Internetmissbrauch

Die Angstellten gehen surfen, die Arbeitgeber haben immer bessere Überwachungssoftware

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Der vernetzte Arbeitsplatz bietet auch Ablenkungen neuer Art. Laut einer Studie von Livingstone Group könnte das nicht mit der Arbeit verbundene Surfen im Web, wie der Sydney Morning Herald meldet, der australischen Wirtschaft jährlich eine Milliarde Dollar oder täglich 3 Millionen Dollar kosten, da dadurch die Arbeitsproduktivität sinkt.

Australien ist eines der Länder mit den meisten Internetnutzern im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, wobei die Hälfte von diesen am Arbeitsplatz einen Zugang zum Internet besitzt. Doch mit den Vorteilen einer zunehmenden Internetbenutzung entstehen auch, wie Jack Andrys von Livingstone meint, "Kosten des Missbrauchs". Der größte Verlust entstünde für die Arbeitgeber durch die sinkende Arbeitsproduktivität, wenn die Angestellten sich im Web vergnügen. Wenn alle 2,75 Millionen Australier, die während der Arbeit das Internet benutzen, eine Stunde am Tag im Web surfen würden, so könnte das der Wirtschaft eine Milliarde Dollar kosten.

Die Zahlen sind also weitgehend nur eine Hochrechnung aus Fallstudien, die die Firma durchgeführt hat. Bei einer Firma mit 180 Angestellten habe man so festgestellt, dass durch "Internetmissbrauch" monatlich eine Mannwoche verloren gehe. Für diese Fallstudien wurde die Überwachungssoftware WebSpy verwendet, was schon darauf hinweist, dass die Studie mit ihren Zahlen Werbung für den Markt der Überwachungssoftware machen will.

Eine Befragung der American Management Association aus dem Jahr 1998 hat ergeben, dass die Arbeitgeber in den USA, wo es nahezu keine rechtlichen Einschränkungen für die Überwachung der Angestellten am Arbeitsplatz gibt, offenbar reichlich Gebrauch von den neuen Möglichkeiten machen. 63 Prozent der Arbeitgeber überwachen so elektronisch ihre Angestellten und lesen Emails, kontrollieren Computerdateien und/oder überwachen die Internetnutzung. Und von 23 Prozent von diesen teilen ihren Angestellten nicht mit, dass und wie sie überwacht werden.

Die Software zum heimlichen Überwachen der Angestellten wird dabei immer perfider. Eben hat beispielsweise von der Firma WinWhatWhere die Version 2.0 des Investigator auf den Markt gebracht, der jede Aktivität auf einem Computer oder aller Computer in einem Firmennetz überwacht. Im "Stealth-Modus", realisiert durch "Silent Install", wird jeder Tastendruck und die Geschwindigkeit des Schreibens registriert. Dem Investigator entgeht so auch nicht, was ausgedruckt wurde. Der Name jedes geöffneten Programms wird festgehalten, überdies wann es geöffnet und wie lange es benutzt wurde. Jede Email wird heimlich an eine angegebene Adresse weitergeleitet. Festgehalten werden die aufgerufenen URLs, aber auch die Benutzung von Instant Messaging oder der Aufenthalt in Chaträumen.

Eigentlich wurde das Programm entwickelt, wie Richard Eaton, der Gründer und Präsident der Firma sagt, damit der Benutzer seine Arbeitsproduktivität selbst kontrollieren oder dass ein Systemadministrator Software- und Netzwerkproblemen nachgehen kann. Doch zu den Käufern gehören natürlich vor allem Unternehmen und Behörden wie Delta Airlines, Exxon, Ernst & Young, Lockheed Martin, das amerikanische Innenministerium oder das Department of Veteran Affairs. 70 Prozent der Software werden, wie Wired News berichtet an Firmen verkauft, die sie dauerhaft oder dann einsetzen, wenn sie glauben, dass Angestellte etwas machen, was sie nicht sollten. Doch auch andere haben Interesse an der Überwachungssoftware. Wie Eaton berichtet, würden den Investigator auch eifersüchtige Ehepartner einsetzen, um etwa zu kontrollieren, was der andere so in Chaträumen treibt.

Eaton selbst bekennt, dass die Überwachungssoftware dem Missbrauch Tür und Tor öffnet und ihr Einsatz in den USA gesetzlich geregelt werden sollte: "Wir sind bei diesem Problem hin- und hergerissen, weil wir nicht beabsichtigt hatten, ein Programm zu schreiben, das so eingesetzt werden würde." Wie die Software tatsächlich eingesetzt wird, ist auch für Eaton ein Geheimnis, denn die Verwender sprechen nicht gerne darüber. Auf diesbezügliche Anfragen an 450 Käufer bekam er jedenfalls nicht eine einzige Antwort.

Die amerikanischen Arbeitsnehmer sind der Überwachung bislang schutzlos ausgesetzt. Die Arbeitgeber müssen ihnen nicht einmal mitteilen, dass sie überwacht werden. Immerhin steht ein Gesetz in Kalifornien an, dass es dem Arbeitgeber zumindest verbieten würde, ohne Mitteilung an den Betroffenen Emails zu überwachen oder zurückzuhalten oder andere persönliche Dateien zu lesen.