Update: Leugnung des Holocaust im Internet nach deutschem Recht strafbar

Der Bundesgerichtshof hat ein Grundsatzurteil getroffen, aber vieles bleibt noch offen

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über einen interessanten Fall zu entscheiden, der die Geltung des nationalen Rechts im Internet betrifft. Auch wer nach deutschem Recht seit 1994 strafbar den Holocaust auf einer Webseite im Ausland leugnet, kann nach dem Grundsatzurteil nun dafür in Deutschland haftbar gemacht werden.

Bei dem Fall ging es um den zwar deutschstämmigen, aber australischen Staatsangehörigen Fredrick Toben, der Direktor des Adelaide Institute in Australien ist und dort immer wieder die Massenvernichtung der Juden in den Gaskammern der Konzentrationslagern als Erfindung ausgibt. Er selbst bezeichnet sich nicht als Nazi, bewegt sich in den internationalen Kreisen der Holocaust-Leugner und gibt wie so viele aus diesen Kreisen vor, lediglich der Wahrheit nachspüren und empirische Beweise finden zu wollen, die bislang nicht vorliegen würden. Neben dieser Tätigkeit geht es dem Institut, dessen anderer Leiter ebenfalls ein deutschstämmiger Australier ist - seine Eltern sollen angeblich Juden und Schindler geholfen und deswegen ein Verdienstkreuz erhalten haben - um den Nachweis, dass für die stalinistischen Massenmorde entscheidend Juden verantwortlich gewesen wären. Die Moral der Geschichte, so der ehemalige Lehrer und promovierte Philosoph, sei, dass Juden nicht nur Opfer seien.

We are worried about the fact that to date it has been impossible to reconstruct a homicidal gas chamber. Even the Holocaust Museum in Washington informed us that it could not bring one across from Europe because there are none available. This is like a space museum without a rocket or the Vatican without a Crucifix. We are justifiably sceptical about the homicidal gas chamber claims.

Fredrick Tobler

Toben wurde 1999, als er auf einer Reise durch Europa ein Treffen mit dem Staatsanwalt ausgemacht hatte, der bereits gegen den ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet hatte, in dessen Dienstzimmer festgenommen und schließlich wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Rassenhass zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Eine Verurteilung wegen Volksverhetzung lehnte das Gericht jedoch ab, weil die Leugnung des Holocaust nicht in Deutschland gemacht worden sei und daher nicht nach deutschem Recht bestraft werden könne. Beim Prozess ging es auch um die Dokumente, die Toben ins Internet gestellt hatte. Der Richter kam damals zum Schluss, dass er nur für die Inhalte bestraft werden könne, die er über Briefe oder anderweitig auf materiellen Trägern nach Deutschland gebracht habe, während im Internet der Nutzer selbst aktiv werden und sich die Inhalte herunterladen müsse.

Das war natürlich eine eigenwillige Interpretation, schließlich müssen auch Briefe oder Bücher geöffnet und nach Inhalten durchsucht werden. Die Unterscheidung jedenfalls von Informationen je nach den Trägern - materiell wie Papier oder virtuell - ließe sich höchstens andersherum rechtfertigen, dass man Informationen auf materiellen Trägern mit Absicht mitbringen oder versenden muss, während Informationen im Web schlicht von jedermann, aber nicht von bestimmten Menschen, beispielsweise deutschen Bürgern, abgerufen werden müssen. Natürlich hat Toben wie so viele, die einer Verschwörungstheorie anhängen und unabhängig davon, wie stark er mit der rechten Szene auch über die Leugnung des Holocaust hinaus ideologisch zusammenhängt, die deutsche Gerichtsbarkeit durch das Herbeiführen eines Treffens mit dem Staatsanwalt provoziert - und durch die Besuche in Deutschland bei Deckert oder Mahler deutlich gemacht, wo seine politischen Sympathien liegen. Es trifft jedenfalls keinen Falschen.

"Stellt ein Ausländer von ihm verfasste Äußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 1 oder des § 130 Abs. 3 StGB erfüllen ("Auschwitzlüge"), auf einem ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, so tritt eine zum Tatbestand gehörende Eignung zur Friedensstörung (Erfolg im Sinne des § 9 Abs. 1 3. Alternative StGB) im Inland ein."

