Die neue sexuelle Langeweile im Kino

Warum mit Michael Winterbottoms "Nine Songs" noch nicht die Zukunft des erotischen Kinos beginnt

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Ist über expliziten Sex im Kino alles gesagt worden? Michael Winterbottoms "Nine Songs" facht die ewige Kontroverse wieder an. Etwas heftiger im angelsächsischen Raum, gelassen bei der deutschen Kritik. In seinem Film "Nine Songs" gibt es neun Konzertausschnitte mit bekannten Bands und neun Beischlaf-Szenen mit "grafischer Deutlichkeit".

Man wundert sich vor allem, dass die Zensur das ungestraft durchgehen ließ. So weit sind wir, die Wunderer wollen beinahe bestraft werden, damit sie sich weiter wundern können. Fragt sich nur, worüber. Denn das, was geboten wird, ist zwar explizit, aber irgendwie matt und zusammenhanglos, es hat nicht die sinnliche Kompaktheit, schmutzige Subversion oder politische Symbolkraft eines ordentlichen oder unordentlichen Skandals.

Wundern, Zensieren und Bebildern - aber wie?

Zwei Schauspieler, ein Mann im besten Alter und eine junge Frau, in den hautnahen Rollen eines flüchtigen Liebespärchens, probieren heterosexuellen Sex in allen Lagen miteinander aus. Erst im Stadium des scheinbaren Verliebtseins, dann als Gewohnheit und schließlich als sadomasochistisches und masturbatorisches Abschiedsritual, während die Leidenschaft sichtlich abebbt. Wenn dem so ist, geht es dann in der Kontroverse noch um die alte Klage vom "Sittenverfall" und "Niveauverlust" moderner Kunst einerseits und um aggressive Provokation eines sexuell realistischen Kinos und der entsprechend befreienden Literatur andererseits? Wohl kaum. Eine künstlerische Navigation in Wort oder Bild gegen die Flut scheinbar unzüchtiger, dabei meist nur noch medienindustriell penetrierter Körper muss sich schon ein komplizierteres Konzept ausdenken, um Erotik zu konstruieren.

Man hätte es wissen müssen. Michael Winterbottom (vgl. Gestrandet in der Apokalypse) ist kein Kind von Traurigkeit. Lieber hätte er die von Michel Houellebecq nun selbst betreute Verfilmung seines Romans "Plattform" übernommen, in der es um die globale Expansion von Tourismus und Sexkonsum, speziell in Fernost und um seine nicht mehr überraschende terroristische Zerschlagung geht. Michael Winterbottom ist ein produktiver Vielverfilmer, der unterschiedliche Themen, Genres und Stile mit Geschick adaptiert. Und so will man nicht so recht glauben, dass "Nine Songs" nur ein Notprojekt nach der Aufgabe des "Plattform"Projekts darstellt.

Aber wo ansetzen? Der Vergleich im eigenen Hause lohnt sich: Winterbottoms frühere ambitionierte Produktion "I want you" (1998) ist ein lyrisch-schlüpfriger Gefühls-Thriller. Er ist von einer bildsprachlichen Unmittelbarkeit, dialogischen Präsenz, Körpernähe und stimmungsschwankenden Songseligkeit durchzogen, die Witterbottoms Kino in seinen besseren Momenten für den Konsumenten so unwiderstehlich macht wie eine Packung Pralinees oder ein gut gedrehter Joint.

Der emotional-erotische Vergleichspunkt: "I want you"

In "I want you" gibt es grafisch expliziten Sex nur als verlockenden Eye-and-Ear-Catcher, als dramaturgisch klug vernetzten Augenblick. Der Regisseur liebt es, die Handlung des Films aus der psychologischen Reserve heraus, in knapp pointierten Andeutungen, wie in echten Alltagsgesten und Dialogen in die Nähe von physischen Kreuzungspunkten zu schleudern, in denen es in allen Medienspuren voll zur Sache geht. Das pornographische Element ist sozusagen nur ein Puzzlestück im zusammengeclippten Medienverbund. In "I want you" sorgt die Spannkraft und Widersprüchlichkeit zwischen Schnitt, Akustik und Songs für fruchtbare Verwirrung: Wer begehrt wen? Und wer hat die Macht der Performance, wer zieht wen an, während er oder sie sich für irgendwen auszieht? Wer sind Täter und Opfer, wer sind die Beobachteten, wer die Beobachter?

