Verbrannte Erde

Monsanto, Indien und der Widerstand gegen Gen-Lebensmittel

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Indien ist ein Land der Kontraste. Auch wenn es sich rühmt, die größte Demokratie auf der Erde zu sein, gehört es wegen seines Kastensystems und seiner Armut zu den schlimmsten Ländern der sich entwickelnden Welt. Wer nach Südostasien reist, sagt oft, wenn er von Indien nach China kommt, daß es dort viel besser zu sein scheine. China scheint relativ sauberer, effizienter und besser organisiert zu sein.

Dieser Vergleich spiegelt auf vielfache Weise die Dichotomie der Globalisierung wider: auf der einen Seite stehen die effizienteren und prosperierenden Länder im Westen und Norden, auf der anderen Seite die zurückgefallenen Länder im Osten und Süden mit düsteren Aussichten. Ironischerweise bringen bei dem Versuch, die Erde vor Verwüstungen zu schützen, die sich dem kapitalistischen Verbrauch und der mangelnden Beachtung der Umwelt verdanken, oft die Unterprivilegierten die Probleme auf die Tagesordnung. Indien ist dafür stellvertretend. Politisch versuchte Indien außerhalb der zwei Blöcke zu stehen, die aus den Spielregeln des Kalten Krieges entstanden. Zusammen mit anderen Ländern wie Titos Jugoslawien fungierte das Bündnis der blockfreien Staaten als Puffer zwischen den neo-imperialistischen Strukturen der UdSSR und der USA. Das führte auch dazu, daß Indien zu einem scharfen Kritiker des nuklearen Wettrüstens wurde. Leider ist diese Politik seit dem Zerfall Jugoslawiens und Indiens Bestreben in diesem Jahr, zu den nuklearen "Großen Fünf" zu gehören, seit langem verschwunden.

Trotzdem gibt es noch immer eine Opposition von unten. Sie richtet sich normalerweise gegen die Aktivitäten der multinationalen Unternehmen, die sich in Südostasien oft nur niederlassen, um die billigen Arbeitskräfte und Ressourcen, aber auch die lockeren Umwelt- und Steuergesetze auszubeuten. Große Konzerne wie KFC und Pepsi wurden von Einwohnern angegriffen, um gegen die von solchen Konzernen verursachten sozialen und Umweltprobleme zu protestieren. Kritik wurde auch gegenüber den Organisationen der Globalisierung wie der WTO und jenen laut, die Patente vergeben. Der Versuch einer amerikanischen Firma, den Basamti-Reis patentieren zu lassen, führte etwa zu einer weit verbreiteten Kritik.

Gegenwärtig sind die Oppositionellen Indiens in die Offensive getreten und haben dabei Monsanto, eines der im Kontext der Globalisierung umstrittensten Unternehmen, ins Visier genommen. Monsanto ist weltweit bekannt für seine biotechnischen Aktivitäten im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion. Es entwickelte das rekombinierte Wachstumshormon für Rinder (rBGH), das erste genmanipulierte Produkt, das kommerziell vertrieben wurde. Andere Produkte sind die Tomaten, die den Geschmack bewahren, der Bacillus thuringiensis (Bt) und die Roundup Ready Baumwolle, die angeblich gegenüber dem Baumwollkapselkäfer geschützt ist, die Roundup-resistente Zuckerrübe, die Roundup Ready Sojabohnensamen und die Technik zur Herstellung von "Terminatorsamen", aus denen Pflanzen mit sterilen Samen entstehen, die nicht mehr keimen. "Das Ziel von Monsanto ist", wie ein Beobachter bemerkte, "die Nahrungskette zu monopolisieren."

Überdies gehören zur Liste der kommerziellen Produkte von Monsanto auch Gifte. Besonders bemerkenswert ist das berüchtigte Herbizid Agent Orange, das im Vietnamkrieg, einem der schrecklichsten Genozide in der Geschichte der Menschheit, eine furchtbare Rolle spielte. Vietnam behauptet, daß über die Jahre hinweg eine halbe Million Menschen durch das Versprühen von Agent Orange während des Krieges gestorben seien oder schwere Krankheiten erlitten hätten.

Auch wenn der Kampf gegen die Politik und die Produkte von Monsanto angesichts des Trends nicht allzuschwer fallen sollte, daß es zu einer modischen Aussage geworden ist, "grün" zu sein, ist die Macht hinter Monsanto gewaltig groß. In dem gegenwärtig herrschenden neoliberalen Kontext und angesichts der Einstellung, daß das "Geschäft vor allem anderen kommt", finden die multinationalen Konzerne große politische Unterstützung. Zudem ist die modische Aussage, "grün" zu sein, eben nur eine Behauptung ohne viel Substanz. In Indien stehen dafür die Chancen nicht gut.