Gleichwohl hat der 1. Strafsenat in Karlsruhe das Urteil des Mannheimer Gerichts wohl zu Recht und nachvollziehbar korrigiert. Tobens Texte auf der Webseite des Adelaide Institute, die auf einem Server in Australien liegt, seien weltweit abrufbar und geeignet, "öffentlichen Frieden" hierzulande zu stören. Der "tatsächliche Eintritt einer Friedensstörung" ist nicht notwendig, sondern ein "abstraktes Gefährdungsdelikt". Weil also die Texte hier gelesen werden und eine Wirkung entfalten können, könne man behaupten, dass die Tat in Deutschland begangen werde. Das BGH schränkte diese Fernwirkung ausdrücklich auf den Autor ein, der "seine eigenen volksverhetzenden Äußerungen ins Internet stellt", aber dennoch ist diese Begründung interessant, denn sie hieße ja andererseits, dass die pure Möglichkeit eines "Erfolgs" des Tatbestands in Deutschland allein dadurch zustande kommt, dass Deutsche nicht von diesen Inhalten ausgesperrt werden.

Der § 130 StGB zur Volksverhetzung spricht von Schriften mit den verbotenen Inhalten, die nicht öffentlich verbreitet, ausgestellt, abgeschlagen, vorgeführt oder "sonst zugänglich" gemacht, einer Person unter 18 Jahren angeboten, überlassen oder zugänglich gemacht oder hergestellt, bezogen, vorrätig gehalten, angeboten, angekündigt, angepriesen, ein- oder ausgeführt werden dürfen. Auch über den Rundfunk dürfen solche Inhalte nicht verbreitet werden. Jetzt also steht an, genauer zu definieren, was es heißt, derartige Inhalte öffentlich oder einer Person unter 18 Jahren zugänglich zu machen.

Würde der Autor beispielsweise eine Warnung anbringen, dass die Inhalte der Webseiten in Deutschland den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen und deswegen von deutschen Bürgern nicht aufgerufen werden sollten, wäre die Frage, ob damit die geforderte Zugänglichkeit noch erfüllt wäre. Oder würde es reichen, dass die Besucher der Webseite erst einmal auf einem Formular eintragen müssten, welche Staatsangehörigkeit sie haben, wobei die Deutschen dann ja leicht zu blockieren wären, wenn sie denn wahrheitsgemäß antworten?

Das Urteil setzt sich insofern von dem Yahoo-Urteil des französischen Gerichts ab, weil nicht der Provider verantwortlich gemacht wird, sondern der Autor (Das französische Yahoo-Urteil gilt für alle Nazi-Inhalte). Dieser also müsste dafür sorgen, dass deutsche Bürger nicht die Seiten mit der "Auschwitzlüge" sehen dürften. Es wäre interessant zu wissen, ob der BGH der Meinung ist, dass auch eine nicht perfekte Lösung, wie sie durch die Identifizierung der IP-Adressen und deren geografische Zuordnung möglich ist - im Yahoo-Prozess gingen die Experten von einer Erfolgsrate zwischen 70 und 80 Prozent aus - ausreichend wäre, um straffrei in Deutschland einreisen zu können. Zugänglich wären überdies derart blockierte Inhalte für Deutsche, die schnell einen Account bei AOL oder einem anderen internationalen Provider nehmen, sich bei einem Provider im Ausland einwählen oder einen Anonymisierungsdienst verwenden. Aber wäre dafür noch ein Anbieter von in Deutschland verbotenen Inhalten verantwortlich zu machen? Und interessant wäre auch die Klärung der Frage, ob ein Autor auch dann strafbar wäre, wenn die Inhalte zwar nicht von Deutschen in Deutschland, aber von diesen beispielsweise in den USA eingesehen werden können. Es gibt also wahrscheinlich noch viel zu tun, um die nationale Gesetzgebung im Internet zu realisieren.

In Australien wurde Toben übrigens von der Menschenrechtskommission nach einem dreijährigen Verfahren aufgefordert, die Texte, die Juden diffamieren und den Holocaust leugnen, vom Netz zu nehmen (Leugnung des Holocaust im Internet).