Richter verschiebt Entscheidung im Verfahren über DVD-Kopierschutz

Schutz des Handelsgeheimnisses oder legitimes Recht auf Reverse-Engineering?

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Nach einer vierstündigen Anhörung gestern entschied Richter William J. Elfving, dass er über den Antrag der DVD-CAA, die Verbreitung von DeCSS zu verbieten, noch keine Entscheidung treffen kann.

Die Kläger beriefen sich dabei hauptsächlich auf den Schutz des Handelsgeheimnisses. Durch die Verbreitung von DeCSS, das durch Reverse-Engineering aus dem DVD-Verschlüsselungsmechanismus CSS gewonnen wurde, werde das Handelsgeheimnis des Rechteinhabers gebrochen.

"Welches Handelsgeheimnis?", sagt die Verteidigung, die in letzter Sekunde von der Electronic Frontier Foundation übernommen wurde. Die Verschlüsselung sei so schwach gewesen, dass sie ein 15-jähriger Norweger habe knacken können. "Das ist die Art von Geheimnis, das ein Kind erraten würde...und das Kind hat es erraten", zitierte Mercury News Rechtsprofessor Eblen Moglen von der Columbia University.

Die Anwälte zogen es in Zweifel, ob es nicht ein von vorneherein fruchtloses Unterfangen wäre, wenn die Gerichte jetzt einschreiten würden, da die Informationen bereits überall im Internet zugänglich sind. Die Klage der DVD-CAA richtet sich nur gegen eine geringe Anzahl von Individuen und in dutzenden Fällen gegen Unbekannt, wobei Betreiber von Sites mitverklagt wurden, die nur einen Link auf DeCSS-Download-Sites zur Verfügung gestellt hatten.

Die Verteidigung argumentiert damit, dass das Reverse-Engineering von CSS im Rahmen des LiVid-Projekts erfolgt sein, was für "Linux Video and DVD Project" steht, eine Anzahl von Programmen, die das Abspielen von Video und DVDs unter der Linux-Plattform unterstützen. Angeblich hat die DVD-CCA habe auf eine Anfrage der Linuxvideo-Entwickler für eine CSS-Lizenz nichteinmal reagiert, eine Behauptung, welche die Verteidigung noch durch Dokumente zu untermauern hofft. Es sei nichts anderes übriggeblieben, als sich das Wissen um verschiedene Teile der DVD-Technologie, darunter CSS, durch Reverse-Engineering verfügbar zu machen, schreibt Tom Vogt auf seiner Website, der zu den namentlich Mitverklagten zählt.

Eine weitere Klage durch die sieben größten Hollywoodstudios will ebenfalls die Verbreitung von DeCSS verhindern. Diese beruft sich weniger auf den Schutz des Handelsgeheimnisses als vielmehr auf den Millennium Digital Protection Act. Hier könnte sich der Fall zuspitzen, denn auch die Verteidigung zieht dasselbe Gesetz heran, um das Reverse-Engineering von CSS zu legitimieren, weil es aus Kompatibilitätsgründen zwischen verschiedenen Plattformen erfolgt sei.(siehe Filmstudios verklagen DVD-Hack-Websites

Unterstützer der Verteidigung haben inzwischen mit dem Verkauf von T-Shirts über das Web begonnen, um die Streitkasse der EFF zumindest ein wenig wiederaufzufüllen. Unter dem Slogan BAD (Become a Doe) lädt die Website dazu ein, sich selbst mittels T-Shirt zu einem der 500 anonymen bösen DVD-Kopierschutzcracker zu stylen. An der Oberfläche sieht der Fall derzeit ganz nach "Open Source gegen Industrie-Protektionismus" aus, doch für die erfolgreiche Durchsetzung von DVD könnte es noch einige weitere Stolpersteine geben, falls die bisherige Politik fortgesetzt wird. Viele DVD-User sind auch nicht gerade glücklich über das System der Regionalzonen, das z.B. das Abspielen eines Videos aus den USA auf einem in Deutschland zugelassenem Player unmöglich macht - außer natürlich der User weiß diese Sperre zu umgehen.

Richter William J. Elfving will nun alle Unterlagen nocheinmal sorgfältig studieren, eine Entscheidung ist bald, möglicherweise schon im Laufe des heutigen Tages zu erwarten.