Von der Nordsee zu den Sternen

Radio Caroline: Der Piratensender von 1964 ist nach 37 Jahren immer noch höchst lebendig

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Der damals 27-jährige Ire Ronan O'Rahilly ärgerte sich in den frühen 60er Jahren, dass keine Radiostation die Platten der neuen Bands spielen wollte, die er entdeckt und in seinem kleinen Plattenlabel verlegt hatte. Nicht die staatliche BBC, und auch nicht das private Radio Luxemburg, dessen Sendezeit bereits von den großen Plattenfirmen gebucht war. Andere hätten nun über die Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen und der Musikbranche im Speziellen gewettert und wären danach wieder zum Tagesgeschäft übergegangen. Nicht so Ronan O'Rahilly. Er sagte sich: Wenn ich mit meinen Platten nicht in die existierenden Radiosender komme, dann muss ich eben einen eigenen Sender aufmachen!

Radioschiff Ross Revenge

Nun war Privatfunk Anfang der 60er außerhalb der Enklave Luxemburg undenkbar. Allerdings endete die britische Hoheitszone nach 3 Meilen im Meer, die Reichweite von Funkwellen dagegen keineswegs. Damit war der Seesender Caroline geboren, der seit dem 29. März 1964 von teilweise ziemlich abwrackreifen Schiffen mit dafür umso stolzeren Antennenmasten der englischen Jugend zeigte, was Radio wirklich sein konnte. Radio Caroline war der Trigger der "Swinging Sixties". Heute arrivierte Bands wie Status Quo oder die Rolling Stones wurden über Radio Caroline bekannt.

Ein Radioschiff brachte London zum Swingen

Natürlich ließ die englische Regierung sich diesen Radiospaß nicht lange gefallen, zumal die Idee rasch Nachahmer fand und sich bald ein halbes Dutzend Radioschiffe auf See befanden: man erweiterte die Hoheitszone auf 12 Meilen und verbot den Betrieb von Seesendern von englischem Boden aus. Am Stichtag, dem 14. August 1967, schalteten alle anderen Piratensender wie beispielsweise Radio London (heute noch in DJingels verewigt) ab. Nur Caroline sendete weiter und musste von da an aus dem Ausland mit Lebensmitteln, Platten und Mitarbeitern versorgt werden. Versorgung aus England war mit hohen Strafen belegt - ein Fan (John Jackson-Hunter) wurde gar gerichtlich verurteilt, nur weil er einen Radio-Caroline-Aufkleber an seinem Auto hatte!

Plattenarchiv und Aufenthaltsraum auf der Ross Revenge

Das große Geld konnte so nicht mehr gemacht werden, aber Ronan O'Reilly ist ein Mensch, der nicht aufgibt. Dabei blieb Caroline nichts erspart: 1980 sank das langjährige Radioschiff Mi Amigo und 1989 wurde das neue Schiff Ross Revenge schließlich in internationalen Gewässern, also außerhalb der Hoheitszonen, gewaltsam von englischen und niederländischen Behörden geentert und die Sendeanlage kurz und klein geschlagen. Nun hatten sich also die Gegner des Senders zu Piraten gewandelt.

Da zu diesem Zeitpunkt längst alle finanziellen Reserven aufgebraucht waren, die Gesetze noch einmal verschärft wurden und auch das Senden aus internationalen Gewässern verboten, war die Seesenderzeit von Caroline nun wirklich vorbei. Doch man sendete nach wie vor Jubiläumsprogramme und stundenweise Shows über andere Stationen auf Kurz- und Mittelwelle.

Wiedergeburt auf Satellit

In 1998 ergab sich dann eine ganz neue Möglichkeit: European Klassik Rock (EKR) sendete 24 Stunden Rockmusik vom Feinsten in Stereo über den Astra-Satelliten 1C und vermietete Sendezeit. Caroline kaufte sich am Sonntagnachmittag ein und wurde so auch für die hörbar, die beispielsweise in Südbayern nie im Einzugsbereich der Seesender gewohnt hatten.

