Gottes Werk und Teufels Beitrag

Google will sich als zentrale Anlaufstelle für alle nur denkbaren Suchanfragen positionieren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Google ist zum Synonym für die Internetsuche geworden. Was immer man im Netz zu entdecken hofft – Google weiß, wo es zu finden ist. So will es das Image. Vergleichbar erfolgreich betreibt Google sein Marketing, dessen vorderste Aufgaben darin besteht, eben dieses Image zu verbreiten. Beinahe im Tagesrhythmus tickern Meldungen mit Ankündigungen aus dem "Googleversum" durch den Äther – und werden kontrovers diskutiert. Mal schlägt der Börsengang des Unternehmens und seine eigenwillige Durchsetzung hohe Wellen, mal zieht Google den gesammelten Unmut der Surfer wegen mangelnder Privacy beim demnächst offiziell startenden E-Mail-Dienst "Gmail" auf sich. In letzter Zeit machte der Such-Monopolist mit einer stetig wachsenden Anzahl von Features auf sich aufmerksam, die die Internetsuche vereinfachen wollen, bisher aber größtenteils nur in den USA zur Verfügung stehen.

"Our mission is to organize the world's information and make it universally accessible and useful", heißt es ganz unbescheiden im company statement des Unternehmens. Darin klingt nicht weniger als der Anspruch auf ein absolutes Informationsmonopol an, das die beiden Gründer Sergey Brin und Larry Page mit ihrem Unternehmen errichten wollen.

Weil sich mit Hilfe der vielen Google-Tools alles ausfindig machen lässt, was es nur gibt, sind in ihren Augen das Internet und Google identisch: Google IST das Netz und vielleicht auch Gott. Um diesen Anspruch aufrecht zu erhalten, setzen die findigen Tüftler im Silicon Valley und in der europäischen Entwicklungszentrale in Zürich ihren ganzen Ehrgeiz daran, unablässig neue Applikationen zu entwickeln, um die Suche im Netz komfortabler und vor allem treffsicherer zu machen. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Bisweilen gewinnt man gar den Eindruck, dass dem Surfer damit erst nahe gelegt wird, wonach er eigentlich suchen könnte.

Bildsuche, Newsgroups, der automatisierte Nachrichtendienst Google News und ein Schlagwortkatalog gibt es seit längerer Zeit auch bei uns. Im November hinzugekommen ist Froogle, eine Suchmaschine für Produktinformationen (Motto: "Clever shoppen mit Google"). Ein Drittel aller Suchanfragen im Web hat angeblich einen kommerziellen Hintergrund. Die Leute stellen Preisvergleiche an oder surfen mit gezückter Kreditkarte in die Webshops. Google will solche Suchanfragen zentralisieren und an sich binden. Momentan jedoch lassen einen die mit "Froogle" erzielten Ergebnisse keineswegs mit dem Gefühl zurück, es nicht besser noch anderswo zu versuchen.

Seit März ist auch Googles Desktop-Suche auf Deutsch verfügbar, mit der sich auf dem eigenen Computer neben Dokumenten, Chats, Bildern und Musikdateien etwa auch E-Mails, Notizen und Aufgaben, sofern sie mit Outlook und Konsorten erstellt wurden, durchforsten lassen (Hat Google das perfekte Spionagetool?).

Amerika, du hast es besser?

Im Vergleich zu den spärlichen Applikationen hier zu Lande nimmt sich das Angebot an subtilen Suchfunktionen in Googles Heimatland, den USA, nachgerade überwältigend aus. Längst haben dort die lokale und die mobile Suche Einzug gehalten, demnächst sogar in Kombination: Dann lassen sich auf dem Handy oder PDA bestimmte Geschäfte oder Restaurants ausfindig machen und auf einer Karte des Dienstes "Google Maps" anzeigen. Tippt man etwa "Pizza" und eine Postleitzahl ein, tauchen die nächstgelegenen Pizzerien auf der Karte auf. Gegenwärtig befindet sich eine ebenfalls auf "Google Local" basierende Taxi-Suchmaschine in einigen US-Großstädten im Testlauf.

