Mit URL-Blocker gegen MP3-Server

Die Musikindustrie will MP3-Piraten auf den Index setzen.

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Die Wunderwaffe der Phonowirtschaft gegen sinkende Umsatzzahlen hört auf den Namen "Right Protection System". Mit Hilfe einer Black List soll so der Zugang zu illegalen MP3-Files gesperrt werden können. Zensur habe man allerdings nicht im Sinn, es gehe allein um den Kampf gegen die Piraterie.

Die sinkenden Umsatzzahlen im Musikgeschäft führt der Bundesverband der Phonographischen Industrie vor allem auf die um sich greifende MP3-Piraterie und weniger auf ein schwaches Konsumklima zurück. Gegen die mit Raubkopien vollgepumpten Rechner geht die Lobbyvereinigung im Inland bereits gezielt vor. Die wilden Serverfarmen im Ausland ­ vor allem in Rußland wollen die Surftrupps des Verbands MP3-Kolonien mit über 200.000 "schwarzen" Titeln ausgemacht haben ­ sind dagegen in der Regel durch Briefe aus Deutschland nicht abzustellen. Deswegen hat die hiesige Landesgruppe der Industrial Federation of the Phono Industry nun ein Tool angekündigt, mit dem die unbeugsamen "Piratensender" aus dem Datennetz ausgestoßen werden sollen.

Wunderwaffe URL-Blocker

"Wir haben einen Weg gefunden, den Zugang zu einzelnen Servern direkt sperren zu lassen", verkündete Peter Zombik, Vorsitzender der Geschäftsführung des Bundesverbands, am Mittwoch auf dem Internationalen Medienforum Berlin-Brandenburg. Bisher hätten die Provider immer behauptet, dass eine solche Lösung nicht praktikabel sei und sogar die Politiker von diesem Mythos überzeugt. Der Prototyp des "Right Protection Systems", den die Sprecher der Musikindustrie gestern in Hamburg nach eigenen Aussagen Vertretern aus verschiedenen Ministerien ­ von der Wirtschafts- über die Technologie- bis zur Wirtschaftsverwaltung ­ vorstellten, beweise aber das Gegenteil.

Technische Einzelheiten des URL-Blockers gab der Verband bisher nicht öffentlich bekannt. "Die Lösung müsste bei Internetprovidern implementiert werden", verriet Dietmar Schlumbohm vom Referat für Technologie und Zukunftsfragen des Verbands nur. Man sei noch in Verhandlungen mit den unterschiedlichsten Parteien und sich natürlich bewusst, welche Brisanz ein solches System habe. "Die Gefahr, in die Zensurecke gedrängt zu werden, ist groß", fürchtet Schlumbohm. Es gehe aber weniger um Zensur als vielmehr um die Verfolgung eines eindeutigen Tatbestandes, nämlich der Copyrightverletzung. Keineswegs wolle man die Lösung auch selbst den Providern verschreiben, sondern strebe die Einbettung des Systems in einen rechtlichen Rahmen an.

Auf die Betreiber des DECIX, des zentralen Datenaustauschspunkts im deutschen Internet, ist die Vertretung der Phonowirtschaft allerdings schon zugekommen. "Es gibt ein Angebot zur Kooperation", berichtet Harald Summa, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Internet-Wirtschaft, eco Electronic Commerce Forum, der die geheimgehaltene "Technik" des Blockers auch bereits kennt: "Da werden Listen mit URLs einzelner Server erstellt, auf denen illegale Dinge stehen." Jeder im Besitz dieser Listen befindliche Provider könne die Links dann unterbinden.

Was haben Phonowirtschaft und Jugendschutz miteinander zu tun?

Im Prinzip funktioniert das "Right Protection System" also ähnlich wie das Programm Cyberpatrol, einer der bekanntesten Versuche zum Jugendschutz im Internet. Auch die selbsternannten "Cybersherrifs" durchsuchen zunächst das World Wide Web nach Hardcore- oder Kinderpornographie und bauen die "handerlesene" Liste mit Links in ihre Software ein. Die Zusammenstellung der URLs erfolgt notgezwungen unter größter Geheimhaltung, denn ist die Liste einmal "geknackt", verliert das Programm seine Funktionalität.

Die Jugendschützer lassen sich mit diesem Verfahren generell auf einen Kampf gegen Windmühlen ein: "Das ganze Netz ist damit nicht zu erfassen," bedauert Friedemann Schindler von Jugendschutz.net, und die Liste hinke dem schnellen Wachstum des Webs zwangsweise gewaltig hinterher. So seien momentan rund 40.000 Sites zensiert und etwa 7000 Sites ausdrücklich für kindertauglich erklärt worden. Die Größe des Internet liege momentan allerdings bei weit über einer Million Homepages. Ein weiteres Problem sei, dass die Sexanbieter ihre Server sehr oft wechselten und mit den Verfolgern Katz und Maus spielten.

Wird es den MP3-Jägern ähnlich ergehen wie den Jugendschützern? Gegen das Verschieben von Inhalten sei das von der Phonowirtschaft erarbeitete System ebenfalls unbrauchbar, meint Summa. Wen ein MP3-Anbieter allerdings jeden Tag die Adresse ändere, sei das kriminelle Handeln offensichtlich und man könne leichter strafrechtlich gegen den Betreiber vorgehen. Im Prinzip seien die Sperrvorschläge der Musikindustrie von Providerseite schon umsetzbar. Anders als im Fall der Sperrung der extremistisch angehauchten Zeitschrift Radikal bzw. des gesamten Servers des niederländischen Providers xs4all ist bei illegal kopierten Musikfiles auch nicht damit zu rechnen, dass im ganzen Internet Serverbesitzer den geblockten Inhalten Zuflucht gewähren.

Nationale Clearing-Stellen als Mautstellen im Cyberspace?

Das Problem sei aber grundsätzlicher und verlange nach internationalen Lösungen, meint Summa. So entstünden momentan Enklaven in Regionen wie den Bahamas, die digitale Produkte steuerfrei oder nur mit geringen Steuersätzen belastet verscherbelten. Die sich aus dem weltweiten Regulierungsdiskurs abzeichnende Tendenz gehe daher immer mehr in Richtung nationaler Clearingstellen für den E-Commerce. Dabei werde ein Clearingserver einer neutralen Stelle, die letztlich Notariatsfunktionen übernähme, zwischen Anbieter und Kunden geschaltet. Diese Instanz erhebe dann Steuern oder Lizenzgebühren für Urheber. "Die Alternative wäre eine generelle Bitsteuer", weiß der E-Commerce-Lobbyist, und die könne sich keiner wünschen.

Wo die Clearing-Server angesiedelt würden, sei noch unklar. In Deutschland könne es beim DECIX sein, aber es seien auch andere Lösungen vorstellbar. Die USA hätten die Mautstellen eh am liebsten alle jenseits des Atlantiks zentralisiert, das gelte es zu verhindern.