Geschäftstaktiken von Monsanto

In den USA ist Monsanto gegen die Auflage vorgegangen, daß die Milch gekennzeichnet werden muß, die rBGH enthält, weil das gegen die Verfassung und das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoße. Freie Meinungsäußerung schließe nämlich auch das Recht ein, etwas nicht zu sagen. Ein im April 1998 veröffentlichter Bericht der kanadischen Regierung beschreibt die illegalen Praktiken von Monsanto, um die Genehmigung für den Verkauf von rBGH zu erhalten. "Belege von den Tierschutzberichten wurden" so der Bericht, "nicht in Erwägung gezogen. Diese Untersuchungen wiesen auf zahlreiche schädliche Auswirkungen bei Kühen hin, beispielsweise auf Geburtsschäden, Reproduktionsstörungen oder eine steigende Anfälligkeit für Mastitis, die sich auf die Gesundheit der Menschen auswirken kann ... Es liegen Berichte vor, daß Monsanto aggressive Vermarktungstaktiken ausübte, die Landwirte entschädigte, deren Tierarztrechnungen wegen der mit dem Einsatz von rBST (rBGH) zusammenhängenden Nebenwirkungen anstiegen, und negative Versuchsergebnisse unter Verschluß hielten. Alle vier US-Unternehmen (Monsanto, Eli Lilly, Cyanamid und Elanco, wobei nur Monsanto wirklich ein Produkt vertreibt) weigerten sich, eine Liste ihrer Forschungsgelder an US-Universitäten mitzuteilen." Ohne solche Listen kann man natürlich nicht herausbekommen, welche Auswirkungen sich bei Tierexperimenten ergeben haben, da niemand weiß, wo die Experimente stattgefunden haben.

Die Wissenschaftler der kanadischen Regierung kamen zu dem Ergebnis, daß "die normalerweise für die Sicherheit der Menschen erforderlichen toxikologischen Langzeitstudien nicht durchgeführt wurden. Folglich wurden solche Risiken wie Sterilität, Unfruchtbarkeit, Geburtsschäden, Krebs und Veränderungen des Immunsystems nicht erforscht." Die Wissenschaftler, die den Bericht abfaßten, bezeugten vor einem Untersuchungsausschuß im Oktober, daß sie von Vorgesetzten unter Druck gesetzt wurden, den Inhalt ihres Berichts abzuändern. Zwei der Autoren und vier weitere Wissenschaftler der kanadischen Regierung bezeugten, daß ihnen die Versetzung auf Stellen angedroht wurde, wo "man von ihnen niemals wieder etwas hören würde", sofern sie nicht die Zulassung des rBGH-Produkts von Monsanto in Kanada beschleunigen würden, selbst wenn keine Langzeitstudien vorliegen, die belegen, daß das Produkt für die Menschen sicher ist.

Solche Taktiken wurden auch gegenüber den Landwirten angewandt, die direkt mit Monsanto zu tun haben. Der multinationale Gigant hat bereits gegen Landwirte geklagt, weil sie Roundup Ready Sojabohnensamen aufbewahrt hatten. Dabei handelte es sich nicht um die Terminatorsamen. Nach Presseberichten beauftragte Monsanto Pinkertondetektive, um mehr als 1800 Landwirte und Samenhändler in den ganzen USA in Angst zu versetzen, wobei bereits 475 Fälle einer möglicherweise kriminellen "Saatgutpiraterie" untersucht werden. Eine Gruppe von Landwirten in Kentucky, Iowa und Illinois, die Saatgut aufbewahrt hatten, wurde schon zur Zahlung von Strafen bis zu jeweils 35000 US-Dollar genötigt.

Selbst Presseangehörige haben eine schwere Zeit. Ende September wurde in Großbritannien eine Sondernummer des Ecologist Magazine von der Druckerei vernichtet. Auch wenn Monsanto behauptet, daß sie die Drucker oder die Zeitschriftenverkäufer nicht unter Druck gesetzt hätten, scheint niemand dem Glauben zu schenken.

