Aus der sicheren Ferne Verletzte auf dem Schlachtfeld operieren

Die Darpa will einen Roboter für die Telechirurgie entwickeln lassen, während man gleichzeitig immer mehr auf fernsteuerbare Aufklärungs- und Kampfsysteme setzt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Was man sich anderen Sektoren kaum jemals leisten kann, ist in Rüstungsprojekten fast schon die Regeln, bei denen Steuergelder in großem Umfang für die Forschung und Entwicklung von Techniken investiert werden, ohne genauer nachzurechnen oder die Umsetzbarkeit realistisch zu beurteilen. Wenn heute die utopischen Fantasien aus der Technik genährt werden, dann trifft dies auch in besonderem Maße für die Rüstungstechnologien zu, die allerdings nur die Macht durch wachsendes Zerstörungspotenzial und zunehmende Sicherheit der kämpfenden Truppen sichern sollen. Manchmal fallen jedoch auch Anwendungen ab, die umstandslos auch im zivilen Bereich nützlich sein könnten.

Ein solcher Fall ist die Medizin. Hier wurde von der Darpa in den 80er Jahren unter der Leitung von Richard M. Satava, eines der ersten Teleoperationssysteme mit fernsteuerbaren Manipulatoren, Stereokameras und Kräfterückkopplung entwickelt. Das Da Vinci Surgical System war nicht nur zu groß und schwer, sondern auch zu wenig tele, um wirklich an der Front eingesetzt zu werden. Daher konnte es schnell in den zivilen Bereich überwechseln und wurde im Jahr 2000 von der Food and Drug Administration zugelassen. Inzwischen gibt es solche Teleoperationssysteme, die allerdings wegen des hohen Datendurchsatzes nicht wirklich eine Operation aus der Ferne erlauben, sondern eine Kabelverbindung erfordern, in einigen Hundert Krankenhäusern.

Als Prototypen sind bereits einige andere telechirurgischen Systeme entwickelt worden. Das Pentagon will aber nun weiter gehen. Darpa investiert 12 Millionen US-Dollar in ein Entwicklungsprojekt des Rüstungsunternehmens SRI International, das auch das vorher genannte System gebaut hat, um einen Roboter in einem unbemannten Fahrzeug herzustellen, der unter Kampfbedingungen verletzte Soldaten vor Ort operieren kann.

Der "trauma pod" könne allerdings, so John Bashkin von SRI International immer noch sehr optimistisch, frühestens in 10 Jahren auch wirklich bei Kämpfen eingesetzt werden. Allerdings müssen einige sehr schwierig zu realisierende Dinge bewerkstelligt werden. Damit Chirurgen den Roboter in Echtzeit, also ohne jede Verzögerung, steuern können, muss eine schnelle und breitbandige Funkverbindung vorhanden sein, die aber wiederum vom Feind nicht entdeckt und gestört werden sollte. Zudem müsste der Roboter samt Fahrzeug auch einem feindlichen Beschuss bis zu bestimmten Grenzen standhalten können.

Für die erste Phase ist man aber noch bescheidener und verlangt lediglich, dass mit dem ferngesteuerten Roboter zwei Adern eines Schweins verbunden werden können. Um das zu erreichen, soll das Da Vinci-System weiter entwickelt werden, so dass ein Chirurg alleine es bedienen kann. Jetzt müssen beispielsweise noch andere Menschen behilflich sein, wenn für den Roboterarm ein anderes Instrument erforderlich ist. Allerdings geht man davon aus, dass die Verbindung zwischen dem Roboter und dem Bediensystem innerhalb von zwei Jahren wegen des hohen Datendurchsatzes noch nicht über Funk verwirklicht werden kann.

Einem schwer verletzten Soldaten mag es vielleicht egal sein, wenn ein ferngesteuerter Roboter kommt und an ihm herumoperiert, doch die Vorstellung ist, wenn auch wahrscheinlich aus irrationalen Gründen, nicht gerade vertrauenserweckend. Richard M. Satava, der auch an diesem Projekt beteiligt ist, verfolgt überdies den Plan, einen virtuellen Soldaten zu realisieren, d.h. den Körper aller Soldaten in allen seinen Einzelheiten zu digitalisieren und als Holomer auf einem Chip zu speichern, so dass Ärzte vor Ort oder über Telepräsenz schnell im Ernstfall über den Patienten informiert sind und auch chirurgisch eingreifen können. Und irgendwie soll diese gespeicherte Information auch noch stets aktualisiert werden.

The holographic medical electronic representation or holomer incorporates all levels of properties (genetic, molecular, biochemical, cellular, physiologic, organ, tissue and whole body) and provides inter-operable cross-linkages from level to level and system to system.

Hätte man tatsächlich eine ganze Armee von lebensgetreuen virtuellen Soldaten in allen Dimensionen von den Genen und Molekülen bis zum ganzen Körper, dann hätte man auch ein gutes Material zur Durchführung von medizinischen Experimenten. Das meint jedenfalls Satava, der damit wirbt, dass man dann beispielsweise auch neue Medikamente schnell, massenweise und ungefährlich testen könnte.

Wenn die Aufrüstung für den Hightech-Krieg aber in der von den Strategen erwünschten Tendenz weiter geht, immer stärker auf unbemannte und fernsteuerbare Systeme oder auch auf autonome Roboter zu setzen und den verwundbaren menschlichen Soldaten, die Meatware, aus dem Schlachtfeld möglichst verschwinden zu lassen, dann sollten wohl eher fernsteuerbare oder autonome Roboter entwickelt werden, die die teure Hightech-Hardware wieder schnell instandsetzt und kampfbereit macht.