Spanische Geheimdienste, Polizeispitzel und Terroristen

Spanische Soziaisten hatten Kontakte mit mutmaßlichen Attentätern vom 11. März, aber vieles ist weiterhin im Dunklen

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Die spanischen Sozialisten (PSOE) kommen weiter unter Druck, weil Mitglieder ihrer Partei vor den Anschlägen am 11. März in Madrid direkte Kontakte zu dem Zirkel um die Attentäter hatten. Nach Fernando Huarte, mutmaßlicher Mitarbeiter des Geheimdienstes CNI, wurden nun Kontakte zu dessen Intimfreund Rabei Gaya zu dem Marokkaner Fouad el Morabit Amghar bekannt. Der hatte sich, mit einem Visum ausgestattet, auch in Darmstadt aufgehalten, obwohl er spätestens seit Ende 2002 in Deutschland als Kontaktperson eines terrorverdächtigen Sprengstoffexperten erfasst worden sei, berichtete kürzlich das ARD-Magazin "FAKT".

Die gesamten Vorgänge um die Anschläge in Madrid 2004, die 192 Menschen das Leben kosteten, nur als merkwürdig zu beschreiben, träfe die Sachlage nicht (Blutiger Wahlkampf in Spanien). Seit gestern ist bekannt, dass ein zweiter Sozialist aus Asturien direkten Kontakt zu dem Zirkel derer hatte, die die Anschläge durchgeführt haben oder mutmaßlich stark darin verwickelt waren. Der Namen der Provinz Asturien alarmiert ohnehin alle, die sich näher mit dem Massaker beschäftigt haben. Von dort stammt der Sprengstoff, der über Spitzel der Nationalpolizei und Guardia Civil an die islamistischen Attentäter geliefert wurde (Von Spitzeln, Terroristen und dem schweren Geschäft der Aufklärung).

Nach Huarte trifft es dessen Partei und Intimfreund Rabei Gaya aus Gijón. Der hat sich mindestens einmal mit dem Marokkaner Fouad el Morabit Amghar dort getroffen und ausgiebig unterhalten. Wahrscheinlich hat Gaya sogar für ihn verbürgt, damit dieser sich in Madrid nieder lassen kann. Der Marokkaner war nach dem 11. März verhaftet worden (Madrid: Die Spur führt nach Tanger), kam aber bald wieder frei. Am 31. März wurde er erneut verhaftet, weil seine Fingerabdrücke sogar in dem Haus in der Nähe von Madrid gefunden wurden, in dem die Bomben gebaut wurden. Ein Zeuge will ihn zudem als einen der Personen erkannt haben, welche die Bomben in den Vorortzügen deponierten. Obwohl er auch die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge kennt und die Mitglieder der Gruppe kannte, die sich Tage nach den Anschlägen selbst in die Luft gesprengt hat, kam er erneut frei ("Spanien in eine Hölle verwandeln").

Veröffentlicht hat dies die Zeitung El Pais, die den regierenden Sozialisten nahe steht. Die Veröffentlichung kann nicht als wütender Angriffe der Opposition abgetan werden, die wegen der Lügen um die Anschläge die Wahlen verloren hat (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien). Auch einigen Sozialisten scheint es ungemütlich zu werden, so dass sie sich jetzt an der Aufklärung beteiligen. Da gute Beziehungen zur Polizei, der Guardia Civil und den Geheimdiensten bestehen, stammen die Informationen von der "Unidad Central de Información Exterior de la Policía" (UCEP), einer Art Geheimdienst der Polizei. Denn UCEP hat das Treffen von Gaya und Morabit Amghar überwacht.

Dass Morabit Amghar erneut frei gelassen wurde, ist ein unglaublicher Vorgang. Das trifft aber auch auf andere Personen zu, die in die Anschläge verwickelt sind und dafür nie dafür verhaftet wurden. Zum Beispiel die Informantin der Nationalpolizei Carmen Toro, Ehefrau des Sprengstoffverkäufers und Polizeispitzels José Emilio Suárez Trashorras (Spanische Wirren im Antiterrorkampf) sowie Schwester des Spitzels Antonio Toro, der wegen Drogenhandel inhaftiert ist (Schauspiel einer Aufklärungskommission). So könnte auch der Marokkaner Morabit Amghar zum Kreis der Spitzel, Geheimagenten oder Zuträgern der Sicherheitsdienste gehören, die in die Anschläge verwickelt sind. Sie alle wurden vom eigenen Dienst oder von einem anderen der Polizei, der paramilitärischen Guardia Civil oder dem CNI, überwacht.