Auch in Sachen Personalisierung hat Google sich einiges einfallen lassen und sogar ein Labor eingerichtet, wo die zukunftsträchtigen Innovationen entwickelt und erprobt werden. Beispielsweise lassen sich Suchresultate begrenzen, indem der Surfer mit "Google Personalized" ein individuelles Interessensprofil anlegt. Auf der anderen Seite werden mit Hilfe der gleichen Kategorien Webseitenbetreiber angehalten, unter "Site-Flavored Google Search" eine möglichst genaue Beschreibung ihrer Webseiteninhalte zu liefern. Stimmen Interessenprofil und Seitenbeschreibung überein: Bingo! Interessant wäre nun zu erfahren, ob es Leute gibt, die sich solche Scheuklappen maßschneidern.

Im Dienste der Kundenbindung steht auch Google Alert, das den Suchenden per E-Mail über Veränderungen auf einer Nachrichtenseite oder auf der Homepage eines Konkurrenten auf dem Laufenden hält. Und mit Google Video, das in erster Linie amerikanische Fernsehprogramme durchforstet und Wunschsendungen auflistet, inzwischen sich aber auch für Video-Blogs zuständig fühlt, liegt auf der Hand, wohin die Reise gehen soll: Google will sich als zentrale Anlaufstelle für alle nur denkbaren Suchanfragen positionieren – eine Art zeitgenössischer Orakel, wie "Dr. Know" aus dem Spielberg-Film "Artificial Intelligence", das alle Antworten auf alle nur möglichen Fragen parat hält: eben Gott! Bleibt nur zu klären, wie man dies bei der Vielzahl von Spezialdatenbanken mit eigenen Eingabefeldern dem Nutzer schmackhaft machen will.

Einige der Anwendungen, wie die ortbezogene Suche "Google Local" sollen noch dieses Jahr nach Deutschland kommen. "2005 ist das Jahr der Internationalisierung von Google", verrät Sprecher Stefan Keuchel. Welche Gimmicks wann starten, darüber schweigt der Konzern sich allerdings vornehm aus. "Die Firmenpolitik ist, dass neue Produkte nicht vorangekündigt werden. Erst am Starttag gehen Meldungen raus." Wozu die Geheimniskrämerei eigentlich dient, wird nicht verraten. Vermutlich hält man sich auf diese Weise nachhaltig im Gespräch.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnt

Eine langfristige Informationspolitik würde hingegen bedeuten, dass die Berichterstatter genügend Zeit hätten, sich über Umfang und Konsequenzen des Suchmonopols von Google einmal Gedanken zu machen. Nachdem bereits vor Jahren der "undemokratische Algorithmus" von Googles Page-Ranking angekreidet wurde, zeigen sich inzwischen auch die deutschen Grünen über das Informationsmonopol besorgt. Dem Datenschutz bereitet das Unternehmen seit langem Bauchschmerzen, die sich angesichts der neuen Lokalisierungs-Features wohl zu einem veritablen Magengeschwür ausweiten dürften.

Google macht sich einen Jux daraus, wenn in einer "Zeitgeist"-Rubrik – Untertitel: "Suchmuster, Suchtrends und Überraschungen bei Google" – eine Hitliste der monatlich meistverlangten Anfragen auftaucht (im Februar auf Platz 6 der deutschen Top-Ten – welch Überraschung - : "Arbeitsamt".) Doch wären mit den Datenbeständen selbstverständlich weitaus differenzierte "Zeitgeist-Profile" zu erstellen, woran Marktforscher wie Sozialwissenschaftler ihre helle Freude hätten. Ausmalen ließen sich hingegen, besonders angesichts der Lokalisierungs- und Personalisierungsfunktionen, auch ganz andere Szenarien, die wiederum Polizei und Geheimdienste sicherlich brennend interessieren würden. Das "polizeiliche Google", das Bayerns Innenminister Beckstein für die Verbrechensbekämpfung unlängst angekündigt hat, lässt bereits bestens auf die Begehrlichkeiten rückschließen.