Das Licht ferner Welten

NASA-Astronomen fingen erstmals das Licht von zwei Planeten außerhalb unseres Sonnensystems ein. Neues Zeitalter in der Erforschung extrasolarer Planeten hat begonnen.

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Wie US-Forscher in der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ (24.03.2005, Ausgabe 434, Nr. 7032, S. 1-3) berichten, ist ihnen ein astronomischer Durchbruch gelungen. Mithilfe des NASA-Weltraumobservatoriums Spitzer konnten sie erstmals einen direkten Blick auf einen extrasolaren Planeten werfen, indem sie das eingehende Infrarotlicht des Muttersterns und seines Trabanten systematisch analysierten. Bei der fernen Welt handelt es sich um den jupiterähnlichen Gasriesen HD 209458b, der 1999 mit der Transitmethode entdeckt wurde. Wie bedeutsam diese Nachricht ist, zeigte sich am Dienstag bei einer NASA-Pressekonferenz, als Drake Deming und sein Team die sensationelle Neuigkeit noch vor dem Ablauf des Nature-Embargos bekannt gaben. Auf der Pressekonferenz stellte auch ein weiteres Planetenjäger-Team seinen „Fund“ vor. Es spürte mit demselben Teleskop und derselben Technik via Infrarot direkt eine bereits zuvor indirekt lokalisierte ferne Welt auf. Über diese Studie berichtet das Fachblatt "The Astrophysical Journal" am 20. Juni dieses Jahres.

Über die Nachricht staunten seinerzeit selbst Eingeweihte nicht schlecht. Als im Oktober und November 2003 ein internationales Forscherteam mit dem NASA-ESA-Weltraumteleskop Hubble in der Atmosphäre des Exoplaneten HD 209458b erstmalig Sauerstoff und Kohlenstoff nachwies, war die Sensation perfekt. Erstmals lokalisierten Menschen bei einer fernen Welt jene Art von Ingredienzien, die zumindest für die Heranbildung von terrestrischem Leben im wahrsten Sinne des Wortes "elementar" sind.

HD 209458b: klassischer „hot jupiter“

Gleichwohl kristallisierte sich während dieser Beobachtungssequenz schnell heraus, dass HD 209458b ein so genannter hot jupiter und somit höchst lebensfeindlich ist. Seit seiner Erstentdeckung gilt der im Sternbild Pegasus eingebettete, nur 150 Lichtjahre von der Erde entfernte Exoplanet, der seinen gelblichen sonnenähnlichen Heimatstern mit einem Abstand von "nur" 6,9 Millionen Kilometern (mittlere Distanz Erde-Sonne: ca. 150 Millionen Kilometer) umrundet, als klassischer Gasriese. Besagter Stern siebter Größenklasse erlangte 1999 astronomische Berühmtheit, als HD 209458b vor ihm vorbeizog und ihn teilweise verdeckte. Damals konnte unter Anwendung des Transit-Verfahrens erstmals die Entdeckung eines vorbeiziehenden extrasolaren Planeten bestätigt werden.

Im sichtbaren Licht wird ein Planet dieser Art von seinem Stern fast verdeckt (links), während er im Infrarotbereicht im Verhältnis zum Stern deutlicher zu sehen ist (rechts). (Bild: NASA)

Ausgestattet mit stattlichen 70 Prozent der Jupitermasse, bringt es der Riesenplanet immerhin auf das 1,3-fache des Jupiter-Durchmessers. Seinen Heimatstern begleitet der Himmelskörper mit enormen Tempo: Binnen 3,528 Erdtagen flitzt er einmal um denselbigen. Angesichts des aus den Daten extrapolierten mittleren Wertes der Oberflächentemperatur (damaliger Wert: 1.000 Grad Celsius) schied HD 209458b, damals auch Osiris genannt, für Leben auf Kohlenstoffbasis aus. Unter solchen Bedingungen kann sich biologisches Leben, so wie wir es kennen und restriktiv definieren, nicht entfalten.

152 Exoplaneten in 134 Sonnensystemen

Bis auf den heutigen Tag haben die emsigen Planetendetektive mit ihren erdgebundenen und orbitalen Lupen sage und schreibe 152 Exoplaneten ausfindig gemacht, die in 134 Sonnensystemen beheimatet sind. 152 extrasolare Planeten, die inzwischen bestätigt und katalogisiert sind. Und Dutzende andere lokalisierte Kandidaten warten nur noch darauf, als Sterntrabanten überführt zu werden.

