Drei Viertel liegen im Dunkeln

Technische Hemmnisse bei der Entwicklung organischer LEDs

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Wie sieht der Bildschirm der Zukunft aus? Dicke röntgenstrahlende Röhren aus Bleiglas sind von gestern und auch das stromfressende und einbrennende Plasmadisplay ist schon wieder auf dem absteigenden Ast. Flüssigkristallanzeigen (LCDs) mit Hintergrundbeleuchtung aus Kaltkathodenröhren sind der Stand der Technik, mit weißen Leuchtdioden (LEDs) statt der Kaltkathodenröhren sollen sie noch besser werden. Selbstleuchtende LEDs in rot grün und blau sind dagegen in konventioneller Technik zu teuer, als billige organische Leuchtelelemente (OLEDs) sollen sie dagegen die LCDs ablösen. Doch bislang klappt es nicht – die Plastikleuchten verglimmen viel zu schnell…

Extrem flach, biegsam, selbstleuchtend, farbecht und kontrastreich – das sind die Versprechungen der OLEDs. Erste Displays sind bereits auf dem Markt, wobei sie meist kleine Moleküle in ihrer Farbschicht enthalten (Small Molecule OLED - SMOLED). Andere Displays nutzen Polymere, also langkettige Kohlenstoffverbindungen (Polymer-OLED - PLED). Es wurde bislang als potentieller Vorteil der PLEDs vermutet, dass in der bei diesen für das Leuchten verantwortlichen Kunststoffschicht die Umwandlung eines Anregungszustandes auftreten kann, welcher höhere Wirkungsgrade ermöglicht.

Ein Team um Dr. John Lupton vom Department für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München machte diese Hoffnung nun allerdings zunichte. "Unsere Aussage klingt damit auf den ersten Blick nicht unbedingt positiv", meint Lupton in der aktuellen Ausgabe von Nature Materials. "Das Ergebnis hat aber ganz erhebliche Relevanz, besonders für Firmen, die Produktionslinien aufbauen wollen."

Selbstleuchtende OLEDs statt LCD mit Hintergrundbeleuchtung

Die Technologie der organischen Leuchtdioden beruht auf dem Prinzip der Elektrolumineszenz. Die Bauelemente sind aus mehreren, extrem dünnen Schichten aufgebaut. Eine davon, die Kathode, injiziert Elektronen. Eine andere, die Anode, entfernt Elektronen, so dass Löcher oder "leere Zustände" entstehen, in die Elektronen fallen können. Elektronen und Löcher können sich frei bewegen und treffen zwischen Kathode und Anode zusammen. Dort befindet sich eine dünne Schicht aus organischem Farbstoff. Elektronen und Löcher kombinieren, wenn sie aufeinander treffen, und bilden ein so genanntes Exziton. Dabei wird in der Farbstoffschicht Energie in Form eines Photons frei: Licht wird emittiert.

Bei diesem Vorgang ist es wichtig, das Exziton in einen geeigneten Anregungszustand zu versetzen. Dieser Zustand wird durch die quantenmechanische Größe des Elektronspins - quasi der Rotationsrichtung des Elektrons - vorgegeben. "Wenn ein Elektron und ein Loch in der Farbstoffschicht zusammentreffen, gibt es vier mögliche Spinkombinationen", so Lupton. "Eine davon bildet ein so genanntes Singulett, die drei anderen Tripletts. Singulett- und Triplett-Zustände entstehen also im Verhältnis 1:3."

Sichtbares Licht emittieren kann aber nur das Singulett, also eines von vier Exzitonen. Tripletts dagegen geben die Energie nur nutzlos in Form von Wärme ab. Ein erheblicher Teil der elektrischen Energie geht damit in den dunklen Triplettkanälen verloren. Der elektrische Wirkungsgrad der LED ist so auf maximal 25 Prozent limitiert, also nur 25 Prozent der aufgewendeten elektrischen Energie lässt sich auch bei maximaler Optimierung zur Lichterzeugung nutzen und stellt so die theoretische Höchstgrenze dar. Praktisch wird der Wirkungsgrad noch weit tiefer liegen.

