Gentests an Embryonen und Stammzellenforschung

Ein vom Gesundheitsministerium organisiertes Symposium zur Fortpflanzungsmedizin beschäftigt sich unter anderem damit, ob das Embryonenschutzgesetz gelockert und die Präimplantationsdiagnostik genehmigt werden - oder ob Deutschland zu einer moralischen Insel werden soll

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Auf dem Symposium Fortpflanzungsmedizin in Deutschland, das vom Bundesministeriums für Gesundheit in Berlin veranstaltet wird, geht es vornehmlich darum, ob nicht das Embryonenschutzgesetzt angesichts der vielversprechenden Forschung mit Stammzellen verändert und die Präimplantationsdiagnostik eingeführt werden soll.

Gesundheitsministerin Andrea Fischer versteht das Symposium als "Auftakt zu einer weiterführenden Diskussion, die schließlich in einen Gesetzgebungsprozess einmünden kann". Eine möglichst breite Debatte soll damit angeschoben werden: "Der Prozess der Meinungsbildung muss aus dem Kreis der Wissenschaftler und Anwender der Technologie hinaus in die Bevölkerung hineingetragen werden. In diesem Sinne soll dieses Symposium hier auch beispielhaft wirken, indem wir als Politikerinnen und Politiker die Herausforderung annehmen und die Debatte aus den Feuilletons und den Boulevardmedien in eine andere Arena tragen." das Interesse an einer Teilnahme am Symposium scheint jedenfalls groß gewesen zu sein.

Für das Gesundheitsministerium stehen dabei drei Fragen im Vordergrund: "Wie soll die Gesellschaft damit umgehen, wenn der Wunsch nach einem "Kind nach Maß" erfüllbar zu werden scheint? Welches Leid kann aus dem Streben nach "perfekten" Kindern entstehen, das mit den neuen medizinischen Methoden verbunden ist? Und wer entscheidet dann darüber, welche Krankheit eine Selektion von Embryonen erlauben würde?

In ihrer Eröffnungsrede versuchte sie, die angesprochenen Themen möglichst neutral anzusprechen. Mit dem Verweis auf die Sloterdijk-Debatte im letzten Jahr (Zarathustra ad portas?) wollte sie herausstellen, "wie schwer diese Auseinandersetzung ist und dass sie durch Polarisierungen nicht besser wird." Das ist sicherlich wahr, wobei protestierende Behinderte dies auch gleich demonstrierten, indem sie der Gesundheitsministerin erst einmal den Ton abdrehten. Ein Mann in einem Rollstuhl sagte dann: "Wenn es nach den Ideen von einigen hier ginge, würde es in Zukunft Behinderte nicht geben." In den Ausführungen zu ihrer "persönlichen Position" stimmte Fischer diesen Bedenken denn auch mehr oder weniger zu: "Besteht nicht dadurch die Gefahr einer schleichenden Abwertung von Kranken, einer Diskriminierung von Behinderten? Dabei ist die Vorstellung eines Lebens ohne Krankheit wirklichkeitsfremd. Die Mehrzahl aller Behinderungen sind nicht genetisch bedingt. Leiden, Krankheit und Behinderung - sei es durch menschliches Fehlverhalten, sei es durch unverschuldete Ereignisse verursacht - wird es immer geben. Die Frage ist nur, ob nicht durch die neuen Techniken ein Klima entsteht, das den perfekten Menschen immer mehr zur Norm werden lässt und das es schließlich als rechtfertigungsbedürftig erscheinen lässt, wenn ein behindertes Kind zur Welt kommt."

Gleichwohl, die Daseinsberechtigung und Anerkennung von Behinderten gegen die Möglichkeiten auszuspielen, Behinderungen in Zukunft durch Gentherapie, therapeutisches Klonen mithilfe von Stammzellen oder im Fall von künstlicher Befruchtung aufgrund der Präimplantationsdiagnostik durch Abtreibung zu vermeiden, ist kein sinnvoller, wahrscheinlich auch kein guter Ansatz, um Grenzen zu verteidigen. Wenn das Bündnis für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen die Forderung "Solidarität statt Selektion" aufstellt, dann scheint, wenn jede Maßnahme, Behinderungen vorneherein zu verhindern oder nachträglich durch Gentechnik zu behandeln, verpönt wird, die Haltung zu sein, alles seinen natürlichen Lauf gehen zu lassen. Kann man nur dann solidarisch mit Behinderten sein, wenn man auch in Zukunft möglichst nichts dagegen unternimmt, dass weiter behinderte Menschen entstehen? Konsequenterweise müsste dann freilich auch jede Abtreibung verboten werden.

