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Die architektonische Konzeption der EXPO 2000

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In wenigen Jahren wird Hannover eine Weltausstellung beherbergen. Von Seiten der Gesellschaft zur Vorbereitung und Errichtung der EXPO 2000 sieht man diese Weltausstellung als ein "... Signal am Beginn des dritten Jahrtausend ...", eine Chance für eine ökologisch beispielhafte Projektvorbereitung und -abwicklung. Am Thema "Mensch - Natur - Technik" soll diese Weltausstellung ihre Orientierung finden. Die "nachhaltige Entwicklung" (Sustainable Development/Agenda 21), die Schonung und Wiederverwertung von Ressourcen stehen im Mittelpunkt der EXPO-Planung.

Hannover besitzt ein vorhandenes Messegelände (ca. 100 ha) mit möglichen Erweiterungsflächen (ca. 70 ha). Dieser Standortvorteil, die Nutzung vorhandener Flächen, verhalf der Stadt Hannover, den Zuschlag für die Abhaltung der Weltausstellung zu bekommen.

Das Gelände

Durch die Verkehrserschließung, die unterschiedliche Bebauung und die verbleibenden Grünflächen, gliedert sich das Gelände der Expo in mehrere, voneinander getrennte Bereiche.

WebCam der EXPO2000

Der Messeschnellweg durchschneidet das Gelände in Nord-Südrichtung. Westlich des Messeschnellweges liegt, wie ein unregelmäßiges Viereck, das bestehende Messegelände. Die längste Seite des Vierecks, liegt direkt am Messeschnellweg. Dieses Viereck ist im Norden, Osten und Westen durch Pavillonbauten nahezu geschlossen, in der Mitte dieses U liegt eine kammförmige Zeile in Nord-Süd-Richtung, mit zwei flankierenden, sogenannten, "Grünfingern". Die bestehenden Hallen des Messegeländes werden Ausstellern zur Verfügung gestellt, die nicht in den Bau eines eigenen Pavillons investieren möchten.

EXPO2000 Gelände

Entlang der westlichen Grenze befindet sich ein weiterer "Grünfinger", der die Bebauung auf dem Pavillongelände West vom bestehenden Messegelände trennt. Hier werden temporäre Bauten errichtet, die nach der Expo wieder abgebrochen werden. Die Nachnutzung dieses Gebietes entspricht der derzeitigen Nutzung als Parkplatz der Messe. Weitere Pkw-Stellflächen und die Karlsruher Straße begrenzen das Expo-Gelände im Westen.

Gelände für die temporären Bauten

Südlich davon liegt die Haupterschließung für Fußgänger vom Bahnhof Laatzen im Westen, über die Allee der Vereinigten Bäume, die Fußgängerbrücke Mitte, über den Messeschnellweg, zur Expo Plaza und über die Fußgängerbrücke Ost zur Haltestelle der Stadtbahnlinie D, im Osten. Der Themenpark, gebildet aus vier Hallenbauten, liegt südlich der Haupterschließung in West-Ost-Richtung. Die Kronsbergstraße schließt das Messegelände im Süden ab.

EXPO-Plaza

Der östliche Teil des Weltausstellungsgeländes gliedert sich in drei funktionale Einheiten: die EXPO-Plaza, die Pavillons der "non-governmental-organizations", wie der EU oder der UNO, und die Pavillons des Gastgebers und der Nationen. Alle diese Gebäude werden dauerhaft errichtet, und sollen nachgenutzt werden. Die Konzeption für die Nachnutzung der EXPO-Plaza mit den angrenzenden Bauwerken existiert bereits. Danach werden die Arena mit 18.000 Sitzplätzen, das geplante Mulitplex-Kino und ein Musical-Theater in ihrer ursprünglichen Bestimmung weitergenutzt, das World-Trade-Center Hannover soll vor, während und nach der Weltausstellung als Hotel- und Bürogebäude fungieren, für den Deutschen Pavillon kann man sich eine Nutzung als "Akademie der Zukunft" vorstellen. Im Gespräch ist auch die Nutzung von einem der Gebäude als Design-Center. Für das übrige Gelände der Nationenpavillons haben die Verantwortlichen die Entwicklung von Nachnutzungskonzepten bereits in Auftrag gegeben. Im Gespräch ist eine Nutzung als Business-Park. Die Neue Laatzener Straße begrenzt das Weltausstellungsgelände im Osten.

