Cyber-Ökonomie

Die überraschende Rückkehr der Volkswirtschaft

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Der Begriff Volkswirtschaft impliziert, die Wirtschaft würde vom Volk gemacht. Oder sie würde für das Volk gemacht. Was stimmt heute wirklich? Fragen wir anders. Kann man sich ein Volk ohne Wirtschaft vorstellen? Oder kann man sich eine Wirtschaft ohne Volk vorstellen? Weltverbesserer und Idealisten werden ersteres bejahen bis bejubeln; Manager das zweite.

Unstrittig passiert derzeit letzteres. Zwischen Fusionen, Joint-Ventures, Management- und Unternehmenszusammenschlüssen, zwischen strategischen Allianzen und potentiellen Synergien ist kein Platz für das Volk. Zumindest nicht für diejenigen, die glauben, daß ihre Handgriffe an einer Maschine irgendetwas mit Wirtschaft zu tun hätten. Und auch nicht für diejenigen, die verzweifelt glauben, ihre Partei mache Politik für die Volkswirtschaft.

Viele unter uns glauben, es sei die Endzeit angebrochen. Kurz vor der Jahrtausendwende melden sich apokalyptische Ängste an, und das Marketing bereitet uns - optimistischer denn je - mit unzähligen Produktschöpfungen auf den Schritt ins 21. Jahrhundert vor. Derweil ist die berüchtigte Endzeit ein Akkord-Dogma von Schwarzmalern, fleißigen Kritikern und beflissenen Berufspessimisten. Selbige interpretieren die Veränderungsdynamik unserer Tage als de-romantische Vorboten einer Endzeit völlig falsch - es bricht vielmehr die Zeit des Erwachens an. Viele unter uns werden aus ihren lethargischen Träumen gerissen; sie werden in einer neuen Welt erwachen, die ganz und gar nichts mit der zu tun hat, wie unsere Assoziationsarchive sich sie so zusammenreimen.

Die volkswirtschaftlichen Seither-Definitionen haben per se keine Elementarrechte und Objektivitätsansprüche mehr. Die Gleichungen scheitern an der wachsenden Komplexität, und aus Definitionen und Klarheiten werden Fragezeichen.

Was passiert tatsächlich mit unserer Wirtschaft?

Unsere Markt-, Arbeits- und Lebenskulturen stecken mitten in einer neuen Evolutionswelle, wie sie etwa alle zweihunderttausend Jahre auftritt. Auch in punkto Evolution setzt der Homo sapiens sapiens neue Maßstäbe. Wir wandern in einen Ökonomie-Darwinismus, der von biologischen Systemen und natürlichen Ausleseprogrammierungen kaum zu überbieten sein dürfte. Nicht, weil die anthropogene Evolution in ihrer Tarnung als zivilisatorischer Fortschritt etwa intelligenter auftritt, sondern sie ist in Geschwindigkeit und Begleitängsten unerreicht.

Eine der größten Begleitängste ist die um den Verlust des Arbeitsplatzes. Arbeit ist schon lange nicht mehr das Synonym für regelmäßig bezahlte Leistung, sondern ein Begriff der Gegensätze. Arbeit verkörperte in Deutschland nie ganzheitliche Produktivität oder etwa Dienstleistungsmentalität - sie unterlag immer dem Diktat der Leistung, nie dem des Ergebnisses. Den Arbeiter am Band hat es nie gekümmert, wie sein Unternehmen Aufträge erhält. Den Büroangestellten hat es nie gekümmert, woher das Geld für das monatliche Gehalt stammt. Als die Diskussion um die Dienstleistungsgesellschaft aufkam, versteckten sich Arbeiter, Buchhalter und Manager hinter der Ausrede, sie hätten schließlich keinen direkten Kontakt zum Kunden. Ein brandgefährlicher Irrtum, wie sich zeigt. Allerdings werden wir uns mit der geforderten Dienstleistungsmentalität noch lange schwer tun: zum Ersten, weil wir glauben, jene gehöre in den tertiären Sektor - ein fataler Irrtum, denn alles was wir tun, ist Dienstleistung. Und zweitens sieht sich der Deutsche als Gewinner oder Verlierer, nicht jedoch als Diener. Das zeigt sich beispielsweise an der Bezahlung und der gesellschaftlichen Ächtung sozialer, wenig populärer Dienste. Allerdings wird der tertiäre Sektor nicht den gewünschten Zuwachs an Arbeitsplätzen bringen - die Gründe sind:

