Es gibt keine harmlosen Mini-Nukes

Das Pentagon hätte gerne taktische Atombomben, um unterirdische Ziele zu zerstören, ein Bericht des National Research Council zerlegt die Illusionen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bunker Buster, also bunkerbrechende Bomben, werden, auch in Form von Präzisionsbomben zur Zerstörung von Zielen in Städten, in den letzten Jahren immer wichtiger, zumindest nach Ansicht des Pentagon. Da potenzielle Gegner wichtige Anlagen tiefer in die Erde verlagern und mit dicken Stahlbetonschichten schützen würden, müssten die Bomben entsprechend tiefer in die Erde eindringen, bevor sie explodieren. Seit spätestens 2002 verfolgt das Pentagon dabei schon den Plan, dafür kleine Atombomben, so genannte Mini-Nukes zu entwickeln, um sie auch unterhalb der Atomkriegsschwelle als normale taktische Waffen einzusetzen (Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten). Begründet wird dies unter anderem auch damit, dass Atombomben chemische oder biologische Waffenlager so zerstören können, dass sie ungefährlich werden.

Kritiker warnen, dass solche taktischen Atomwaffen zum Zerstören unterirdischer Stellungen oder Lager die bislang hohe Schwelle zu einem möglichen Atomkrieg senken könnten. Damit würde Mächten, die Atomwaffen besitzen, oder solchen, die den Besitz anstreben, ein gefährliches Vorbild gesetzt. Der sowieso bereits brüchige Atomwaffensperrvertrag dürfte noch löchriger werden, die Verbreitung von Atomwaffen zunehmen. Der Einsatz von Atomwaffen würde Gegnern auch eine Legitimation verschaffen, selbst mit Atomwaffen zurück zu schlagen oder sie in anderen Konflikten einsetzen. Terroristen könnten im asymmetrischen Konflikt mit "schmutzigen" Bomben oder auch mit Biowaffen-Anschlägen reagieren.

Abwurftest mit der B61-11 von einem B-2A Stealth Bomber 1996. Foto: Sandia National Laboratories

Überdies wird vielfach kritisiert, dass das Pentagon die Illusion verbreite, als ob Mini-Nukes ungefährlich wären, weil sie unterirdisch explodieren und keine Radioaktivität oberirdisch freisetzen (Der ewige Traum von "sauberen Atomwaffen"). Experten haben berechnet, dass schon bei einem Sprengsatz von nur 0,3 Kilotonnen die Bombe vor der Explosion 70 Meter in trockenen und 40 Meter in steinigen Boden eindringen müsste, um eine Verstrahlung zu verhindern. Das aber sei technisch gar nicht möglich. Nach einer anderen Untersuchung müsste eine Mini-Nuke mit lediglich 0,1 Kilotonnen so weit in den Boden eindringen.

Dennoch hatte der US-Kongress letztes Jahr erneut Gelder für die Entwicklung nuklearer Bunker Buster freigegeben (US-Kongress bewilligt Gelder für die Entwicklung taktischer Atomwaffen). Das Pentagon drängt mit der Begründung, dass es mindestens 10.000 Hunderte von Metern unter der Erdoberfläche liegende Anlagen bei potenziellen Feinden gebe, die sich mit den vorhandenen Bomben nicht zerstören ließen. Nun hat ein eben veröffentlichter Bericht: Effects of Nuclear Earth-Penetrator and Other Weapons des National Research Council, der zu der National Academy of Sciences gehört, ebenfalls vor dem Einsatz der illusorischen sauberen Atombombe gewarnt.

Zwar heißt es darin, dass eine bunkerbrechende Bombe mit einem viel kleineren nuklearen Sprengkopf ein Ziel unter der Erde "wirksam" zerstören könne, als dies für die Zerstörung eines oberirdischen Ziels möglich wäre. Hierzu wäre eine 25-fach höhere Zerstörungskraft notwendig. Dennoch könnten die nuklearen Bunker Buster nicht so tief kommen, dass sie tatsächlich ungefährlich seien. Sie würden "große Opfer" verursachen und könnten, abhängig von der Sprengkraft, von Tausende von Menschen bis zu einer Million oder mehr töten, wenn sie in dicht besiedelten Gebieten eingesetzt werden.

Einen nukleraen Erdpenetrator einzusetzen, um ein Ziel in einer Tiefe von 250 Metern zu zerstören - die typische Tiefe für die meisten unterirdischen Anlagen -, könnte eine verheerend groß Zahl an Menschen töten.

John F. Ahearne, Vorsitzender und Direktor des Ethik-Programms Sigma Xi Center

Im Unterschied zu Atomwaffen, die oberirdisch explodieren, liege die Zahl der möglichen Toten und Verletzten um das Zwei- bis Zehnfache niedriger. Man könne die Opferzahlen weiter senken, wenn man die Bevölkerung vor dem Einsatz warnt und evakuiert oder wenn man die Windrichtung berücksichtigt, aber eine Atomwaffenexplosion in einem dicht besiedelten urbanen Gebiet werde nie ohne eine große Zahl von Opfer realisiert werden können. Und was die Zerstörung von unterirdischen chemischen oder biologischen Waffenlagern betrifft, so müssten Atombomben bis zu diesen vordringen und in diesen explodieren, um diese vollends zu zerstören. Das aber könne eine nicht-nukleare thermobarische Bombe dann mit derselben Wirksamkeit auch erreichen.

Der Bericht legt nahe, dass die ganze Vorstellung von sauberen und tief eindringenden nuklearen Erdpenetratoren eine Illusion oder ein Schwindel ist. Man könne ein Ziel wirksam bis zu einer Tiefe von drei Metern zerstören, darüber hinaus werde es bereits unsicher und schwierig. Um ein Ziel zu zerstören, das 200 Meter tief liegt, sei schon eine Atomwaffe mit 300 Kilotonnen notwendig, bei einer Tiefe von 300 Metern wäre bereits eine Megatonnen-Sprengkraft erforderlich. Zum Vergleich: Die Bombe, die Hiroshima zerstörte, hatte gerade einmal eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen TNT, die von Nagasaki von 22 Kilotonnen.

Die Studie war vom Pentagon in Auftrag gegeben worden. Vermutlich hat man sich ein anderes Ergebnis erwartet.