Mehrere nachhaltige städtebauliche Maßnahmen begleiten die Vorbereitungen zur Expo innerhalb des Stadtgebietes von Hannover. Dazu zählen, unter anderem, die Umgestaltung des Ernst-August-Platzes, der Paserelle, des Platzes am Kröpcke, die Errichtung des Expo-Cafés, eine Neuordnung des Klagesmarktes, der Neubau der S-Bahn-Station Hannover Nordstadt und der Umbau des Zoo. Östlich des Weltausstellungsgeländes entsteht ein neues Wohngebiet, der Stadtteil Hannover-Kronsberg.

Verkehr

Eine besondere Bedeutung, auch auf kommunaler Ebene, fällt der öffentlichen Verkehrserschließung des EXPO-Geländes zu. Zusätzlich zur vorhandenen Erschließung wird die neue Stadtbahnlinie D, der neue ICE-Bahnhof Laatzen im Südwesten des Geländes und eine S-Bahn-Verbindung zwischen Flughafen und EXPO-Gelände gebaut.

Hallen

Den Standard für alle weiteren, noch zu errichtenden Hallen setzte, als Pilotprojekt, die, von Thomas Herzog + Partner errichtete Halle 26. Mit bedachtem Materialeinsatz wurde bei dieser Halle der Aufwand an Klimatisierung um 50% reduziert und der Tageslichteinsatz optimiert. Die Gebäudeform begünstigt die natürliche Belüftung und ermöglicht die Nutzung des diffusen Nordlichtes.

Seit langem bekannt sind die komplexen Zusammenhänge zwischen der Baukörperkonfiguration und dem themischen Verhalten von Gebäuden. Über die Suche nach geeigneten, angepaßten Baukörperformen entwickelten sich über einen langen Zeitraum viele Methoden zur passiven Klimaregulierung.

Ausschlaggebend für das günstige thermische Verhalten von Gebäuden sind zunächst mehrere Kriterien: der Standort des Gebäudes, seine Lage in Beziehung zu Topografie, Vegetation oder umgebender Bebauung, seine Höhenlage, die Gebäudeform und -orientierung, sein Volumen im Verhältnis zu seiner Oberfläche, die Art der Gebäudehülle (Fensteranteil) und die Art und das thermische Verhalten der Konstruktion.

Je nach der Lage und der Oberflächenbeschaffenheit, seinem Volumen und den jeweiligen Anforderungen an Temperierung und Belichtung, findet der Baukörper, im Wechselspiel der zeitweisen Hinwendung und der Abwendung zu den jeweiligen Energieströmen der Sonne und des Windes, seine optimale Form. Höchst unwahrscheinlich gelangt man dabei zu regelmäßigen Gebäude- und Bebauungsformen.

Bereits in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts experimentiert Alexander Klein mit neuen Bebauungsformen, die auf umfassenden Besonnungs- und Durchlüftungsanalysen beruhen. Le Corbusier entwirft die Maisons Alvéoles, durch zweigeschossige Loggien regelmäßig durchbrochene, mehrgeschossige Baukörper. Viele Gebäude der neuen Siedlungen der Zwischenkriegszeit erhalten offene Süd- und geschlossene Nordfronten. Der Gärtner Leberecht Migge entwickelt seine "südostorientierten, wachsenden Gartensiedlungen mit Glashäusern" , und El Lissitzky erweitert die mittlere Erschließung eines seiner Wohnbauprojekte zu einem sonnendurchfluteten, gebäudeklimatisch wirksamen Raum. Reformgedanken zum Wohn- und Städtebau, die zum Großteil nicht weiterverfolgt, oder sogar vergessen wurden.

Auf der Suche nach einer energetisch vernünftigen Baukörperform sind wir heute durch Computersimulation in der Lage, auch komplexe Stömungsvorgänge darzustellen, und die Wechselwirkungen mit der gebauten Form sichtbar zu machen.

EXPO-Turm von Osaka

Visionen des möglichen zukünftigen Lebens waren häufig zentraler Bestandteil vieler bisheriger Weltausstellungen. Zum Beispiel konnte der Besucher des "Futurama" der New York WorldŽs Fair 1939 in einer modellhaften Landschaft die vom Auto geprägte Stadt der Zukunft erleben. 1964/65 waren es bereits Städte in der Arktis und unter dem Wasser. Anläßlich der Expo 1967 in Montreal wurde als erste städtebauliche Maßnahme mit dem Habitat von Moshe Safdie ein nachhaltiges Beispiel zukünftiger Wohnformen realisiert. Analog zu den städtebaulichen Utopien von Yona Friedman, Frei Otto, Walter Jonas, Kisho Kurokawa, Paul Maymont, Paolo Soleri und vielen anderen, entwickelte sich die Konzeption der Expo 1970 in Osaka. Die Themenpavillons "Vergangenheit", "Gegenwart" und "Zukunft" erscheinen unter dem Superdach Kenzo Tanges als städtische Megastruktur.

