EVASYS Experience

Der künstliche Körper oder: Wie nahe ist das einfache Festhalten persönlicher Daten mit der Bildung von Identität verwandt?

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Eva Wohlgemuth wollte schon immer etwas tun, was noch niemand zuvor gemacht hat. Mit dem Bodyscan war sie nun tatsächlich die erste Künstlerin, die einen solchen 3D Ganzkörperscan durchführen ließ. Das geschah Freitag den 7. Februar 1997 in Monterey, Kalifornien, bei der Firma Cyberware.

Die Motivation zum Scan enstand aus Evas langjährigen Systemarbeiten zur Definition von geografischen Orten. In ihren prätechnischen Arbeiten erstellte Wohlgemuth mit Andreas Baumann und anderen konzeptuelle Raumskulpturen, Locationsculptures, bei der Objekte auf der Oberfläche der Erde nach einem konstruierten Zusammenhang verteilt wurden. Diese Arbeiten von 1989-1995, nun im Web gezeigt, waren auch Teil der diesjährigen documenta X Webkunstauswahl.

Ein Location Sculpture Element aus System V auf den Osterinseln, 1991

Von der Oberfläche der Weltkugel erschien es naheliegend auf die Oberfläche der eigenen Haut zu kommen. Eva versucht in dieser Stufe nachzuvollziehen, was es bedeutet einen Ort zu definieren. Am interessantesten erschien es, auf der eigenen Hautoberfläche Manipulationen durchzuführen. Dies geschah in Form von sieben einzelnen Punkten, die tätowiert wurden. Sie betrachtete die Haut als wäre sie die Weltoberfläche.

Linkes Schultertatoo, eine von 7 Tätowierungen zur persönlichen Ortsbestimmung auf Evas realem Körper.

Ich trug die Punkte eine gewisse Zeit mit mir herum und fragte mich, was sie bedeuten könnten. Ein guter Bekannter, der die Körperpunkte gesehen hatte, die ich auf der Webseite, der "Evasys Experience" einfach präsentiert hatte, erzählte mir von den neuen 3D Scannern, die auch gesamte Körper einscannen können.

Eva Wohlgemuth

DER SCAN

Cyberware ist eine erfolgreiche auf 3D Modeling spezialisierte Firma in einer ehemaligen Truckgarage. Sie befindet sich auf der Industriezeile von Monterey in Kalifornien, im Einzugsgebiet von Silicon Valley und ist die einzige Firma, die dieses Service anbietet. Normalerweise gehören die US Armee und Hollywoodfilmfirmen zu ihren Kunden. Prominente Gescannte sind amerikanische Astronauten, die Star Trek Crew, die Dinomodelle für Jurassic Park, Arnold Schwarzenegger (Terminator II) , Meryl Streep (Death Becomes Her) und Meg Ryan (Innerspace).

Insgesamt existieren weltweit nur fünf solche Scaneinheiten, die den ganzen Körper digitalisieren können.. Einer befindet sich in der Fugi Universität in Japan und drei befinden sich im Besitz des US Militärs. Der einzige öffentlich zugängliche ist jener in Monterey. Andere 3D Scannner können den gesamten Körper nicht in einem Durchgang aufnehmen. Dass dies in nur 17 Sekunden möglich ist, wird von der Firma als wesentlicher Durchbruch bezeichnet. Die enormen Mengen von Daten werden mit Laseroptik Abtastung in einer Zeiteinheit aufgenommen, die auch ein Mensch wirklich stillstehen kann.

Der Scanner besteht aus einer kreisförmigen Plattform, die von vier an den Seiten angeordneten Scanmodulen umgeben ist. Die Module bewegen sich vertikal, von oben nach unten und Laser tasten das mit kalibriertem Licht ausgeleuchtete Objekt, die Körperoberfläche, exakt in 17 Sekunden ab. Objekte bis maximal 2,20 Metern können gescannt werden. Die Ergebnisse können sofort betrachtet werden.

Die Oberfläche meines Körpers wurde in 25000 Punkten erfasst. Das ergibt ein Datenfile, das immer drei Koordinaten zu jedem Punkt in einer Ziffer mit 8 Kommastellen beschreibt. Beim Bodyscan wurde mein Körper rein als Hülle erfasst, im Gegensatz zum Visible Human Project, wo einzelne Körperscheiben einer Leiche digitalisiert wurden.

Eva Wohlgemuth

Vom Scan als Ausgangspunkt entstanden verschiedene Stufen der Verarbeitung. Über ein 3D Programm wurden Punkte als (Wireframe) Drahtgittermodell dargestellt. Jeder der Wireframeknotenpunkte ist grundsätzlich manipulierbar. In der nächsten Stufe wurde das Drahtgittermodell mit Oberflächenstrukturen bezogen. Fell, Holz, Marmor und Plastik von vorgefertigten industriellen Softwareanwendungen testete Eva in spielerischer Weise in einer Mischung von Faszination und Technikbewunderung. Grundsätze des Renderings, Reflexion von Licht, Rechenmodi wie Raytracing und Phong Shading betrachtet sie als zeitaufwendige Spielereien.