  1. Viele, die aus Unternehmen entlassen werden, machen sich selbständig, was letztlich nur eine Job-Verlagerung bedeutet.
  2. Dem Handel, der noch Personalpotentialität im Servicebereich hätte, fehlen derzeit der Umsatz und in Zukunft die Spannen, um neue Arbeitnehmer bezahlen zu können.
  3. Das gesellschaftliche Negativ-Bewußtsein über Dienstleistungsjobs, das diese als Jobs zweiter Klasse deklassifiziert und Dienstleistung zu einer Art Subkultur der Arbeit macht.
  4. Fehlende Flexibilitätsbereitschaft, und damit fehlende Evolutionskompetenz.

Unsere Arbeitskultur - das eigentliche Ergebnis der Wirtschaftswunderjahre - hat sich nie wirklich frei entfalten können. Sie hat sich in ihren guten Absichten selbst verfangen. Dabei wurden in den letzten Jahren monströse Regelungs- und Verwaltungsabhängigkeiten, aber auch Egoismen, nicht nur auf dem Papier, sondern auch in den Köpfen geschaffen, deren Zusammenbruch Deutschland an den Rand einer Revolte drängt. Der Sicherheitsanspruch des einzelnen auf geregeltes Einkommen, Vollarbeitszeit und soziale Abfederung ist weder finanzierbar, noch wettbewerbsfähig. Die Sicherheit in Zukunft ist das persönliche Potential sowie die Gabe, mit Unsicherheit produktiv umzugehen. Der Sicherheitsvertrag des Angestellten oder die Arbeitslosenversicherung sind, wenn überhaupt, nur noch minimal-marginale Begleiterscheinungen.

Die Gewinnsituation der Groß-Unternehmen bleibt weiterhin sehr gut; die Banken werden bei weiterer Finanzmittelbeschaffung der Unternehmen am freien Kapitalmarkt, an Macht in der unternehmerischen Wirtschaft verlieren. Die Unternehmensgewinne werden nicht in Arbeitsplätze investiert, sondern in die Produktivität. Sie bringt die wirkliche Rendite, und Maschinen sind im Vergleich zu Menschen unerreicht produktiver. Unser Vorsprung liegt einzig und allein in unserem geistigen Potential, wie etwa Phantasie, Kreativität etc. - Attribute, die zu meiner Schulzeit eher noch als störend empfunden wurden. Damit ist die Schaffung eines Arbeitsplatzes in Zukunft ein völlig individuelles Thema. Die wachsende Selbstverantwortung des einzelnen drückt sich in der bekannten Zukunftsangst aus: allerdings ist es nicht die Zukunft vor der wir Angst haben, sondern wir haben Angst vor uns selbst.

Cyber-Mania

Die Raffinesse der Kommunikationstechnologien beginnt einen neuen Ort zu erschaffen; einen freien Ort, einen, an dem alles möglich ist - sozusagen ein virtuelles Walhalla der weltweiten und distanzlosen Korrespondenz. Die Unabhängigkeit von Zeit und Ort durch die Tele-Revolution beschert uns die digitale Freiheit - allerdings mißt sich Freiheit erst an Grenzen.

Die Informationsgesellschaft - die wir bereits seit unserer Entwicklung sind - geht langsam zu Ende. Es entsteht die Ära der, wie ich sie nenne, Neuro-Nomaden. In Zukunft tauschen wir keine Informationen mehr aus, sondern fusionieren in virtuellen Acts. Objektivität ist dabei nur die Symbiose im Dialog oder in der Interaktivität. Die kommende Cyber-Welt ergänzt die Wirklichkeit, die wir nur körper-sensorische Realität nennen können.