Schwächen des städtebaulichen Konzepts

Die Pavillons

Zwischen den Haupteingängen Ost und West liegt, über vier Hallen verteilt, der Themenpark der Expo 2000 in Hannover. Hier sollen, auf ca. 100.000 m² Fläche, verschiedene, noch sehr unklare Visionen für das Leben im 21. Jahrhundert präsentiert. Zukünftige und vergangene Arbeitsformen stehen im Mittelpunkt des "house of unexpected work". Eine Darstellung der Auswirkungen der Globalisierung der Wirtschaft und das "Büro der Zukunft" finden sich in der "factory of existence". Neue Formen der Energieerzeugung, der "gläserne Mensch", Gesundheit, Seuchengefahren, die zukünftige Versorgung der Menschheit mit den lebensnotwendigen Gütern und das Überleben der Weltbevölkerung zwischen grenzenloser Mobilität und den Megacities des 21. Jahrhunderts finden in den Hallen des Themenparks ihren Platz. Als eine der Hauptattraktionen der Expo 2000 soll hier ein "Ausblick in die Welt des 21. Jahrhunderts" geboten werden, um "Mut zu neuen Wegen zu machen". Messen müssen wird sich die EXPO 2000 in Hannover mit anderen Großereignissen, beispielsweise dem in London geplanten Millenium Dome. Sieht man sich den Projektstand dort an, so könnte die deutsche EXPO mit ihren Visionen der Zukunft und ihrem architektonischen Konzept leicht ins Hintertreffen geraten.

Millenium Dome

Im Gegensatz zu den angedachten inhaltlichen Visionen des Themenparks erinnert die städtebauliche Anlage des Masterplans der Expo streckenweise an die von der Wohnbauspekulation getragenen, großen rasterförmigen Stadterweiterungen des letzten Jahrhunderts. Die Baukörper präsentieren sich nach den Himmelsrichtungen undifferenziert und gleichförmig. Lange, gleichförmige Achsen durchschneiden die Anlage, und lassen einen im Unklaren, ob sie für die zukünftigen Benutzer, oder nur zur Freude der Architekten und der Bauherren gezogen wurden. Die Gestaltung der Grünplanung erinnert an die Frage: "Was macht man mit einem verbleibenden Restraum ?" Es scheint, als begreift man das Grün als dekoratives Element, das man beliebig, aber kaum klimatisch wirkungsvoll einzusetzen vermag. Wie ein Außenbordmotor bleibt der Grünraum ein konzeptionell getrennter und deshalb nur dekorativer Bestandteil der Planung. Wollen wir beim Schiffsgleichnis bleiben, zeigt sich eine sinnvolle, integrative Planung im gleichberechtigten Zusammenfügen aller gestalterischen Elemente zu einem funktionstüchtigen Segelschiff.

An diesen Punkten zeigt sich eine konzeptionelle Schwäche des städtebaulichen Konzeptes. Die Anlage erinnert an die überkommene Formensprache der städtebaulichen Anlagen des 18. Jahrhunderts, in Achsen und Plätzen, ein bis auf repräsentative Funktionen reduzierter, nahezu zweckfreier Städtebau für eine vergangene Gesellschaftsordnung. Eine städtebauliche Konfiguration, die mit den zukünftigen Anforderungen an ein neues Wohngebiet und einen Business-Park einer Landeshauptstadt, der geplanten Expo-Nachnutzung, wenig gemeinsam hat.

Für die Errichtung der Pavillons wurden Pflichtenhefte entwickelt, in denen mit größter Akribie, Möglichkeiten zur Energieeinsparung, Daten zum Energieverbrauch und zur Klimatisierung, zur Wasserversorgung und zur Abwasserableitung, zum möglichen Baustoffrecycling und zur gesamtenergetischen Konzeption in Bauweise und Ausstattung aufgezeigt sind. In der formalen städtebaulichen Konzeption (Gebäudetiefe, Orientierung, Erschließung und Grünplanung) findet man hingegen eher eine ästhetische Maßnahme als ein intelligentes ökologisches Konzept.

Bei intelligenten Lösungen ist eben nicht nur der im Planungsprozeß relativ spät hinzugezogene Fachingenieur gefragt. Intelligente Lösungen entstehen in einer frühen gemeinsamen Konzeption aller Planungsbeteiligten. Leider sind im heutigen Städtebau solche Lösungen selten.