Mit den Handys in den Geschlechterkampf

Evolutionspsychologen haben Singles in einem Pub beobachtet

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Viel zu wenig noch ist der Umgang mit den modernen Technologien und die Beziehung der Menschen zu ihnen Gegenstand der Forschung. Immer haben jetzt zwei britische Evolutionspsychologen einmal beobachtet, was Menschen in einem Pub so mit ihren Handys treiben, also jenen mobilen Kommunikationsgeräten, die für Jugendliche angeblich zum überlebensnotwendigen Statussymbol und zum Mittel geworden sind, mit dem Rauchen gar nicht erst anzufangen. Interessant an der Studie ist allein schon der Unterschied zwischen Männern und Frauen, was den Umgang mit dem allzeit mitgeführten Handy angeht.

Ganz aktuell ist die Studie von John Lycett und Robin Dunbar vom Centre for Economic Learning and Social Evolution allerdings nicht mehr. Vor einigen Jahren waren Handys noch teurer, daher gab es weniger Besitzer, was den Wert hob, falls man Eigentümer eines dieser Dinger war, die so praktisch klein sind, dass man sie überall mitnehmen kann.

Auf die Idee, das Handy-Verhalten von Menschen in einem Pub zu studieren, kamen die Wissenschaftler offenbar, als sie hörten, dass in Südamerika nach der Einführung von Handy-Kontrollen am Eingang zu Nachtclubs viele Fake-Handys zum Vorschein kamen: "Zur selben Zeit wurden in Großbritannien Handy-Imitate verkauft. Manche waren so perfekt, dass sie auch läuteten und aufleuchteten", sagte Lycett gegenüber der New York Times. Das eben schien auf die Bedeutung dieses Geräts hinzuweisen.

Die Wissenschaftler setzten sich also an 23 Abenden in dasselbe Pub, um die Besucher an den 13 Tischen heimlich zu beobachten. 54 Prozent aller Besucher während dieser Zeit waren Männer. Davon hatten 32 Prozent ein Handy dabei, während der Anteil bei den Frauen mit 13 Prozent wesentlich niedriger lag. Möglicherweise hatten aber auch mehr Frauen Handys in ihrer Tasche, ohne sie herauszunehmen, was aber für die Wissenschaftler schon einen Hinweis auf unterschiedlichen Umgangsformen der Geschlechter gibt.

Für die Frauen, so meinen sie, seien Handys einfach Geräte zum Telefonieren, während die Männer nicht nur stolz ihr Handy präsentieren, auf den Tisch legen, dauernd an ihm herumspielen, überprüfen, ob der Akku noch voll ist. Frauen würden die Handys nur dann aus ihren Taschen herausholen, wenn sie angerufen werden oder wenn sie selbst telefonieren wollen. Auffällig sei überdies gewesen, dass die Männer noch ausgiebiger und länger an diesen Geräten, die man vielleicht zu Freudschen Zeiten dann demgemäß einen Penisersatz genannt hätte, herumspielten, wenn sich die Zahl der Männer im Pub gegenüber den Frauen signifikant erhöht hat. Da entsteht Druck bei den Männchen, die Aufmerksamkeit der begehrten Weibchen durch Zuschaustellung entsprechender Signale herzustellen. Es geht also um das Balzen. Schließlich hatten sich die Wissenschaftler auch ein Pub ausgesucht, in das eher Singles aus höheren sozialen Schichten wie Rechtsanwälte oder Geschäftsleute gingen.

Der Bericht, den die Wissenschaftler in der Zeitschrift Human Nature unter dem Titel "Mobile Phones as Lekking Devices Among human Males" veröffentlicht haben, sieht ein Pub als einen Brunftplatz, bei dem die konkurrierenden Männer durch bestimmte Signale um die Frauen und deren Aufmerksamkeit kämpfen. Das ist nicht nur eine Eigenschaft von Männern in einem Pub in Liverpool, sondern das gibt es natürlich auch schon bei Tieren. Wenn Weibchen aktiv die Partnerwahl betreiben, kommt es häufig vor, dass sich die Männchen an einer bestimmten Stelle begeben, um dort mit entsprechendem Aussehen und Verhalten aus dem Haufen herauszustechen. Die Weibchen haben auf einem solchen Männchenmarkt oder einer solchen Balzarena, wie man Lek übersetzen könnte, natürlich bessere Vergleichs- und Auswahlmöglichkeiten. So kommen über Generationen hinweg Uganda-Wasserböcke immer wieder zu bestimmten Plätzen, so dass die Weibchen wissen, wo sie einen Paarungspartner finden können. Bei Fröschen finden zu dem Zweck die Männchenchöre an Tümpeln statt, oder bei einer Leuchtkäferart rotten sich die Männchen zu großen, synchron blinkenden Haufen zusammen, die kaum zu übersehen sind.

Jedenfalls, auf dem Männchenmarkt gewinnt derjenige, der auffälliger ist. Was diese Auffälligkeit ist, kann natürlich sehr verschieden sein und sich auch verändern. Ob Handybesitz bei Männern zu Paarungserfolgen oder auch nur zu ersten Flirterfolgen führt, konnten die Wissenschaftler allerdings nicht ausmachen. Möglicherweise hätte das ja die Männer schon interessiert, wenn sie sich schon immer mit den neuesten Geräten mit den meisten Funktionen ausrüsten und damit in den Kampf der sexuellen Selektion ziehen. Paradoxerweise werden dabei die Handys aber immer kleiner und weniger auffällig, was aber nur dazu führen könnte, dass an die Stelle der Telefongeräte die Freisprechsysteme rücken, was allerdings schon jetzt gelegentlich zu Irritationen führen kann, wenn da einer plötzlich irgendwas zu niemand Vorhandenem spricht. Das Handy am Ohr war da noch ein deutlicheres Zeichen für Telekommunikation.

Anders als manche der herkömmlichen Statussymbole ist ein Handy selbst nicht nur ein Signal für Geld, sondern zeigt auch an, wie begehrt man ist. Je dichter die Kommunikation, desto höher ist man in der sozialen Gruppe angesiedelt. Schließlich geht eines der Bücher von Dunbar um die Theorie, warum die Sprache bei den Menschen sich als Ersatz für das Kraulen gebildet haben könnte (Sprechen anstatt Kraulen). Und wer bei den Affen am meisten gekrault wird, steht ganz oben auf der Rangleiter. Kommunikatives Kraulen ist ganz offensichtlich neben einer gewissen Kontrolle durch Verbindlichkeit, die jederzeit aufrechterhalten werden soll und nicht abreißen darf, die wesentliche Funktion von Handys.