Damit könnte sich erklären, warum der Marokkaner 2003 auch ungehindert mit einem Visum nach Deutschland reisen konnte, um sich zwei Wochen über ein "Studium an der TU in Darmstadt zu informieren". Dabei sei er spätestens seit 2002 in der streng geheimen FIT-Datei (Fundstellennachweis islamistischer Terrorismus) von BKA und Landeskriminalämtern als Kontaktperson eines terrorverdächtigen Sprengstoffexperten erfasst gewesen. Das berichtete das ARD-Magazin "FAKT" unter Berufung auf hochrangige Fahnder aus mehreren Bundesländern. Das sei bisher der Öffentlichkeit vorenthalten worden, das Innenministerium hat den Bericht weder dementiert noch bestätigt.

War der Marokkaner in Deutschland in geheimer Mission unterwegs? Schließlich sollen auch andere Geheimdienste gerne auf den Service des Sozialisten Huarte aus Gijón zurückgegriffen haben (Dubiose Verbindungen). Dessen Intimfreund ist Rabei Gay, und der ist offenbar der Kontaktmann zu dem Marokkaner. Dass Huarte ein CNI-Mitarbeiter ist, dafür spricht neben dem Hinweis der Zeitung El Mundo immer mehr. Kurioserweise kann man die Dementis als Eingeständnisse werten. So wollten zum Beispiel Huartes Sozialisten dessen Gespräche mit dem Chef einer Zelle algerischer Terroristen im Knast zwar bereit stellen. Aber nur die Geheimdienstkommission sollte den Inhalt kennen und nicht die öffentliche Untersuchungskommission (Ein Jahr ohne Aufklärung). Warum diese Geheimnistuerei, fragt man sich, wenn Huarte oder der GIA-Führer Abdelkrim Benesmail gar keine Geheimdienstler sind.

Ohnehin sei nur noch ein Band vorhanden, das beim letzten Besuch Huartes aufgenommen wurde. Der Rest der Bänder sei schon gelöscht, weil diese nur einen unbedeutend Inhalt gehabt hätten. Man wird sehen, ob sie nicht doch irgendwann auftauchen und nur wegen ihres brisanten Inhaltes jetzt nicht zugänglich sind. So erging es anderen Aufnahmen, die jahrelang verschollen waren (Von Spitzeln, Terroristen und dem schweren Geschäft der Aufklärung). Offenbar bietet noch das letzte Band genug Anlass zur Sorge und sollte der Untersuchungskommission vorenthalten werden. Geprüft wird derzeit, ob der frühere und der neue Geheimdienstschef vor einen geheimen Kontrollausschuss vernommen werden soll, nachdem eine Vernehmung vor der Untersuchungskommission verhindert wurde. CNI-Chef Alberto Saiz hat schon erklärt, er begehe keine "Straftat", denn das Gesetz verbiete es ihm, die Identität von Agenten offen zu legen. Wenn Huarte kein CNI-Agent wäre, müsste Saiz auch keine Straftat begehen.

Ungeklärt ist auch, ob die Sprengstofflieferanten Trashorras und Toro Mitarbeiter des CNI sind. Zu dieser Frage wollte die oppositionelle Volkspartei (PP) die Geheimdienstchefs vor der Untersuchungskommission auch befragen. Dass der CNI islamistische Zellen infiltriert hat, das bezeugt die "Operation Nova". Dabei wurden im Oktober 2004 acht Personen verhaftet, die einen Anschlag auf den Nationalen Gerichtshof in Madrid vorbereitet haben sollen. Darunter war der CNI-Mitarbeiter Smail Latrech, der derzeit Zeugenschutz genießt. In diesem Zusammenhang wurden bereits inhaftierte Islamisten erneut verhaftet, darunter auch Benesmail, den Huarte wenige Tage zuvor noch einmal besucht hatte.