Lieber keine Zahlen vom "Erfolg" im US-Krieg gegen den globalen Terrorismus

US-Außenministerin Rice hat die Veröffentlichung des jährlich Berichts über den Terrorismus blockiert

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19 Jahre lang hat das US-Außenministerium jährlich den Bericht über den weltweiten Terrorismus veröffentlicht. Seit dem von der Bush-Regierung ausgerufenen Krieg gegen den Terror ist das natürlich ein heißes Thema, da der Bericht den Erfolg oder Misserfolg dokumentiert - und das auch noch im Auftrag der US-Regierung. Außenministerin Condoleezza Rice hat nach einem Bericht eines Blogs und Knight Ridder entschieden, den Bericht zumindest dieses Jahr nicht zu veröffentlichen.

Schon im letzten Bericht kam es zu einem peinlichen Vorfall. Stolz verkündeten die Vertreter der US-Regierung, allen voran Außenminister Powell, dass der Terrorismus weltweit zurück gegangen sei. Das wurde als Erfolg der eigenen Strategie verkauft, also der Bekämpfung des Terrorismus auf der ganzen Welt, Afghanistan- und Irak-Krieg inklusive. Angeblich habe man 2003 - entgegen allem Augenschein - den niedrigsten Stand von Terroranschlägen seit 1969 festgestellt. "Man muss keinen Doktortitel in Statistik oder nicht einmal eine Rechenmaschine haben, um festzustellen, dass der Terrorismus zunimmt", hatte beispielsweise William F. Schulz, Vorstand von Amnesty International in den USA, damals gesagt.

Nachdem Kritiker Fehler im Bericht nachgewiesen haben, musste das Außenministerium verschämt eine Korrektur nachreichen. Kurz vor dem beginnenden Wahlkampf 2004 wurde jede Manipulation weit von sich gewiesen. Ursache seien Computer- und Rechenfehler des neu geschaffenen Terrorist Threat Integration Center (TTIC), aus dem das National Counterterrorism Center hervorging. Nach der Korrektur musste eingeräumt werden, dass die Terroranschläge zugenommen hatten, wenn auch nur leicht. Allerdings hatten die Terroranschläge im Irak ("einer zentralen Front im globalen Krieg gegen den Terrorismus") zu dieser Zeit gerade erst eingesetzt und wurden nur dann aufgeführt, wenn sie nicht auf irakische Sicherheitskräfte und Koalitionstruppen gerichtet waren, weil dies nicht als "internationaler", sondern als nationaler Terrorismus bezeichnet wurde, nachdem der Krieg von den USA als beendet erklärt wurde (Mehr Terroranschläge statt weniger).

Auch dieses Jahr müsste der Bericht melden, dass der Terrorismus zunimmt. Nach dem National Counterterrorism Center habe es selbst bei günstiger Berechnung 2004 mehr Terroranschläge gegeben, als jemals seit Beginn der Berichte erfasst wurden. Schon vor Wochen soll Rice entschieden haben, aufgrund dieser Zahlen den Bericht nicht zu veröffentlichen. Angeblich soll Rice die ungünstige Statistik auf methodische Fehler oder auf den Einschluss von Anschlägen zurück geführt haben, die nicht zum Terrorismusspektrum gehören. Nachdem aber das National Counterterrorism Center aus Sorge vor einer erneuten Blamage die Zahlen nicht zugunsten der Regierung revidieren wollte, sei die Entscheidung gegen den Bericht gefallen. Vermutlich aber wären wohl auch mit dem besten Willen zur Schönschreibung und Realitätsausblendung die Zahlen nicht glaubhaft zu beschönigen gewesen.

Bekannt wurde der Vorfall, mit dem die Bush-Regierung wieder einmal die öffentliche Meinung beeinflussen will, übrigens nicht durch herkömmliche Medien, sondern über den The Counterterrorism Blog von Larry C. Johnson, einem ehemaligen CIA-Mitarbeiter, der auch als Terrorismusexperte für das Außenministerium gearbeitet hat. Nach Johnson und anderen Geheimdienstmitarbeitern habe es 2004 625 schwere Terroranschläge gegeben, während es 2003 "nur" 175 waren, was aber auch schon die höchste Zahl innerhalb von 20 Jahren war. Wiederum wären dabei die Anschläge auf die Koalitionstruppen gar nicht einbezogen worden. Fast die Hälfte der schweren Anschläge sollen sich aber vorwiegend in Kaschmir ereignet haben. Die Anschläge von islamistischen Terroristen hätten hingegen leicht abgenommen, wenn man den Irak außer Acht lässt. Johnson will allerdings seine Quelle für die Informationen nicht aufdecken, die Geheimdienstmitarbeiter, die Knight Ridder gegenüber diese Informationen bestätigten, wollten anonym bleiben.

Ein Mitarbeiter des Außenministeriums sagte, dass auch dieses Jahr ein Bericht über den globalen Terrorismus vorgelegt und den Kongressabgeordneten zugeschickt werde, aber dieser Bericht trete an die Stelle des gewohnten Berichts über die "Patterns of Global Terrorism" und werde keine statistischen Daten enthalten. Das geschehe deswegen, weil nicht mehr das Außenministerium, sondern das National Counterterrorism Center die Behörde sei, die für die Erfassung und Veröffentlichung der Daten zuständig ist. Damit wäre der Schwarze Peter erst einmal weiter geschoben.