In "I want you" ist dieses Spiel besonders perfide, es gibt immer wieder neue verborgene Ketten und verschwiegene Nester (!) von Voyeuren, Spitzeln und Horchern, die ihre verdeckten Geschichten miteinander haben oder hatten und sie dringend herumdrehen, verbiegen und umwerten wollen. Dazu gibt erzmusikalische Wanzen, summende und singende Lauschapparate in mechanischer und menschlicher Gestalt, eine uneingestanden verliebte Sozialarbeiterin mit dem starren Blick auf Resozialisierung, eine nymphomanische Migrantin Smokey, die gelegentlich im Dorfclub auf dem Pier mit einer Band als Sängerin im Portishead-Stil auftritt, ein schlapper Lokalradio-Matador Bob (Ben Daniels), der allzugerne Intimitäten, selbst den Missbrauch anderer, verbroadcastet, schwatzhafte Damen im Provinz-Frisiersalon, in dem die mittlerweile aus ihrer dunklen Vergangenheit erwachsene Heldin Helen (Rachel Weisz) ihre Schnitte und Stylings wie eine rächende Königin setzt.

Der Film: die dreidimensional gewordene Welt der US-Starfotografin Nan Goldin ("I‚ll be your mirror"). Aber alle diese Personen sind auch Exhibitionisten, in dem Flecken, in dem sie leben, fast gezwungenermaßen. Sie bedienen die Medien, allen voran die serbo-kroatische Gelegenheitssängerin Smokey (Labina Mitevska), die ihren Auftritt auf der Bühne auch noch im Bett weitertreibt, und sich von ihrem jüngeren, 14jährigen Bruder Honda (Luka Petrusic) per Richtmikrophon und Tonband Wand an Wand, aber auch draußen, beim Liebesspiel abhorchen läßt. Die Aufnahmen werden im inzestuösen Verbund mit dem Bruder zugunsten der eigenen Lust oder auch mal zu Lasten eines der involvierten männlichen Partner verwendet.

Das Ohr kennt keine Grenzen, wie das Auge. Auf diese Weise wird der Zuschauer zum verwirrten Belauscher von Live-Sex und Konserven-Lust im Kreis der Darsteller, darf er sich der sinnlichen Präsenz der Daten, der Hoffnungen und Enttäuschungen, der vermeintlichen oder gespielten Intimitäten, der Tyrannei der scheinbaren oder echten Nähe in sinnlich aufgeladener Reflexion hingeben. Dabei ist ständig mit zweckdienlichen Inszenierungen zu rechnen, jenen fatal berechneten Performances, die allererst Fakten schaffen, um Nähe und Ferne zu markieren. So will Helen den großen Antagonisten des Films, Martin (Alessandro Nivola), marginalisieren, der bei seiner Rückkehr allzuviel Unruhe und Bewegung in den eingependelten Alltag des Dorfes bringen will. Martin war ihr Freund, der für sie aus Liebe die Schuld auf sich nahm und ins Gefängnis ging, um das mörderische Geheimnis zu hüten, dass sie es war, die im Alter von 14 Jahren ihren Vater erschlug.

Irgendwann nehmen die Begegnungen, die theatralischen und die erotischen, einen anderen Ton an, sie werden zu verzweifelten Maßnahmen der Vertuschung und Verleugnung, um den eingespielten Gang des Alltags doch noch zu bewahren und die dahinter lauernde balladeske Spurrille der alten ungeklärten mörderischen Vorkommnisse bloß nicht zu verlassen. Spuren, Tracks, die Archivierung und die Regruppierung der Daten, das ist es, was den Sex in "I want you" zumindest spannend und bedeutsam macht. Die mediale Aufzeichnung der Geräusche der Lust und ihre visuelles Äquivalent, die im blau getönten Fischauge verzerrten, digital unkenntlich gemachten oder von der gelbstichig durchsetzten Dunkelheit überlagerten Gestalten (für meisterhafte Kamera- und Bildgestaltungs-Arbeit zeichnet u.a. Slawomir Idziak) - entsprechen in "I want you" der Dramaturgie der Verstörung: Kinder und Jugendliche suchen ihr desorientiertes Aufwachsen, ihr elternloses Erwachsenwerden und ihre kriegsbedingte Migration mit parasitären Maßnahmen zu schützen, die sie nur weiter in die Verwirrung der Gefühle stürzen. Wer will wen wozu verführen? Wer suggeriert wem die Annäherung oder Unterwerfung?