"Körperansichten des Datensets mit Standard Plastikoberfläche"

DAS INNERE

Die Künstlerin Eva Wohlgemuth beschreibt ihr Projekt Bodyscan, das im September dieses Jahres für das Linzer AEC, Ars Electronica Center, Museum der Zukunft aufbereitet wurde. Die Daten ihres Körpers werden in "Humphrey" gespeist, ein Virtual Reality Ride Harnisch, in dem der Betrachter frei schwebend aufgehängt wird und über ein Headmounted Display, also einen Helm, die visuellen Daten eingespielt bekommt. Die Landschaft, durch die die Besucher nun während der diesjährigen Ars Electronica fliegen konnten, war die Körperlandschaft von Evasys.

In Linz wurde ein weiterer Schritt produziert, bei dem man durch diese Hülle in den Innenraum des Körpers vordringt. Die erste Phase in der man den Körper nur von aussen sah, war auch durch die zu bewältigenden technischen Schwierigkeiten bedingt.

Ich muss ja auch erst die Werkzeuge erlernen um dieses Datenset bearbeiten zu können. Wir haben einfach die ganze Inneseite ausgelegt mit einem transparenten Muster, wie eine Projektionsfläche auf der Information irgendwie sichtbar wird.

Eva Wohlgemuth

Ein SOLCHER ANSATZ ZUM KÖRPER
unterscheidet sich von der Idee der Verbesserung oder Erweiterung des Körpers, wie etwa das Anbringen einer dritten Hand (Stelarc), oder der Erregung gewisser Körperzonen (Stahl Stenslie) oder der Fernsteuerung oder Verschönerung (Orlane) von Körperteilen. Grundsätzlich ging es um die Erforschung von Einflüssen von aussen auf den Körper.

Die Benutzer der Bodyscan-Arbeit haben Einfluss auf den Körper, der zwar gesteuert ist, aber sie können direkt auf die Oberfläche einwirken, einzelne Punkte verändern. In kleinen Schritten ging es Eva darum, Grundlagen der Körper- und Identitätskonstruktion zu erforschen.

Einige Fragen sind mit der Erstellung der Datensätze sofort aufgetaucht. Es waren einerseits Fragen nach meiner Identität, anderseits der Blick auf das Studienobjekt Körper.

Eva Wohlgemuth

PERSONAL INFORMATION

Die Arbeit vermittelt momentan eine sehr ambivalente Haltung. Einerseits werden mit der Bodyscan Abwandlungen mit dem Titel "Personal Information" persönliche Geschichten erzählt, die fragwürdig sind. Sie müssen nicht unbedingt stimmen.

Teilweise nahm ich provokante Positionen ein, weil ich an der Reaktion der Benutzer interessiert war.

Eva Wohlgemuth

Eva meint hier mit "ich" die Positionen ihres Datenset, mit dem sie sich in dieser spontanen Aussage gleichsetzt. Hier lassen sich Überlegungen anstellen wie die Beziehung zwischen Darstellungen des Körpers und dem Selbst zustande kommt.

"Froschperspektive". Wenn der Körper, wie in der Installation im AEC, als grosse Landschaft aufgeblasen wird, kann er auch als Landschaft erfahren werden.

Die Personen im Kunstkontext sind zu schüchtern um zuzugeben, dass man dadurch in die Nähe des Körpes kommt. Im AEC Linz versuche ich ja den Gegensatz zwischen dem Körper und der Person, die ich bin, auszuspielen. Ich stelle dem Körperscan, der einem mechanistischen Prinzip folgt, skizzenhafte und unfertige Gedankenskizzen gegenüber, die ich nebelartig um den Körper herumfliegen lasse. Ich habe auch kleine Versuche gemacht, diesen Körper zu animieren, ihn in Atmung zu versetzen, was ich weiter entwicklen möchte, um diesen realistischen Körper auf die Spitze zu treiben - oder zu erforschen, wo es ansetzt, dass dieses Datenset als Identität erkannt wird.

Eva Wohlgemuth

ABSICHTEN

Ich habe meinen weiblichen Körper einfach nur (für den Scan) genommen weil er mein Körper war. Es war das naheliegendste. Ich hätte das auch mit einem männlichen Körper gemacht. Wegen dem weiblichen Körper habe ich keine eigene Theorie dahinter. Ich wurde bis jetzt auch in der Diskussion nicht darauf angesprochen.

Eva Wohlgemuth

Ihre Idee, was sie mit diesem Körper machen möchte, worauf es hinausläuft, sind Einflüsse von aussen aufzunehmen, die sie kristallisieren möchte, eventuell auch einfach in Ausdrucken.

Eva experimentiert mit künstlichen Körperoberflächen

Ich bin immer so vorgegangen, dass ich Dinge in allen Aspekten erforscht habe. Beim Bodyscan ging ich auf die Kälte, die Entfremdung, den mechanistischen Körper, diese glatte Oberfläche ein. Ich wollte diesen neuen Aspekt meines Körpers erforschen. Ein Ansatzpunkt, dass Arbeiten entstehen, ist nicht der, dass ich mich auf Theorien berufe, sondern die Arbeit in Stufen wachsen lasse. Ich glaube, dass Frauen spielerischer mit ihrem Körperbild umgehen, instabiler in der Definition ihrer eigenen Persönlichkeit sind.

Eva Wohlgemuth