Monsanto in Indien

Trotz solcher überzeugenden Beispiele von der Macht Monsantos werden die Landwirte in Indien nicht abgeschreckt werden. Die Karnataka State Farmers Association (KRSS), eine von Gandhi begründete Organisation von 10 Millionen Landwirten im südindischen Staat Karnataka, hat mit einer Reihe von gewaltlosen Protesten der Gehorsamsverweigerung in Form von Getreideverbrennungen begonnen. Im Zuge einer Kampagne direkter Aktionen von Landwirten gegen die Biotechnologie, die unter dem Namen "Cremation Monsanto" laufen, verbrannt man Felder, die von Monsanto als Versuchsgelände für einen hybriden Baumwollsamen gebraucht werden, der genetisch so verändert wurde, daß er das Bt-Enzym produziert. Zuvor setzten sich die KRSS-Aktivisten mit den Besitzern der Felder in Kontakt, erklärten ihnen, was sie und warum machen werden, und informierten sie, daß die KRSS alle entstehenden Verluste finanziell ausgleichen werde.

Das erste Feld, das man verbrannte, gehörte zum Dorf Maladagudda, etwa 400 Kilometer im Süden von Bangalore. Herr Basanna, der Besitzer des Feldes, behauptete, daß Angestellte von Mahyco-Monsanto (ein Jount-Venture von Monsanto und Mahyco, einer 30 Jahre alten Samenfirma, von der Monsanto jetzt 26 Prozent gehört) im Juli zu ihm kamen und vorschlugen, daß er kostenlos eine neue Variante von Baumwollsamen anpflanzen könne, die angeblich sehr gute Erträge ergeben würden. Er wußte nicht, daß sie ohne sein Wissen und ohne sein Einverständnis ein gentechnisches Experiment ausführen wollten, das nicht nur die künftige Existenzgrundlage seiner Farm, sondern auch die seines ganzen Dorfes bedrohen könnte.

Angestellte von Mahyco-Monsanto kamen regelmäßig, um die Bt-Baumwolle mit Kunstdünger und Pestiziden, einschließlich starker Insektizide, zu versorgen. Trotzdem wurden die Pflanzen vom Baumwollkapselkäfer befallen, also von dem Schädling, gegen den Bt-Baumwolle angeblich immun sein soll, aber auch von anderen Schädlingen wie der weißen Fliege. Trotz des starken Einsatzes von chemischen Düngemitteln, dessen Ablagerungen sich noch heute auf dem Feld erkennen lassen, wuchsen die Bt-Pflanzen nur schlecht und erreichten gerade einmal die Hälfte der Größe der herkömmlichen Baumwollpflanzen auf den benachbarten Feldern.

Erst jetzt erkannte Basanna, daß seine erstaunlich schlechte Baumwolleart die nächstjährige Ernte des ganzen Gebiets verdorben und dieses genauso nutzlos wie sein eigenes Feld gemacht hatte. Er begann auch zu erkennen, daß er unwissentlich an einer illegalen Handlung beteiligt war, eine Baumwolle auf den Markt zu bringen, deren kommerzielle Nutzung noch nicht genehmigt war. Daher teilte er den Zorn der Landwirte der ganzen Region und stimmte der Verbrennung der Baumwolle zu.

Neben der Minderwertigkeit der Baumwolle hatte die Menschen dieser Region empört, daß keine einzige Sicherheitsmaßnahme von Mahyco-Monsanto durchgeführt wurde, beispielsweise die Einrichtung einer Pufferzone um die genmanipulierte Baumwolle zur Verhinderung der Biopollution oder der Bau eines Zaun um das Feld. Das hat auch zu Bedenken bei vielen Umweltschützern außerhalb von Indien geführt, die zuvor in England auf eine beinahe eingetretene biotechnologische Katastrophe hingewiesen hatten.

Nach Berichten der britischen Zeitung Mail On Sunday vom 25. Oktober 1998 mußte eine gegen Herbizide resistent gemachte Rapsölaussaat vernichtet werden, nachdem sie sich auf benachbarte Felder ausgebreitet hatte. Man befürchtete, daß sich ohne eine Überprüfung daraus eine neue Züchtung eines Superweizens, der sich mit normalen Chemikalien nicht bekämpfen läßt, mit verheerenden Auswirkungen für die britische und selbst die europäische Landwirtschaft hätte entwickeln können.

Bislang vollzog sich die erste Serie der Verbrannte-Erde-Proteste gegen Monsanto auf friedliche Weise. Beim ersten Mal kam es jedoch zu einem Vorfall. Ein lokaler Repräsentant der BJP, der jetzt an der Macht befindlichen fundamentalistischen Hindu-Partei, versuchte die Aktion zu unterbrechen und stellte das Recht der KRSS in Frage, die von Monsanto gepflanzte Bt-Baumwolle zu verbrennen. Er wurde von einer Schar von Protestanten aus dem Feld geschleppt. "Wir wollen nur gewaltfreie direkte Aktionen", betont Prof. Nanjundaswamy, der Präsident der KRSS. "In diesem Kontext bedeutet Gewaltlosigkeit, daß wir alle nicht genetisch veränderten Lebewesen achten sollen, wozu auch Polizisten und die Menschen gehören, die für diese transnationalen Unternehmen arbeiten."