Ein Theater der erotischen Grausamkeit und der sexuellen Mehrdeutigkeit breitet sich unterhalb des konventionellen Dialogtheaters und der Drehbuchverfilmung aus, eine Jagd nach der sexuellen Sensation als Vehikel für die missbräuchliche Macht der Begierden als einer Form der riskanten Bestätigung, die jede textliche Festlegung unterspült und dem improvisatorischen Spürsinn der Regie und der Darsteller einen Freiraum ermöglicht, wie er in den Höhepunkten von Martin Scorseses Neuinszenierung von "Cape Fear" oder in Andrew Birkins "Der Zementgarten" zu finden ist.

Die Unmöglichkeit einer Angestellten-Erotik

Gepfefferte, ja stattliche körperliche Entblößungen und Gesten werden in "I want you" fast mit Mühe zurückgehalten, brechen aber bei der koitalen Durchführung des Titelsongs (von Elvis Costello) und in den Nebenbettschauplätzen immer wieder als Anblicke über den Zuschauer herein. Natürlich könnte man dem entgegenhalten, dass diese Momente einfach störend und ablenkend sind für die intellektuelle dramaturgische Aufmerksamkeit des Kinozuschauers. Doch genau dieses Argument klebt zu sehr am klassischen Theaterkonzept und der Vergeistigung des Schauspielerkörpers durch den Dialog. Es verfehlt die Sinnlichkeit des Theaters, aber auch die ikonographisch überhöhte Erotik des Stummfilms und der immer knapper angezogenen Diven der 30er, 40er und 50er Jahre.

Die Details sprengten die Story. Andererseits erhält dieses Argument "Die explizite Nacktheit des erregenden/erregten Körpers lenkt von der Dramaturgie ab" neuen Auftrieb durch die Literatur und den von ihr inspierten Film: bei Michel Houellebecq, aber auch im jüngsten Emanuelle-Béart-Film "Nathalie..." (von Anne Fontaine), in dem Sex vorrangig als Objekt des investigativen Dialogs zwischen Hure und Ehefrau stattfindet. Hier werden die Wahrnehmung des Körpers und die Erregung zwar nicht ausgeklammert, aber sie werden ins Konzeptuelle verdreht (was die seelische Seite des Erlebnisses meistens ausschließt). Dies führt zu einer Art Baedecker- oder Michelin-Mentalität von Angestellten und angeblichen Experten.

Die Angestellten lassen sich in der Rezeption von Buch und Film durch Vorgaben, durch eine intellektuell-rationalistische Kommentierung anleiten, wie durch Dienstanweisungen und Gebrauchsanleitungen. So fühlen sie sich darin sicher, wie die Four-Letter-Words und andere Unanständigkeiten zerebral in voller Correctness abzuschmecken sind und wie das an sich schon isolierte Phänomen des Real-Ficks eingegrenzt oder durch weitere Surrogate ersetzt werden kann. Bei Houellebecq und seiner ironischen Parodie eines Philippe Djian ist der Sextourismus nicht nur ein Thema, er ist immerhin noch ein strukturell literarisches, empirisches und erkenntniskritisches Problem. Die präformierte Welt der Angestellten und der immer unfreieren Kreativen hat auch die Lust und die Lust in der Darstellung bürokratisiert. Ohne Gattungen keine Begattung, ohne Einordnung keine Einführung, ohne Führer keine Durchführung, ohne Ausweis keinen Ausgang, ohne Konzern keinen Koitus. Das Independent Label als das letzte Feigenblatt der Subversion? Michael Winterbottom will dagegen den Aussteigern noch einmal auf die Spur kommen, indem er in zahllosen Varianten den Ausstieg experimentell inszeniert, probiert, versucht, testet, variiert, weitertreibt und begutachtet.