Claudia Kaminski, Bundesvorsitzende der «Aktion Lebensrecht für Alle" (ALfA), tritt denn auch für ein striktes Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) und für ein Verbot von Abtreibungen ein: "Es gibt kein Menschenrecht auf ein eigenes Kind. Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind." Gesundheitsministerin Fischer ist offensichtlich besonders hier in der Klemme. Sie lehnt, sehr vorsichtig, die PID ab und ist wohl eher weiterhin für die Aufrechterhaltung des Embryonenschutzgesetzes: "Mein Ausgangspunkt in dieser Debatte ist die Überzeugung, dass die Würde des Menschen wesentlich in seinem natürlichen Werden liegt, das er mit allen anderen Menschen teilt. Je mehr wir uns von der Zufälligkeit der Entstehung des Menschen entfernen, desto größer ist die Gefahr seiner Fremdbestimmung, Bewertung und Manipulation." Mit dem § 218 will sie jedenfalls die anstehende rechtliche Regelung besonders der PID nicht vermischen. Die PID ist allerdings bereits in vielen Ländern zugelassen, und die Bundesärztekammer plädiert für deren Einführung bei der künstlichen Befruchtung, weil ein Verbot der Selektion genkranker Embryonen nicht einsichtig sei, wenn man in der Schwangerschaft dennoch einen behinderten Fötus abtreiben könne.

Hubert Hüppe, der stellvertretende Vorsitzende der Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, will zumindest in diesen Fragen christliche Flagge zeigen: "Wer sich die 'Leitfragen' des Symposiums ansieht, findet Fragen wie 'Welchen Status hat ein Embryo in vitro?' oder 'Soll eine Präimplantationsdiagnostik eingesetzt werden dürfen?'. Ebenso wird die Gewinnung embryonaler Stammzellen, d.h. der Tötung menschlicher Embryonen zur Gewinnung von Gewebe, zur Debatte gestellt. Dies alles sind Fragen, die im Embryonenschutzgesetz bereits beantwortet sind. Das Embryonenschutzgesetz verbietet jede fremdnützige Manipulation von Embryonen, die verbrauchende Embryonenforschung, das Klonen menschlicher Embryonen und die Präimplantationsdiagnostik." Alles also soll beim Alten bleiben.

Trotz aller sonstigen Förderung der Bio- und Gentechnologie will auch die CSU nicht die PID. Die Gründe der Ablehnung sind, wie meist, fadenscheinig, weil die Einführung einer pränatalen Diagnose mit der Anerkennung von Behinderten und der "Ehrfurcht vor dem Leben" verbunden wird: "Ich frage", so Sozialstaatssekretär Georg Schmid am 3. Mai, "wer maßt sich das Recht an zu entscheiden, dieser Embryo soll leben und jener nicht. Wer verantwortet die Entscheidung, was schwerwiegend ist oder weniger schwerwiegend? Und wer kann heute schon sagen, welche schwerwiegenden Krankheiten in fünf, zehn oder dreißig Jahren heilbar sind? Wir dürfen nicht zulassen, dass nur noch der Gesunde und Leistungsstarke etwas zählt. Eine Gesellschaft, die an menschliches Leben die gleichen Qualitätsansprüche stellt wie an Produkte, die nach Güte, Leistung, Qualität und Aussehen eingeteilt werden, ist eine zutiefst inhumane Gesellschaft. Biotechnologie und Biomedizin dürfen nicht zur Diskriminierung behinderten Lebens führen." Mit derselben Logik könnte freilich auch sagen, man darf nichts gegen die Behandlung von Krebs entwickeln, weil das eine Diskriminierung der an Krebs Erkrankten bedeuten würde, die man damit nicht mehr therapieren kann.