Cyber ist damit die begriffliche Domäne einer neuen (Wirklichkeits-)Kultur. Und sie bedeutet nochmals einen kräftigen Individualitätsschub bei gleichzeitiger Entsklavung vom Diktum objektiver Datenmonarchie. Die selektive Aufmerksamkeit wird in Zukunft über den Wert von Informationen entscheiden. Es ist nicht mehr wichtig, ob eine Information richtig oder falsch ist, sondern ob und wie sie wahrgenommen wird - vergleichbar mit dem Wettbewerb in den Medien um Einschaltquoten. Im Cyber generieren wir neues Wissen einerseits aus uns selbst - Stichwort: Cyber-Phantasie - und andererseits aus der Fusion eigener Meinungsarchive und dem Wissens- bzw.- Linkangebot des Supergehirns Internet. Zudem bedeutet Mehr-Wissen auch mehr Nicht-Wissen, was bereits heute als Unsicherheit in der angeblichen Informationsgesellschaft diagnostizierbar ist.

Was bisher religiösen oder mystischen Dogmen vorbehalten war, erhält im Cyber-Zeitalter eine aktuelle Bedeutung: Wir erkennen, daß unser Verhalten aus einer physikalischen Autorität in einem Input-Output-Modell entsteht und nur gering mit unserer geistigen Fähigkeit zur Eigenkreation der Realität korreliert. Die Epoche der körperlichen Interaktivität geht zu Ende; darin kann der Homo sapiens sapiens nichts mehr lernen, dabei ist nichts mehr optimierbar - die körperliche Welt ist ausgereizt. Das Paradoxe in der Ära der Informationsherrschaft ist die Wiederauferstehung des Glaubens - allerdings nur im Sinne des Vertrauens in die individuelle Aufmerksamkeit.

Die Neuro-Nomaden erfüllen damit auch die Vision der Globalisierung. Denn die virtuelle Interaktions- und Dialogzentralität ist kein wirklicher Ort: sie ist imaginär; entsteht durch Vernetzung und Kooperation der globalen Tele-Synapsen, die derzeit heranwachsen.

Globalisierung ist eine der wirtschaftlichen Elementarkräfte, die die Wirtschaft wirklich verändert, im Gegensatz zu immer neueren Management-Methoden. Globalität bedeutet indes nicht Internationalisierung, wie manche glauben mögen. Nebst der latenten Gefahr einer Huntington'schen Auseinandersetzung der Kulturen - die unstrittig in Europa ausgetragen wird - müssen wir uns von weiteren Verliebtheiten trennen. In der Euphorie einer zusammenrückenden Welt gleich dem Bild von Bierzeltprotagonisten, die via Promille ihre Nächstenliebe entdecken, übersehen wir den Verlust des Exports und der Unterschiedlichkeit - Liebe macht eben blind. In globalen Märkten lauten die Formeln anders: globale Unternehmen bedienen globale Märkte, und diese globalen Märkte sind tatsächlich nur ein Markt, in dem jeder austauschbar ist. Daran wird und kann die politische Supervision Europa nichts ändern. Sie ist nur ein Schritt in der begonnenen Reise zu den ökonomischen Gesetzen des Millennium. Dieser Ausleseprozeß kann auch von Staatsbemühungen wie etwa Subventionen nicht aufgehalten werden. Die Welt benötigt geradezu einen Evolutionssprung.

Mobile Monopole

Das Innehaben eines Monopols suggerierte bisher immer eine begriffliche Bandbreite von unanfechtbarer Machtstellung bis Größenwahn. Wirtschafts-Monopolisten hatten das Charisma des Giganten abonniert. In Zukunft lautet die Formel für Größe anders: flexible Konzentration auf reduzierter Ebene. Bitte keine Mißverständnisse, denn Reduzierung bedeutet nicht mehr das Blasen zum Rückzug, sondern vielmehr sinnvolle Miniaturisierung. Unter sinnvoller Miniaturisierung versteht man etwa folgenden Management-Rat: "Sei so klein, um so schnell sein zu können, daß Du überall bist."

Wirtschaftliche Größe mißt sich heute nicht mehr an der Zahl der Angestellten, Vorstandssekretärinnen oder etwa der körperlichen Größe des Unternehmens. Waren Kunden und Geschäftspartner in Vergangenheit noch von imposanten Empfangshallen beeindruckt, so suggerieren heute überflüssige Prunk-Domizile dem Kunden nur noch verteilungsaktive Trittbrettkosten. Der Gigantismus in der unternehmerischen Präsenz verursacht eine Unmenge an Kosten, die der interaktive und hyper-kritische Kunde von morgen nicht mehr zahlen wird. Er wendet sich gegen jene weiche Kosten, die mit der Leistung, die er eigentlich haben will, nichts zu tun haben. Denken wir nur an Spesenkonten, Fuhrpark und Immobilien.