"Nine Songs" - Studie zur glücklosen Befriedigung unleugbarer Bedürfnisse

"I want you" dreht sich um einen Song in schwerblütiger Dramaturgie, die das Sexuelle und das Emotionale als Dreh- und Angelpunkt immer wieder heftig durchkreuzt. Dagegen zerlegt sich in "Nine Songs" die Geschichte, oder was von ihr übrigblieb, in entsprechend viele Episoden zwischen Konzertsaal und Bett. Der Untertitel von "Nine Songs", "ein Liebesfilm", ist schlichtweg eine Übertreibung, die dem Zuschauer 69 Minuten lang, übrigens als einziges, zu schaffen macht.

Der Vorgriff auf die Jetztzeit zu Beginn, der rasende Schatten des Forschungsflugzeugs auf der antarktischen Eiswüste und die späteren Zwischenbetrachtungen über die polare Klimatologie mit ihrer lächerlich flachen Beziehungssymbolik vermögen keinen ernsthaften Erzählrahmen abgeben. Auch das Gewicht der Erinnerungen an eine angeblich heiße Affäre im Londoner Apartment steht infrage. Schon die erste Konzert-Sequenz - ein Stück Massenintensität mit stroboskopisch aufblitzenden Individuen zwischen "Klaustrophobie und Platzangst" (wie in der Antarktis?) - ist austauschbar wie so vieles in diesem Film.

Aber vielleicht ist das Konzept: weniger Drama, kaum Romantik, nur eine Spur von Gefühl und der Verlust der Einmaligkeit zugunsten von Austauschbarkeit und Funktionalität verschwitzter Alltags-Körper, die am Liebesaustausch unsanft, in spürbarer Aktion und nicht nur als ästhetisches Bild arbeiten, der eigentliche Aufhänger. Es geht um diesen mitgefühlslosen Blick auf ein ganz normales sexuelles Encounter, auf eine mehr oder minder gelungene, letztendlich aber glücklose Befriedigung unleugbarer Bedürfnisse. Klimaforscher Matt (Kieran O‚Brien) trifft die amerikanische Studentin Lisa (Margo Stilley) während eines Konzerts und treibt mit ihr Liebe auf Zeit. Die aktuellen Namen der Britpopszene tauchen auf, von "Franz Ferdinand", "Black Rebel Motorcycle Club", "Super Furry Animals", "Elbow", "The von Bondies", "Primal Scream" und "The Dandy Warhols".

Man sieht und hört die Protagonisten keuchend auf der Bühne, als Schwerstarbeiter in Nahaufnahme und als kleine Punkte, als Auslöser eines Massentaumels in der pulsierenden Ferne. An einer bestimmten Stelle taucht der 60 Jahre alt gewordene Michael Nyman auf, dessen Klaviersolo immer wieder als scheinheiliges Leitmotiv für eine höhere, aber ausbleibende Sinndimension für die Affäre herhalten muss. Ähnlich wie im Konzert saugt sich die wackelnde Handkamera nun an den angeknabberten Lippen von Mann und Frau fest, zeigt sie den stellenweise stutenbissigen und hengstgeilen Liebesaustausch, das gierige Schlucken und Schlingen der beiden in unmittelbarer, porentiefer Nahaufnahme, im Sepia-Halbdunkel, in einem unangenehm nachsynchronisierten, distanzlosen Abschlabbern und Vor-sich-Hinschmatzen mit den üblichen direkten Aufforderungen und Verbalstimulationen ("Fick Mich", "Wie findest du meinen Körper?"), die mehr anatomischer und keineswegs pornographischer Natur sind.

Bis auf die Konzertmitschnitte, einige Wohnungsszenen, einem Meeres-Ausflug und dem späteren Abschied auf der Straße bleibt das Bett Hauptschauplatz des Films. Die sexuellen Aktivitäten werden von Mal zu Mal gesteigert, sanfte Berührungen und unsanfte Kopulationen, diese noch zerteilt zwischen Bild und Off. Fast wissenschaftliche SM-Experimente, Cunnilingus, painfully hardedged, so dass man eine erektile männliche Zunge im Busch verschwinden sieht, später Fellatio bei beträchtlicher Erektion und respektablem Samenaustritt (das Catering war also sehr eiweißhaltig), schließlich gesundheitsbewußte Penetration mit Kondom und endlich ein traurig-einsames Vibrator-Spiel zwischen weiblichen Schenkeln (aus dem Nachbarzimmer beobachtet), Damit wird das leicht enttäuschte Publikum bereits auf Abschied und Abflug eingesummt. Szene für Szene hebt die Kamera unauffällig aus der Körpernähe ab und scheint sich sachte, immer weiter, zu entfernen.