Den Protestierern gibt das Wissen einen großen Antrieb, daß sie nicht alleine sind. Man setzte das Internet ein, um Informationen zu vermitteln, was in Indien geschehen ist. Auch eine Mailingliste (pga-ge@gn.apc.org) wurde eingerichtet. In dieser Hinsicht könnte Monsanto mit einem größeren Konflikt konfrontiert werden, als man dort denkt. Wie bei dem Mai-Abkommen zu Beginn dieses Jahres hat sich das Internet als Werkzeug für den gemeinsamen Kampf erwiesen.

Im Unterschied zu vielen anderen, die an dieser Stelle den "revolutionären" Aspekt der neuen Medien preisen und dann unter den Krämpfen des elektronischen Durchfalls leiden würden, sind die Menschen, die an der Spitze der KRSS stehen, praktischer und nüchterner. "Wir wissen, daß die Beendigung der Biotechnologie in Indien uns nicht viel nützen würde, wenn sie in anderen Ländern weiter gedeiht, da die von ihr ausgehenden Gefahren nicht an den Grenzen anhalten", sagt Nanjundaswamy. "Wen wir richtig auf der globalen Ebene handeln und unsere Arbeit koordinieren, dann können diese Aktionen ein großes Problem für das Überleben dieser Unternehmen an den Aktienmärkten darstellen."

Monsanto unter Druck

Bis jetzt hat die Strategie funktioniert. Da der kommerzielle Erfolg von Monsanto meist illusionär ist, konnte der Druck eine Wirkung ausüben. Monsanto mußte kürzlich einen Wertverlust von 30 Prozent bei seinen Aktionen erleiden. Das war die Folge einer Reihe von Ereignissen während der letzten Jahre: Die Investition von einer Milliarde US-Dollar in rBGH wurde von Finananzanalysten als Mißerfolg beschrieben, da es auch nach vier Jahren größter Bewerbung offiziell nur bei vier Prozent Milchkühen zur Anwendung kam; die Monsanto Calgene Flavor-Saver Tomate wurde wegen des Widerstands der Verbraucher und Produktionsfehlern 1996 wieder vom Markt genommen; Monsantos gesamtes kanadisches Saatgut des genetisch veränderten Ölrapses mußte wegen "technischer Schwierigkeiten" 1997 wieder zurückberufen werden; die Hälfte der Bt-Baumwolle von Monsanto in den USA wurde 1996 vom Baumwollkapelkäfer befallen, was zu Schadensersatzklagen von aufgebrachten Landwirten führte; der Roundup Ready Baumwolle ging es 1997 nicht viel besser mit Kapselschäden und -deformationen, die zu weiteren Gerichtsprozessen führten; irische Behörden veröffentlichten US-EPA-Dokumente, die enthüllten, daß Roundup-resistente Zuckerrüben in großen Mengen eingingen, nachdem sie mit Roundup besprüht wurden; in den USA fand Monsanto negative Aufmerksamkeit durch die Anklage von Landwirten wegen der Aufbewahrung des patentierten, herbizidresistenten Roundup Ready Sojabohnensaatguts; und in Brasilien unterband ein Richter zeitweise die Versuche Monsantos, die Erlaubnis von Landwirten für die Anpflanzung von Roundup Ready Sojabohnen zu erhalten.

Zu all dem fügt sich eine wachsende Abneigung der Öffentlichkeit gegenüber genetisch veränderten Substanzen. Andauernde Probleme bei der Werbung und Vermarktung nehmen im ganz Europa zu, da Felder mit genetisch veränderten Getreidesorten zu zentralen Angriffspunkten des Protestes geworden sind. Mehr und mehr Supermarktketten versuchen inzwischen, nicht genetisch veränderte Produkte zu erhalten, während Organisationen wie Greenpeace, Friends of Earth, Global 2000, European Farmers Coordination (CPE) und das Genetic Engineering Network ständig für Presseberichte über Unternehmen wie Monsanto und negative Aufmerksamkeit sorgen.

Natürlich sollte man die Taktik der verbrannten Erde in Indien nicht unterschätzen. "Wir haben eine spezifischere Botschaft für all jene, die in Monsanto investiert haben", sagt Nanjundaswamy: "Sie sollten ihr Geld wieder abziehen, bevor wir es zu Asche werden lassen."