Größtenteils spürten die Planetenjäger seit 1995 die fernen Welten mittels der altbewährten und effektiven „Wobble“-Technik“ (Radialgeschwindigkeitsmethode) auf, welche die Gravitationskraft der Planeten und das daraus resultierende taumelartige Wackeln des Zentralsterns metergenau misst. Umkreist ein Planet einen Stern, bewegen sich beide, den Gesetzen der Gravitation folgend, um den gemeinsamen Schwerpunkt. Dieser rhythmische Tanz lässt sich anhand der stellaren Geschwindigkeitsänderungen feststellen. Driftet die ferne Exosonne minimal auf die Erde zu, dann erscheint ihr Licht zum blauen Ende des optischen Spektrums verschoben, im umgekehrten Fall zum roten Ende. Eben dieses periodische stellare Wackeln deutet stark auf die Anwesenheit eines Planeten hin, der den anvisierten Stern umkreist. Da die Beobachtungsinstrumente und die Mess- und Observationsmethoden immer präziser und feinfühliger werden, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste erdähnliche Planet im Fangnetz der Planetenjäger zappelt.

Dieser Trend spiegelt sich am deutlichsten in der so genannten Transit-Technik wider, deren Grundprinzip ebenso einfach wie genial ist. Denn bei dieser Methode werden die Helligkeitsschwankungen eines Sternes gemessen, die hervorgerufen werden, wenn ein Planet vor ihm vorbeizieht. Steht der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne, wird das Licht, das der Heimatstern aussendet, geringfügig abgeschwächt, ist aber immer noch stark genug, um den unsichtbaren Planeten indirekt sichtbar zu machen.

Mit Infrarot-Trick zum Durchbruch

Jetzt hat sich eine neue, viel direktere und aussichtsreichere Observationsmethode hinzugesellt. Und an diesem Erfolg hatte HD 209458b abermals seinen Anteil. Wie ein internationales Forscherteam in der heutigen Nature-Ausgabe (24.03.2005, Ausgabe 434, Nr. 7032, S. 1-3) wissenschaftlich detailliert berichtet, gelang ihnen ein Durchbruch in der Exoplaneten-Forschung. Einen derart bedeutsamen Durchbruch, der sie noch vor dem Ablauf des „Nature“-Embargos (vor der offiziellen Freigabe durch Nature dürften weder Autoren noch Journalisten über die betreffende Studie publizieren etc.) dazu veranlasste, den Erfolg auf einer am Dienstag im NASA-Hauptquartier in Washington, D.C. abgehaltenen Pressekonferenz öffentlichkeitswirksam vorzutragen.

Das NASA Weltraumteleskop Spitzer wurde am 25. August 2003 gestartet und gehört neben dem Hubble-Weltraumteleskop, dem Röntgenteleskop Chandra und dem Compton-Gammastrahlenobservatorium zu den vier "Great Observatories" der NASA. (Bild: NASA)

Fast zehn Jahre nach der Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten einer noch nicht erloschenen Sonne konnten Drake Deming und sein Team vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt im US-Bundesstaat Maryland mit dem NASA-Weltraumteleskop Spitzer erstmals das Licht eines fernen Exoplaneten einfangen und dessen Temperatur genau bestimmen.

Wie alle bislang aufgespürten Gasriesen emittiert auch HD 209458b aufgrund seiner geringen Distanz zum Mutterstern reichlich Infrarotstrahlung. Daher registrierte das orbitale Teleskop bei der im Dezember 2004 durchgeführten Musterung nicht nur das einkommende Infrarotlicht des observierten Sterns HD 209458, sondern auch das seines Begleiters problemlos. Um das Infrarotglühen des Exoplaneten von dem Licht des Sterns abzugrenzen, nahmen die NASA-Forscher die gesamte Infrarotabstrahlung des Sterns und seines Planeten auf. Als HD 209458b bei seiner Passage hinter seinem Heimatstern verschwand, registrierten die Planetenjäger logischerweise nur die Infrarotstrahlung des Sterns. Ergo fiel der bis dahin ermittelte Gesamtwert des eingehenden stellaren Infrarotlichtes etwas ab. Und genau aus dieser Differenz konnten die Astronomen den Anteil des planetaren Infrarotlichts berechnen.