Modelle für die Zukunft des erotischen Films

Der Verzicht auf eine konsistente Geschichte, ausgefeilte Charaktere und die Dramatisierung des Sexuellen kann diesem Film nicht gleich zu Vorwurf gemacht werden. Und doch fragt man sich ziemlich rasch: Haben sich das Körperopfer und der Verkehrseinsatz der Schauspieler für diesen Morsecode von Kurzdialogen, Wohngemeinschaftskauderwelsch und Liebeshinweisen wirklich gelohnt? Der Maßstab bleibt also doch eine übergeordnete oder eine experimentelle Dramaturgie. Fragt sich nur, welche? Dazu einige Vorschläge:

  1. Es geht um eine Filmstudie zur Überschreitung des gewöhnlichen kinematographischen Schauspiels in den Raum der sexuellen Improvisation, wie in der Klimax von Lars von Triers "Idioten". Doch durch die Ausblendung und Verdunkelung der Rahmengeschichte wirken die sexuellen Handlungen seltsam matt und bedeutungslos für den Rezipienten einer Geschichte bzw. zu selbstverständlich, im Sinne eines ganz normalen anonymen Konsums aus der Sicht der Beteiligten (so bedient man sich halt). Keine Spur von aufrüttelnder Idiotie. Der "Phallus" spannt sich immer vor einer Dramaturgie auf, ob sichtbar oder unsichtbar.
  2. Es handelt sich um eine Geschichte anderer Art, und zwar aus der entfremdeten Perspektive des bindungsunfähigen Matt. Dies entspricht zwar der Anonymität und Austauschbarkeit der Bilder, Sequenzen und Stimmungen, die von Anfang an der Tristesse der Einanderbedienens unterworfen sind. Aber das macht das Klischee dieses Films auch nicht besser.
  3. Matts Perspektive ist nur der Aufhänger für den (männlichen) Voyeurismus des Kinozuschauers (die kritische Methode der Catherine Breillat): Danach würde Winterbottom die Sexualität in verschiedene Dimensionen und Perspektiven zerlegen: zunächst das intensive Beieinandersein, dann die Akkumulation der pornographischen Details bei wachsender Distanz zur personalen Ebene und am Ende der masturbatorische Abgesang in völliger Isolation. Dazwischen immer wieder die mediale Aufladung der Figuren und Zuschauer durch den Konzert-Rock.

Wie gut, aber auch wie teuer wäre der Film geworden, wenn an diesen verschiedenen Modellen und Ebenen wirklich konsequent gearbeitet worden wäre? Zwischen den angedeuteten Modellen liegt die Zukunft des erotischen Kinos.

So aber bleibt "Nine Songs" das, was es ist, ein schon bemerkenswertes Zufallsprodukt für die einen, ein gesichtsloser Bastard für andere, allerhöchstens eine ungeschliffene Gelegenheitsstudie, ein Experiment mit viel Fleisch, das man unter den Bedingungen einer gewöhnlichen Studio- und Starproduktion derzeit noch nicht hätte hinkriegen können.

Die abschließenden Angaben zur Zensur sagen einiges über das Mediensexklima in verschiedenen Ländern, aber nichts über echte Inhalte aus:

"I want you"

"Certification: Finland:K-16 / France:-12 / Germany:16 (bw) / Japan:R / Netherlands:16 / Norway:15 / Spain:18 / Switzerland:18 (canton of Geneva) / Switzerland:18 (canton of Vaud) / UK:18 / USA:R / Singapore:R(A)"

"Nine Songs"

"Certification: Australia:R (re-rating on appeal) / Australia:X (original rating) / France:-18 / Germany:16 / Hong Kong:III / Ireland:18 / Switzerland:18 (canton of Geneva) / Switzerland:18 (canton of Vaud) / UK:18 / USA:Not Rated. This was the first film featuring explicit sex scenes to receive a certificate in the Republic of Ireland."

Noch Fragen bitte?