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Zwei neue Internet-Portale zur Kunstgeschichte

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"Durch den Einsatz elektronischer Medien kann das Fach Kunstgeschichte zu einer Verbesserung neuer Kommunikations- und Publikationsformen beitragen", heißt es auf der kürzlich geschalteten Webseite von www.arthist.net Die formell an der Forschungsstelle Politische Ikonographie ansässigen Initiatoren sind aber nicht die einzigen Kunsthistoriker, die das Internet neuerdings für den Forschungsaustausch einsetzen: Auch die im Aufbau befindliche Seite www.portalkunstgeschichte.de versucht, die kunstgeschichtliche Community zu erhöhter Online-Kommunikation anzureizen.

Als wollten sie dem hartnäckigen Vorwurf der Behäbigkeit, demzufolge die Kunstgeschichte ihre Medienkompetenz längst an neue Bildwissenschaften und Visual Studies abgetreten habe, entgegentreten, gehen die Macher der beiden Portale nun fast zeitgleich in die Offensive. "Die Kunstgeschichte hat in den letzten Jahrhunderten Methoden zur Analyse von Kunstwerken entwickelt, die heute auf ein wesentlich erweitertes Verständnis von Bild anwendbar sind. Oftmals ist sich die Kunstgeschichte ihrer Kompetenz nicht bewusst und wenn wir ihr Selbstverständnis stärken können, wäre das sehr willkommen", bestätigt die ArtHist-Redakteurin Iris Mahnke diesen Eindruck.

Im Zentrum der Bemühungen steht bei beiden Webseiten die Internationalität: Während Arthist ein "internationales Portal der Kunstgeschichte" sein will, versteht sich das Portal-Kunstgeschichte als "einheitliche internationale Plattform für kunstgeschichtlich relevante Themen". Bescheidenes Ziel von www.portalkunstgeschichte.de, das vom Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften Weimar initiiert und realisiert wurde, ist es, zumindest zur "ersten Adresse für Kunsthistoriker im deutschsprachigen Raum" zu werden. Bisher beschränkt sich das inhaltliche Angebot jedoch auf einen tagesaktuellen Nachrichtendienst. Die vielversprechenden Rubriken "Buch+Medien" und "Forschung" (hier sollen in Zukunft relevante Projekte präsentiert werden) sind noch in Bearbeitung - die Fortschritte lassen sich in einem aufschlussreichen Änderungsprotokoll nachlesen.

Was die Interaktion betrifft, ist www.arthist.net augenscheinlich weiter. Redaktion und Beirat setzen sich aus VertreterInnen verschiedenster nationaler und internationaler Institutionen (vom Karlsruher ZKM bis zur Universität Princeton) zusammen - und auch für die externe Kommunikation ist gesorgt. Denn www.arthist.net soll nicht nur ein Portal mit endlosen Linklisten (die gibt es zwar auch), sondern vor allem ein "interuniversitäres, öffentliches, nicht-kommerzielles Kommunikations- und Publikationsorgan" sein. Die Mailing-Liste "H-ArtHist" und ein Webforum, in dem die Diskussionen der Mailing-Liste dokumentiert und archiviert werden, bilden deshalb die Kernkomponenten der Seite. Doch obgleich man "das herkömmliche Feld der akademischen Forschung" verlassen möchte, bedarf es für die Teilnahme an den Diskussionen der redaktionellen Erlaubnis: Ein Fragebogen klopft den Stand der wissenschaftlichen Karriere ab. Im Gegensatz zu vielen anderen Online-Foren werden die akademischen Auswahlverfahren hier also fortgesetzt, das Netz somit zum erweiterten Seminarraum. Immerhin kann man seine Beiträge, vorausgesetzt sie sind erwünscht, auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch verfassen. Trotzdem: Gerade weil www.arthist.net mit einem "weitestmöglichen Begriff der 'Kunst'" arbeiten und so "die Bedeutung der bildlichen Tradition westlicher Kultur für eine gemeinsame visuelle Umwelt kritisch untersuchen" will, wäre es doch ratsam, auch außerakademische Experten des Visuellen (Webdesigner, Filmkritiker, freelancende Netztheoretiker etc.) einzuladen. Die neuen Forschungsergebnisse, die sich ArtHist-Redakteurin Iris Mahnke zu Fragen der technischen Reproduzierbarkeit, des elektronischen Verschickens von Bildern und zu Copyrightproblemen erhofft, könnten so sicherlich befördert werden. Bleibt also zu hoffen, dass sich die beiden Portale um mehr kümmern als um "Beruf+Karriere" (so der Titel einer Rubrik auf www.portalkunstgeschichte.de). Ihre Stellen kann sich die Wissenschaftsgemeinschaft ruhig weiter offline zuschustern. Im Netz hingegen sollte Akademia seine Portale weit öffnen, nur so lässt sich die "Verbesserung neuer Kommunikations- und Publikationsformen" tatsächlich erreichen.