Die Virtualität der Wirtschaft ist also ein Evolutions-Schritt, bei dem körperliche Präsenz rudimentiert, die virtuelle Präsenz forciert wird. Diese Cyber-Wirtschaft hat den Vorteil, mobil und konzentriert zugleich zu sein, und man benötigt weder Körper, noch Größe, noch sonst etwas. Die Cyber-Firmen bilden mit ihren selbsttätigen, fraktalen Archiven ein globales Gehirn, eine Art Nervensystem, welches sehr fein, wie etwa Akupunkturnadeln, den Markt penetriert, aber für sich gesehen dennoch reduziert auftritt. Der zukünftige Markt wird demnach nackt sein; wir erleben sozusagen die Nudistizierung der Kalkulation. Das klingt nach Elemtarisierung der Ökonomie, Reduzierung der Wirtschaft bzw. deren Räume auf das Notwendigste - das jedoch jederzeit, rund um die Uhr, ohne Distanzen, verfügbar.

Die Virtual Economy ist demnach elementarer als die künstlich erzeugte Management-Wirtschaft, in der den Kunden beispielsweise nur Statistenrollen zugedacht worden ist. Die bisherige Wirtschaft mit ihren Eingriffen durch den Staat sowie den Strategien des Managements ist eine Scheinwirtschaft, ähnlich der bisherigen Pseudo-Globalisierung, die eine Ein-Drittel-Globalisierung darstellt, die erst global ist, wenn alle Beteiligten vernetzt sind. Dazu sind wir körperlich nie in der Lage - aber virtuell.

Kehren wir zum Begriff Volkswirtschaft zurück. Dieser entstand durch die erklärte Aufgabe, als elementarer Bestandteil des Volkes zu funktionieren. Deshalb ist zu fragen: Ist Cyber-Ökonomie Volkswirtschaft? Im Cyber gibt es zwar Citizens, aber kein Volk, sofern man noch den Begriff des Volkes nationalistisch und körperlich auffaßt. Ökonomische Systeme sind heute nicht mehr durch ein nationales Volk zu verstehen, sondern momentan - in einer Durchgangsphase - durch international geschlossene Management- und Unternehmenszirkel, weshalb die Wirtschaft zwar global, aber nur mit sich selbst agiert. Es fehlt noch der Raum, die Atmosphäre, um die Volkswirtschaft wieder neu zu bilden. Die Chance liegt in einer "begehbaren" Globalität, die die Zirkel des globalen Firmen- und Staatsmanagements durchbricht.

Virtualität als neue Natürlichkeit

Das bedingt einen radikalen Begriffs- und Visionswechsel für die heutige Generation - insbesondere für die, die bereits im Lebens- und Arbeitsprozess stecken und erkennen, daß die Träume einer kontinuierlichen Welt zerplatzen. Die Chance der Märkte liegt in ihrer Virtualisierung. Die Erfahrungswerte und Assoziationen der kommenden Generationen sind überwiegend digital bzw. virtuell. Tele-Präsenz reift längst zum neuen Persönlichkeitsradius heran. Allerdings ist Verdammnis die falsche Empfängeradresse, an die die Cyber-Kritiker mit Schlagworten wie Cyberphobie die technische Urbanisierung versenden wollen. Virtual Reality ist nichts neues, letztlich ist es anfänglich nur die Technik, die unsere biologisch-physikalischen Vorbilder täuschend echt zu simulieren vermag.

Noch simuliert die Cyber-Welt die Realität, allerdings sind Mobilität und Interaktionsmöglichkeit völlig anders als in der tatsächlichen Welt. Verbleiben wir in dieser Welt, so ist der uneingeschränkte und vor allem gleichberechtigte Zugang in einer globalen Welt nicht möglich. Die (körperlich-sensorische) Wirklichkeit ist unzulänglich, da sie nur für einen Teil der Menschheit tatsächlich im vollem Umfang erreichbar ist. Unsere Realitätsausschnitte sind viel zu begrenzt; das gilt insbesondere für die wirtschaftliche Realität. Gut zwei Drittel der Weltbevölkerung haben augenblicklich nicht einmal den Hauch einer Chance, an der Globalität teilzunehmen, ebenso wenig wie körperlich Behinderte.