Nur etwa 400-mal so stark wie sein Begleiter

Anhand der Spitzer-Beobachtungen konnten die Forscher auf einer Wellenlänge von 24 Mikrometern sogar erstmals die Oberflächentemperatur eines Exoplaneten ermitteln: Im Falle von HD 209458b beläuft sie sich auf mehr als 850 Grad Celsius. Aufgrund der Observationen könne auf jeden Fall die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass die Anwesenheit von Planeten in Übergröße („monster size“) in solchen Systemen nur das Resultat von Gezeitenkräften sind, die von einem zweiten, nicht sichtbaren Planeten verursacht werden, berichten die Forscher im „Nature“. Von weiteren Beobachtungen mit dem Infrarot-Teleskop erhoffe man sich nunmehr genauere Daten über die Winde auf den Planeten und die Zusammensetzung der Atmosphäre. „Spitzer ist für uns ein mächtiges neues Werkzeug, mit dem wir mehr über die Temperaturen, Atmosphären und Umlaufbahnen von Planeten erfahren, die Hunderte von Lichtjahren von der Erde entfernt sind", wünscht sich der Leiter des Forschungsprojektes Dr. Drake Deming.

Dass dieses neue Beobachtungsverfahren eine neue Ära der Planetenwissenschaft einläutet und die Astronomen die Anwendung von Infrarotstrahlung für sehr zukunftsträchtig halten, hängt damit zusammen, dass im infraroten Bereich des Spektrums der anvisierte Stern nur etwa 400-mal so stark wie sein Begleiter emittiert. Im optischen Bereich hingegen sieht dies gänzlich anders aus. Hier gleicht die Jagd nach extrasolaren Planeten eher einer Suche nach der Nadel in einem Heuhaufen, der selbst nur aus Nadeln besteht, weil das von dem Zentralgestirn ausgestrahlte Licht so ziemlich jedes Photon überstrahlt, das der Exoplanet zu reflektieren vermag. Schließlich ist ein Stern in der Regel rund zehntausendmal so hell wie sein Begleiter, weil dieser das Licht nur reflektiert, wohingegen er Infrarot-, also Wärmestrahlung selbst abstrahlt. "Im sichtbaren Bereich des Lichtes überstrahlt der Stern den Planeten vollkommen", erklärt Dr. David Charbonneau vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts), "aber im Infraroten ist der Kontrast deutlich besser, da der Planet sein eigenes Infrarotlicht ausstrahlt.“

Zweites Team hatte ebenfalls Grund zur Freude

Charbonneau, der in einer zweiten Studie einen anderen Planeten auf die gleiche Weise unter die Lupe nahm, hat desgleichen Grund zur Freude. Zusammen mit seinen Kollegen blickten sie ebenfalls mit dem Spitzer-Fernrohr ins All: allerdings direkt in das Antlitz des seit August 2004 bekannten Planeten TrES-1.

TrES-1 reflektiert 31 Prozent des auf ihn fallenden Sternenlichts und weist an seiner Oberfläche eine Temperatur von mindestens 750 Grad Celsius auf. Seine Sonne umrundet der Riesenplanet (61 Prozent der Jupitermasse) in einem Abstand von sechs bis sieben Millionen Kilometern. "Es ist fantastisch. Wir sind seit zehn Jahren, seit der ersten Entdeckung eines extrasolaren Planeten, auf der Jagd nach diesem Licht“, sagte der Forscher anlässlich der „Infrarot-Funde“ auf der eigens einberufenen NASA-Pressekonferenz in Washington, D. C. Über das Ergebnis seiner Studie berichtet die Zeitschrift The Astrophysical Journal" erst am 20. Juni dieses Jahres.

So stellt sich ein Künstler den Exoplaneten TrES-1 vor, der seine Sonne in einer Entfernung von nur sechs bis sieben Millionen Kilometern begleitet. (Bild: David A. Aguilar/CfA)

Wie dem auch sei - die direkte Messung des Lichts ferner Planeten werten die Forscher jedenfalls mit Blick nach erdähnlichen Himmelskörpern allesamt als entscheidenden Schritt nach vorn, da auf diese Weise endlich das genaue Lichtspektrum und damit die Zusammensetzung einer Atmosphäre bestimmt werden kann. Auf die besondere Bedeutung beider Beobachtungen weist der bekannteste US-Planetenjäger hin: Geoffrey W. Marcy von der University of California/Berkeley, der schon etliche ferne Welten dingfest machte. Gegenüber der New York Times charakterisiert Marcy die aktuellen Resultate als „Stoff“ für spätere „Geschichtsbücher“ und fügte hinzu (O-Ton): "With this result, we are closer to understanding our own human roots, chemically, among the stars."

Was der Fund für die weitere Suche nach erdähnlichen Planeten bedeutet, präzisierte der Planetenforscher Alan Boss vom Carnegie Institution of Washington auf der Pressekonferenz lapidar, aber höchst zutreffend: „Es ist ein extrem wichtiger Meilenstein. Dies sind die ersten Schritte auf dem Weg, um erdähnliche Planeten zu identifizieren“.

Eine kurze Video-Simulation hierzu ist auf der Website des NASA-Spitzer-Teleskops zu sehen.