "König" unter den englischsprachigen Zeitungen in Indien, landesweite Leserschaft laut Wikipedia etwa 7,4 Millionen, reagierte wenig milde mit der Drohung vor Gericht zu gehen. Vor einer Woche erhielt Maheshwari ein siebenseitiges Schreiben, in dem er dazu aufgefordert wird, 19 Blogeinträge, die sich auf die Times beziehen, aus dem Netz zu nehmen, andernfalls würde man ihn wegen Verleumdung verklagen. Der 39-Jährige entschied sich aus Angst um seine Zukunft, den Blog ganz zu schließen: "Mediaah! is dead".

Doch während sich der Journalist noch überlegt, einen neuen Blog zu starten, haben indische Bloggerkollegen den Fehdehandschuh aufgenommen. Die inkriminierten 19 Blogeinträge sind von einem anonymen Blogger wieder online gestellt worden, eine Online-Petition wurde gestartet. Und Rohit Gupta, ein Journalist mit Erfahrungen, wie man via Blogs Hilfe organisieren kann - er beteiligte sich an Tsunamihelp - spricht gar davon, dass die indische Blogosphäre mit dem Fall Maheshwari in die Geschichtsbücher des Landes kommen könnte - unter dem Titel: "Die große indische Blog-Meuterei".

Man fühlt sich von den Erfolgserlebnissen der amerikanischen Blogger im Kampf gegen Medienriesen (vgl. dazu Sind Blogger Journalisten?) inspiriert und will nicht als weniger kämpferisch dastehen:

Wenn sie denken, dass die Blogosphäre sich so etwas gefallen läßt, ohne Stunk zu machen, dann unterschätzen sie die Macht des Kollektivs gewaltig. Wenn sie anderseits glauben, dass ein Blog mit einer kleinen Anzahl von Abonnenten ernsthaft eine Organisation mit der Größe der Times und ihrer Gruppe bedrohen kann, dann ist das fast schon komisch. Sie ähneln sehr dem Elefanten, der vor einer Maus davon läuft.

Peter Griffin, Chiens Sans Frontières

Doch es gibt Unterschiede zum Rathergate der amerikanischen Blogger (vgl. Heißer Zorn) dämpft die indische Medienkritikerin Sevanti Ninan allzu hochfahrende Hoffnungen der Blogosphäre. Die Sache sei kein Thema, dass sich national ausweiten ließe; "Mediaah" habe sich mit seiner Kritik zu sehr auf "Gossip" verlassen und seine Schüsse nur gegen die Times abgefeuert. Das sei mit dem Rathergatephänomen nicht vergleichbar.