Cyber-Ökonomie ist daher so etwas wie die Rückeroberung der klassischen Volkswirtschaft. Volk ist hier nicht mehr identisch mit Stammessippe oder Nationalstaat, sondern charakterisiert die Gleichheit - wenn auch das ihre Austauschbarkeit bedeutet - der interagierenden User, die elementarer Teil des Superorganismus Wirtschaft werden. Zudem hat das bisherige Marktmanagement (Marketing) den Markt im volkswirtschaftlichen Sinne als Marktplatz aus Angebot und Nachfrage aufgetilgt. Es gibt ihn nicht mehr. Dieser klassische Marktplatz wird in der Virtualität wiedergeboren. Dort geht es um das Grundsätzliche von Angebot und Nachfrage in einem uneingeschränkten Wettbewerb, der übrigens mehr ausgeglichene Wirtschaftsgesellschaften erschaffen wird, als dies die bisherigen Systeme vermochten. Hier geht es um die Interaktivität gleichberechtigter User, statt um monopolistische Fusionen. In der Cyber-Virtualität besitzt jeder Teilnehmer dieselbe Option zur Mobilität, was der bisherigen Wirtschaft und ihrer Beteiligten versagt bleibt. Auch dort werden sich Menschen mit Talent und Know-How durchsetzen - allerdings nur mit ihrer aktuellen Leistung, ohne Protektion. Bildung und Elitenbildung sind eine breite Option. Es ist, nebenbei gesagt, eine besondere Form der Arroganz, daß nur Abiturienten studieren dürfen.

Globalisierung läßt sich, wie angedeutet, nie durch Multikulturalität oder etwa Internationalisierung erreichen; im Gegenteil, die Folge ist eine Re-Regionalisierung, die sicherlich kurzfristig regionalen Anbietern Erfolge bringt. Das globale Volk ist ein virtuelles und mobiles Volk - die genannten Neuro-Nomaden. Und diese kommunizieren in einem freien Raum, sozusagen in einer entstehenden Zentralität durch die Interaktion von Dezentralitäten, und dabei erstellen sie die Basis für eine Ökonomie, die wir die wiedergefundene Volkswirtschaft nennen dürfen.

Endbetrachtung

Der Wirtschaftsraum der Cyber-Ökonomie hat selbst keine Dominanz (weil es ihn eigentlich nicht gibt!) wie etwa noch bei Nationalstaaten. Die bisherigen sogenannten Volkswirtschaften sind in Wirklichkeit Staatswirtschaften, weil sie der Staat repräsentiert, vertritt und zumeist subventioniert. Cyber-Ökonomie ist demnach so etwas wie ein Staatsstreich, denn sie setzt sich von staatlichen Paradigmen und Eingriffen ab.

Wenn der Staat seine klassischen Rollen verliert, ergibt sich automatisch die Frage nach seiner Berechtigung. Die Schwierigkeiten der Cyber-Wirtschaft liegen in der Installation eines global geltenden Cyber-Rechts sowie der Erhebung von Cyber-Steuern. Welche Staaten werden wie an den Transaktionen verdienen dürfen? Welche Leistungen bieten sie dafür? Staat und Recht müssen sich in einer überwiegend von Virtualität dominierten Zukunftswelt neu definieren. Die Befreiung der Wirtschaft von verschiedenen Kolonialmächten durch eine totale Liberaliserung der Märkte bedeutet aber auch einen historischen Wendepunkt, denn es gibt wenig Märkte, die auf eigenen Beinen stehen können. Andererseits könnten sich viele Unternehmungen erholen, fielen die Kosten der staatlichen Teilhaberschaft weg.

Die Befreiung der Wirtschaft von Management und Staat läßt die Frage nach deren Überlebensfähigkeit laut werden. Staat und Management haben als Wirtschaftsorganisatoren ausgedient; sie erhalten ihre Rollen vom globalen Cyber-Volk zugewiesen, entstehen sozusagen als begleitende Ergebnisse in einer globalen Vernetzung. Letztlich sollen Staat, Wirtschaft und Management dem Volk dienen. Oder?

Oliver W. Schwarzmann Zukunftsforscher Leiter des Instituts für Zukunftskonditionierung, Buchautor, 1. Vorsitzender des ZukunftsForums.