Problem: Tripletts leuchten nicht

"Wir sind der Frage nachgegangen, ob es - wie von vielen vermutet - in Polymeren eine Spinumwandlung von dunklen Tripletts zu strahlenden Singuletts gibt", berichtet Lupton. Und die enttäuschende Antwort ist nein.

Das Triplett ist ein dunkler Zustand, der bislang nur sehr indirekt verfolgt werden konnte. Lupton und sein Team konnten nun erstmals nachweisen, dass in den Polymeren prinzipiell keine Umwandlung von Tripletts zu Singuletts stattfindet. Sie entwickelten eine spezielle Methode, die Tripletts in dem Polymer direkt sichtbar zu machen. Dabei ermöglichen kleinste metallische Verunreinigungen im Polymer eine direkte Emission des Tripletts - der dunkle Zustand wird hell.

Seit Jahren gibt es die Diskussion, ob langkettige Polymere besser für organische Leuchtdioden geeignet sind, weil der Anteil der elektrisch gebildeten Triplettanregungen geringer sein könnte als bei kleinen Molekülen. Die Hoffnung, dass Tripletts zu Singuletts übergehen, haben wir jetzt aber eindeutig entkräftet. Das Verhältnis Singulett zu Triplett kann nicht über 1:3 liegen.

Dr. John Lupton

Die irrtümlicherweise vermutete Spinkonversion der Tripletts galt bislang als ein großer Vorteil der PLEDs gegenüber den SMOLEDs, die erheblich aufwendiger unter Vakuum herzustellen sind. PLEDs dagegen können relativ einfach, beispielsweise mit einer Art Tintenstrahldrucker, hergestellt werden. "Seit kurzem existieren allerdings Ansätze, auch SMOLEDs entsprechend zu produzieren", berichtet Lupton. "Damit schrumpft der Vorsprung der PLEDs." Auf der technischen Seite hinken die Polymere den kleinen Molekülen in manchen Aspekten sogar ein paar Jahre hinterher, vor allem in Hinsicht auf die Effizienz - und auch bei der Lösung des Triplettproblems.

SMOLEDs haben die Nase vorn

Bei SMOLEDs wurden bereits erfolgreich molekulare Komplexe in die Farbstoffschicht eingebracht. Deren besondere chemische Eigenschaften ermöglichen, dass die Tripletts direkt unter Aussendung von Licht zerfallen. "Bei diesen so genannten phosphoreszierenden Emittern lassen sich Quantenausbeuten von nahezu 100 Prozent erreichen", so Lupton. Das Verfahren ist bei Polymeren zwar prinzipiell auch möglich, aber nicht entwickelt, weil man es hier ja als überflüssig betrachtete.

Das Problem ist, dass in dem Gebiet oft etwas dogmatisch argumentiert wird. Schließlich stecken Milliarden von Euro hinter der SMOLED- und der PLED-Technologie sowie Millionenbeträge in entsprechenden Forschungsgeldern. Wir argumentieren nun, dass man sich in Zukunft auf die Lösung des Triplettproblems bei den Polymeren konzentrieren muss, anstatt es einfach zu ignorieren.

Dr. John Lupton

Die neuen Ergebnisse zerschlagen damit weniger ein Forschungsfeld, als dass sie ein neues anstoßen: die Einbringung phosphoreszierender Emitter in die Polymere. Aber auch für andere Gebiete sind die Resultate von Interesse. "Wir haben uns erstmals die Umwandlung zwischen Spinzuständen in einem organischen Halbleiter angeschaut", meint Lupton. "Dabei ist überraschend, dass der Spin über einen sehr langen Zeitbereich, bis zu Millisekunden bei Raumtemperatur, erhalten bleibt. Solche langen Spinspeicherzeiten sind auch für die Spintronik von Interesse, die den Spin der Ladungen ausnutzt, nicht aber die elektrische Ladung selbst."