Der CIA kämpft um die wahre Kultur

In "Wer die Zeche zahlt" beleuchtet Frances Stonor Saunders die Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes während des Kalten Krieges

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Der Siegeszug des American Way of Life, unsere Vorliebe von Pop, Coke und McDonald, all das ein Werk des CIA? Ganz so weit reicht die These der englischen Schriftstellerin Frances Stonor Saunders dann doch nicht, führt ihre Dokumentation "Wer die Zeche zahlt", doch nur bis in das Jahr 1966. Damals deckte die New York Times eine Reihe von Geheimoperationen der CIA auf, die unter das Stichwort des Kalten Krieges der Kulturen fielen.

Der CIA hatte massiv und mit hohem finanziellen Aufwand versucht, die kulturelle und intellektuelle Elite Europas nach 1945 zu beeinflussen. Dabei ging es nicht allein um den Kampf gegen den Kommunismus, der sich weltweit auszubreiten drohte, sondern es wurden ebenso Ideen einer europäischen Einigung verbreitet, zudem sorgte sich die CIA im Ausland um ein positives Bild Amerikas als eine große Kulturnation. Mochte die Agitation Ende der sechziger Jahre ein Ende gefunden haben, ihre Wirkung war wohl von längerer Dauer.

Die Vorgehensweise des CIA war dabei strikt dialektisch, man lernt schließlich vom Feind. Die Agentur setzte daher nicht auf die alten rechten Kämpen, sondern nahm die Linke ins Visier. Die Renegaten, ehemalige Kommunisten also konnten, so war die Überlegung, jene Kollegen überzeugen, die noch nicht um die Niedertracht des Kommunismus wussten. Tom Braden, eine der zentralen Figuren der CIA sollte das später so formulieren: "Die Linken waren im Europa der fünfziger Jahre die einzigen gewesen, die sich darum scherten, den Kommunismus zu bekämpfen."

Und man wurde dieser Gruppe am ehesten habhaft, indem man Parallelstrukturen zur sowjetischen Kominform aufbaute. So entstand der "Kongress für kulturelle Freiheit", als Zentrum eines dichten Geflechtes von Institutionen und Zeitschriften, darunter in Deutschland "Der Monat", in Frankreich "Preuves" und als internationales Flaggschiff der britische "Encounter". Doch die Arme des CIA und seiner Genossen reichten weit, bis nach Arabien, Afrika und Indien, aber auch bis vor die eigene Haustür. Denn mit dem "Amerikanischen Komitee für kulturelle Freiheit" fand der Kongress auch in den USA einen Ableger, der CIA verstieß damit gegen geltendes Recht, das ihm Aktivitäten im eigenen Land untersagte.

Das Geschäft des kulturellen Kampfes war eines auf Gegenseitigkeit. Denn im Kongress fanden zwei Parteien zusammen, die ein gemeinsames Ziel verfolgten. Der CIA musste sich nicht auf die Suche nach Verbündeten machen, diese boten sich selbst an. Denn viele europäische Intellektuelle hatten ein starkes, auch finanzielles Interesse an der Zusammenarbeit mit dem CIA, auch ihnen galt es, die angeblich bedrohte kulturelle Freiheit zu verteidigen. Zudem betrieben sie gerne eine private Form amerikanischer Außenpolitik fernab der Niederungen und Widrigkeiten des politischen Parketts. Wegen dieser Freiwilligkeit war das Projekt wohl so erfolgreich, denn anders hätte der CIA nicht derart weittragend in Europa agieren können, wie es Saunders schildert.

Der Geheimdienst konnte sich hinter seinen zahlreichen Institutionen, Vereinen und Publikationen unsichtbar machen und so seine Tätigkeit verschleiern. Viele Schriftsteller und Journalisten ahnten wohl nicht, aus welcher Quelle ihre Informationen stammen, für wessen Blatt sie schreiben. Sogar die Herausgeber des "Encounters" wussten eine Zeitlang nicht, wer ihr eigentlicher Auftraggeber und Finanzier war. Denn die Finanzierung, ebenso wie die Organisation des Projektes lief indirekt, die CIA errichtete in USA eine Reihe von Scheinstiftungen oder bat so renommierte wie die "Ford-Foundation" um Unterstützung und Mitarbeit, damit das Geld nach diversen Umwegen endlich sein Ziel erreichte.

Und Geld war da, denn die CIA verfügte über die sogenannten Gegenwertfonds, geheime Mittel von etwa 200 Millionen Dollar pro Jahr, die ein Nebenprodukt des Marshallplans waren. Von diesem Geld wurden Leute wie der Schriftsteller Arthur Koestler finanziert, eine Hauptfigur zu Beginn des Projektes, oder der Komponist Nicolas Nabokov, der als Impresario das Konzertleben Westeuropas mitprägte. Aber auch Namen wie der der Philosophin Hannah Arendt oder des Schriftstellers André Gide tauchten gelegentlich auf und bei vielen lässt sich die Frage, ob sie sich bewusst oder unabsichtlich vom CIA haben korrumpieren lassen, nicht mehr beantworten.

Das Finanzierungsgebaren des CIA aber brachte das Projekt zu Fall. Zuvor noch hatte der Geheimdienst erfolgreich die Attacke Joseph McCarthys und seines Untersuchungsausschusses abwehren können, dem die offensichtliche Anbändelei des CIA mit Linken zuwider war. Doch im Zuge der Gerüchte über Putschversuche und politische Attentate, die in den Sechziger über die CIA aufkamen, wurden auch ihre anderen Aktivitäten ins Visier genommen. Die Konten des Geheimdienstes waren offen zugänglich und sein Spiel mit den Stiftungen konnte daher leicht nachvollzogen werden. Doch es war der CIAler Tom Braden, der alles in einem Artikel für die Saturday Evening Post öffentlich machte. Manche munkelten damals, im Auftrag seiner ehemaligen Arbeitgeber, damit sich der CIA so ein für alle Male von der Angelegenheit befreien konnte.

So kämpfte der CIA für Demokratie und künstlerische Freiheit und das mit Mitteln, die zuhöchst undemokratisch waren. Des öfteren gar nahm das Vorhaben die Züge einer doktrinären Ideologie an. Das aber passte in die Zeit. Mit ihrer detailreichen Schilderung der Milieus, in denen der CIA agierte, gelingt es Francis Stonor Saunders, in ihrem Buch en passant ein vielfarbiges und stimmiges Sittengemälde der fünfziger Jahre zu zeichnen. "Wer die Zeche zahlt..." ist daher auch eine kurzweilige Studie über die Korrumpierbarkeit von Intellektuellen und Künstlern geworden. Nur gelegentlich hat sich die Autorin wohl im Dickicht ihres Materials und des Geflechts der CIA verloren, weshalb das Buch stellenweise chaotisch und ungeordnet wirkt.

Saunders, Frances Stonor: Wer die Zeche zahlt. Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. Siedler Verlag. 478 Seiten. DM 49.90