Robotfisch mit Froschmuskeln

Wissenschaftler arbeiten daran, Motoren für Prothesen, Roboter oder Exo-Skelette durch Muskelgewebe zu ersetzen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Schon vor Jahren wurden die ersten Cyborg-Insekten vorgestellt (Cyborg-Insekten), die sich aus der Ferne steuern lassen sollten. Seitdem gab es auf dem Feld der Verschmelzung von Maschinen mit Lebewesen einige Fortschritte. Nanobiotechnologen konnten Biomotoren für Nanomaschinen bauen (Biomotoren für Nanomaschinen), andere Wissenschaftler haben einen Roboter entwickelt, der von Nervenzellen aus dem Gehirn eines Neunauges gesteuert wird(Tiercyborg oder "künstliches Tier"). Am MIT hat man einen Robotfisch realisiert, der nicht mehr von einem Motor, sondern von den Muskeln eines Frosches bewegt wird.

Frösche haben in der Medizin nichts zu lachen. An ihnen trainieren die künftigen Ärzte ihre Fähigkeiten, Körper zu zerlegen. Immerhin gibt es dafür auch schon virtuelle Frösche. Aber die Amphibien standen auch mit am Beginn der Entdeckung der "tierischen Elektrizität" führte. Bekanntlich war der italienische Arzt Luigi Galvani nach Beobachtungen an Zitterrochen 1780 auf die Idee gekommen, vom Körper abgetrennte Froschschenkel mit dem Überschlagen elektrischer Funken zum Zucken zu bringen. Berühmt wurde schließlich sein Froschschenkelversuch, bei dem er zeigte, dass die Muskeln schon reagieren, wenn sie nur mit zwei verschiedenen, miteinander verbundenen Metallen in Kontakt kommen.

Galvanis Entdeckung der "tierischen Elektrizität" trug zwar dazu bei, dass man die elektrochemischen Elemente und schließlich die elektrischen Phänomene an Muskeln und Nerven erforschte, aber bislang dachte man nicht daran, auch Roboter durch biologische Muskeln zu bewegen, die elektrisch stimuliert werden.

In der Abteilung für Biomechatronics am MIT haben Hugh Herr und Bob Dennis, der an der University of Michigan lehrt, einen auf der Oberfläche von Wasser schwimmenden, 12 Zentimeter langen Roboter gebaut, der - zumindest für einige Zeit - von Froschmuskeln angetrieben wird. Im Roboterkörper - B1 - befindet sich, wie New Scientist am 24.2.2991 berichtet, vor dem Wasser geschützt, ein Mikroprozessor, der elektrische Impulse zu den an den beiden hinteren Seiten des runden Körpers angebrachten Muskeln sendet. Sehnen führen von den Muskeln an die Spitze (den "Kopf") und an das Ende (den "Schwanz"), so dass der Fisch bzw. Frosch sich durch Schwänzeln fortbewegt. Der Roboter kann gestartet, angehalten, nach links oder rechts gesteuert werden und bewegt sich recht flott mit einer Maximalgeschwindigkeit von 60 Millimeter in der Sekunde. Ernährt werden die Muskeln von Glukose, die sich im Wasser befindet (Film, der den sich bewegenden Roboter zeigt. Vorsicht: über 2 Mb!).

Künstliche Sehne zwischen künstlichen Muskelzellen, Foto: R.G. Dennis und P. Kosnik

Die Muskeln halten allerdings nur sieben Stunden ohne die Verbindung mit dem Körper durch. Hugh Herr denkt daran, zur besseren Versorgung eine Art Bauch anzufügen. Wenn die Muskeln größer würden, wird es noch problematischer. Dann müsste eine Art Zirkulationssystem in Analogie zu Blutbahnen die Glukose zu den Muskelzellen pumpen. Herr arbeitet an sich an künstlichen Gliedmaßen, beispielsweise an künstlichen Beinen und an zweibeinigen Robotern, sieht aber einige Vorteile, wenn diese nicht durch Motoren, sondern durch wirkliche Muskeln bewegt werden könnten. Künstliche Glieder können sich nicht ihrer Umgebung, etwa der Bodenbeschaffenheit, anpassen. Ohne Motoren können sie auch nicht aktiv Kraft ausüben - und sie sind laut. Natürliche Muskeln können sich hingegen an die Umgebung anpassen, sie können sich selbst regulieren und bis zu einem gewissem Grad auch sich heilen.

Natürlich sind Muskeln von Fröschen nichts für Prothesen. Um dauerhafteres Muskelgewebe zu erhalten, züchtet Bob Dennis Muskelgewebe aus Muskelstammzellen. Zum Wachsen werden sie durch elektrische Stimulation gebracht, was die normalerweise von den umgebenden Zellen ausgehenden Signale ersetzt. Aufgrund der erfolgreichen Technik hat einer seiner Studenten vor kurzem die Firma Cell Based Delivery gegründet. Mit einem zum Patent angemeldeten Bioreaktor sollen hier unterschiedliche Muskelgewebe durch unterschiedliche elektrische Stimulation gezüchtet werden. Diese künstlich aufgezogenen Muskeln, genannt "Myooide", können immerhin schon ein paar Monate überleben und aufgrund elektrischer Impulse bewegt werden, aber ihre Kraft ist noch wesentlich geringer als die von normalem Muskelgewebe (Film, der ein sich kontrahierendes Myooid zeigt).

Künstlich gezüchtete Muskelzellen

Primär dienen diese Muskelgewebe auch erst einmal der medizinischen Forschung, so dass beim Testen von Substanzen an Muskelgewebe weniger Tierversuche gemacht werden müssen. Zumindest ist dies ein Teil des Geschäftsplans. Ansonsten wird die patentierte Technik ImPACT (Implantable Protein FACTory) angeboten, mit der sich gentechnisch veränderte Muskelzellen herstellen lassen, die man in den Körper einpflanzt, um bestimmte Proteine als Wirkmittel abzugeben. Bob Dennis denkt allerdings auch noch weiter und könnte sich vorstellen, dass die künstlich gezüchteten Muskelzellen mit ihren Proteinen auch als Nahrung dienen könnten. Allgemein sieht er jedenfalls ein profitables Geschäftsfeld, schließlich besteht der erwachsene menschliche Körper fast zu 40 Prozent aus Muskeln. Dennis ist daran interessiert, Muskel- und Nervenzellen gemeinsam züchten zu können, die elektrische Stimulation der Muskelzellen zu verfeinern, Sehnen künstlich zu züchten und eine Art künstliches Blutsystem zur Versorgung zu entwickeln.

Das von Dennis und Herr am MIT durchgeführte Experiment mit dem Roboterfisch geht allerdings in eine andere Richtung. Finanziert wird es von der Darpa, was die durch Muskeln angetriebenen Roboter zumindest potenziell als militärisch interessant zeigt. Das hängt wiederum damit zusammen, dass mechanische Motoren zwangsweise Geräusche machen, während wirkliche Muskeln auch für Roboter eine leise Fortbewegung ermöglichen. Möglicherweise ist die Darpa an dieser Forschung, so New New Scientist, auch im Rahmen der Entwicklung von Exo-Skeletten interessiert, die sie fördert, damit die körperliche Leistungsfähigkeit der Soldaten erhöht werden kann. Vorerst aber bleibt der Roboter mit Froschmuskeln erst einmal ein skurriles Produkt der technischen Einbildungskraft.