Caroline-Diskjockey Mark Stafford vor seiner MD-Bibliothek im Satellitenstudio Maidstone

EKR war ein ehrgeiziges Projekt von Peter Leutner, Mitarbeiter eines Satelliten-Uplink-Betreibers. Er hatte dazu einen vorher unbenutzten Ton-Unterträger eines englischen Werbe-Fernsehsenders (TV Travel Shop) benutzt. Da er das Sendestudio im Gebäude der Uplink-Firma einrichtete und auch für den Satellitenkanal fast nichts zahlen musste, schien das Projekt finanzierbar, sobald EKR auch einmal eine lokale Lizenz und damit Werbekunden bekäme - an europaweitem Satellitenradio ist die Werbewirtschaft nicht interessiert. Zur lokalen Lizenz kam es jedoch nie, und Ende 1999 war Peter Leutner finanziell am Ende. Er schloss EKR und damit war zunächst auch Radio Caroline off air.

Nach einigen Monaten hatte Caroline jedoch den Satelliten-Uplink-Betreiber dazu überredet, ihnen das nun brachliegende Studio nebst Satellitenkanal stundenweise zu vermieten - ein 24-Stunden-Betrieb lag außerhalb der finanziellen Möglichkeiten. Man begann mit Samstag und Sonntag und kaufte später noch die Abendstunden in der Woche hinzu. Viele Diskjockeys des gescheiterten EKR machten nun bei Caroline mit - einige davon waren auch früher auf einem der Caroline-Radioschiffe gewesen. Allerdings mit einem Unterschied: heute ist Caroline für alle ein Hobby, denn für Gehälter reicht das Budget leider nicht. Der Sender finanziert sich aus Hörerbeiträgen, in Deutschland kann man ab 13,50 Mark im Monat offizieller Unterstützer von Caroline werden.

Die letzte Krise von Radio Caroline ist noch nicht lange her: Die englischen Satelliten-TV-Sender des Sky-Pakets sind inzwischen alle auf digital umgestellt und die analogen Ausstrahlungen werden abgeschaltet. Ende März diesen Jahres war auch der TV-Travelshop und damit Radio Caroline an der Reihe. Ein neuer Satellitenkanal musste her - zu normalen Konditionen nicht finanzierbar. Innerhalb eines Monats konnte der Stationsmanager Peter Moore jedoch mit einer im gleichen Gebäude beheimateten polnischen Uplink-Firma einen Vertrag über einen digitalen Astra-Kanal abschließen. Damit konnte man das vorhandene Studio nach leichten Umbauten weiter benutzen und auch weiterhin die hohen Kosten für eine Standleitung vom Studio zum Satelliten-Uplink sparen. Radio Caroline ist nun auf Astra 1G, ebenfalls 19,2° Ost, im polnischen UPC-Direct-Paket zu hören - und das seit vielen Jahren das erste Mal wieder 24 Stunden am Tag. Zum Empfang reicht ein üblicher Digital-Satellitenempfänger (es darf auch die Premiere D-Box sein) und eine auf Astra ausgerichtete Antennenschüssel.

Satellit: ASTRA 1G
Position: 19.2° Ost
Transponder: 73
Frequenz: 11,876 GHz
Polarisation: horizontal
Symbolrate: 27500
FEC: 3/4
Audiopid: 111
SID: 20613

Die meisten Satellitenempfänger finden Radio Caroline allerdings automatisch nach Start des Suchlaufs und benötigen all diese Angaben gar nicht. Wer keine Satellitenschüssel aufstellen darf oder jetzt einfach sofort wissen will, wie das Programm klingt, kann Radio Caroline auch über Internet hören: "Listen live".

Hinweis: Obige Angaben galten im Jahr 2001, stets aktuelle technische Daten zum Empfang von Radio Caroline finden sich hier.

Wo sonst kann man eine Radiolegende nicht nur im Museum besichtigen - das Radioschiff Ross Revenge gibt es immer noch und es wird von den Fans instand gehalten -, sondern auch live hören?

Mehr Informationen über Radio Caroline finden sich auf der Website von Dr. Martin van der Ven www.radiocaroline.de, von der auch die gezeigten Bilder stammen.