Echelon gerät unter Beschuss

Französische Rechtsanwälte wollen gegen die britische und amerikanische Regierung einen Prozess wegen illegalen Abhörens einleiten

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Nachdem vor zwei Wochen über den Freedom of Information Act ein offizielles Dokument der NSA an die Öffentlichkeit gekommen ist, in dem erstmals der Name Echelon erwähnt wird (Erste offizielle Bestätigung des Echelonsystems), unter dem schon lange das weltweite Lauschsystem der amerikanischen, australischen. britischen, kanadischen und neuseeländischen Geheimdienste bei Kritikern bekannt ist, scheint nun auch in Europa der Widerstand gegen das mögliche Belauschwerden seitens der befreundeten Staaten lauter zu werden.

Schon vor zwei Jahren hat die STOA im Auftrag des Europäischen Parlaments einen Bericht über die vermuteten Grundlagen und Zwecke von Echelon veröffentlicht (STOA-Bericht von 1997, Abhören im Jahr 2000). Angenommen wurde hier, dass mit dem Lauschsystem unter der Leitung des amerikanischen Geheimdienstes NSA die weltweite, über Satelliten laufende Telefon-, Email-, Fax- und Telexkommunikation abgehört und nach bestimmten Namen und Begriffen durchsucht wird. Bei einer auf diesen Bericht erfolgten Anhörung weigerte sich der damals dafür zuständige EU-Kommissar Bangemann, auf dieses Thema näher einzugehen oder gar in den transatlantischen Gesprächen zu erwähnen, weil man "offiziell" nichts darüber wisse (Streit im Europäischen Parlament über Echelon). Offen wurden von den belauschten Staaten die befreundeten Regierungen nicht angegriffen, obgleich mit Echelon nicht nur Organisationen oder Politiker, sondern auch Unternehmen belauscht werden sollen. António Vitorino, als Mitglied der Europäischen Kommission zuständig für Justiz und Inneres, räumte erst letzte Woche noch ein, den STOA-Bericht gar nicht zu kennen (EU-Kommissar kämpft für Recht und Ordnung im Netz). Der STOA-Bericht ging davon aus, dass es sich bei Echelon zunehmend auch um ein Instrument der Wirtschaftsspionage handelt, das den der UKUSA-Allianz angehörigen Firmen Informationen über Betriebsgeheimnisse oder Angebote zukommen lässt.

Am 23. Februar wird jetzt nicht nur ein Ausschuss des Europäischen Parlaments die Berichte über das Echelon-System zum Thema haben (Echelon vor dem Europaparlament), sondern in Frankreich scheint man auch gerichtlich dagegen vorgehen zu wollen, wie die Times berichtet. Danach sollen französische Abgeordnete behaupten, sie hätten Beweise dafür, dass dem europäischen Airbus-Konsortium 1995 ein Vertragsabschluss in Höhe von über 10 Milliarden Mark entgangen sei, weil Boeing durch das Echelon-System von der NSA gewonnene Informationen über das Angebot erhalten habe und deswegen das Angebot unterbieten konnte. "Die Beteiligung Großbritanniens an der Ausspionierung seiner europäischen Partner für die USA und mit ihr", so zitiert die Times den französischen Abgeordneten Georges Sarre, "lässt ernsthafte und legitime Bedenken entstehen, weil dies einen direkten Interessenskonflikt in der EU schafft."

Angeblich wollen französische Rechtsanwälte im Auftrag von französischen Bürgerrechtsorganisationen die britische und amerikanische Regierung anklagen, französische Unternehmen, Diplomaten und Minister belauscht zu haben. Nach dem Rechtsanwalt Jean-Pierre Millet sei ein rechtliches Vorgehen gegen das Echelon-System in Frankreich möglich: "Die einfache Tatsache, dass ein Versuch gemacht wurde, Kommunikation abzuhören, verstößt gegen das französische Gesetz, unabhängig davon, wie die Informationen ausgewertet werden."