Ist sie, ist sie nicht?

Widersprüchliches zur "Knackbarkeit" von Sonys Playstation 2. Verstrickt sich die PR von Sony Computer Entertainment in einem medialem Overkill?

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Wer schon jetzt den Kauf einer PS2 plant, muss ungefähr so starke Nerven wie ein England- oder Deutschland-Fan bewahren. Denn abhängig davon, was von der nächsten Konsole erwartet wird, muss man sich erst mal durch eine Flut an verschiedenen, teils widersprüchlichen Meldungen arbeiten, bis man weiß, was Sony Computer Entertainment (SCE) überhaupt rausbringt.

So leicht, wie es in der Presserklärung zum europäisch-amerikanischen Launch der PS2 am 26. Oktober scheint, ist es dann doch letzten Endes nicht. Dafür kann der Konsument nichts. Statt dessen scheint Sony gerade in ein globales Netz aus PR und Presseberichten verstrickt zu werden. Ein Beispiel dafür gab es gerade dieser Tage. Am 7. Juni 2000 meldete die Online-Ausgabe der österreichischen Zeitung Der Standard, der Kopierschutz der Playstation 2 sei mittels eines von Lik Sang vertriebenen MOD-Chips (Modifikationschip) geknackt worden. Damit könnten Raub- oder Backupkopien von Spielen sowie Spiele aus anderen Herkunftsländern auf der PS2 abgespielt werden. Sechs Tage später erschien die Nachricht auf dem Heise-Newsticker.

In der Zwischenzeit war aber scheinbar aus Japan eine neue Meldung lanciert worden. Laut Consoledomain vom 9. Juni 2000 wolle Sony nun eine neue Playstation 2 rausbringen. Mit einem neuen System ausgestattet, sei die neue Variante der Konsole angeblich gewappnet gegen Raubkopien. Ob sie jetzt gegen den neuen MOD-Chip resistent sei, darauf wurde nicht näher eingegangen. Über den Chip hatte Consoledomain schließlich noch nicht berichtet. Verwirrt? Sony anscheinend auch. Bei einer Anfrage im deutschen SCE-Büro wusste man nichts von der "neuen" Konsole und ihrer Immunität gegenüber kopierschutzbrechenden Chips. Und auf der offiziellen japanischen PR-Site war die letzte Meldung diejenige zur "tragbaren" Playstation, oder PS One. Stimmen nun die Meldungen alle nicht, oder beißt sich Sonys PR-Maschinerie allmählich selber in den Schwanz?

Dass Sonys PR gut ist im Sinne von flächendeckend, beweist die Stimmung in Presse und Öffentlichkeit. Während die Presse dem Phänomen Playstation 2 seit über einem Jahr heiß auf den Fersen ist, konnte die Konsole unter Konsumenten sogar so weit reüssieren, dass sie dem Launch von Segas Dreamcast etwas den Boden unter den Füßen wegzog. Nicht nur in Japan, sondern in Deutschland waren die Kids eher bereit noch ein Jahr auf Sonys neuesten Technofetisch zu warten, als die DM 500,- für eine Dreamcast zu berappen. Die Konsequenzen für Sega musste die Firma in ihrem letzten Jahresbericht ausbaden, als die Bilanz deutlich unter den Erwartungen lag. Auch bevor die neue Konsole amerikanische und europäische Terra Firma zumindest offiziell erreicht hat, wird sie auf Platz 1 der Konsolen gekürt. Laut Ergebnissen einer PCData Online Studie gaben 63% der Befragten an, eine Playstation 2 dieses Jahr kaufen zu wollen.

Obwohl sich die Quelle dieser positiven Vorab-Resonanz nicht nachvollziehen lässt, muss man doch feststellen, dass die Konsole bereits einen hohen Grad an Aufmerksamkeit in der Presse genießt. Nicht zuletzt auch wegen den Sensationsnachrichten, die sich um die Konsole herum spinnen. Das ausschlagkräftigste Beispiel bot die Meldung, die PS2 sei potenziell als Waffe einsetzbar. Zwar konnte sich Sony noch über die Meldung amüsieren, doch zeugte die Meldung von dem Mythos, der sich um die Konsole herum gesponnen hatte. Häufig finden sich japanische Meldungen in die gierige, westliche Presse ein, von denen noch nicht einmal die deutschen Sony-Vertreter gehört haben.

Ähnliches wurde auch bei der Ankündigung der tragbaren Playstation verzeichnet, als Industrieexperten und Journalisten offensichtlich zwei verschiedene Äußerungen vermengten. Vergeblich hatten Online-Zeitschriften wie IGN Erwartungen geschürt, es handele sich um eine tragbare Version der PS2, die mittels Sony-Memory-Stick mit Daten gefüttert wird. Obwohl SCED PR-Chef Jürgen Krenz-Göllinger einräumt, dass CEO Ken Kutaragi in diesem Zusammenhang laut gedacht haben mag, muss er es doch als aus der Luft herausgegriffen abtun:

"Vieles von dem, was man liest, ist nur halb-offiziell. Eine weitere Internet-Ente stellt auch die Meldung bei PSM Online dar, wonach der amerikanische VÖ-Termin abgeblasen wurde. Das meiste an Gerüchten, wie z.B. die Raketenmeldung (s.o.) nehmen wir dankbar für die Aufmerksamkeit entgegen. Aber im Endeffekt muss man sich fragen, wie wirklich ist die Wirklichkeit im Internet? Vieles hängt auch mit der Art von Pressearbeit, wie sie in Japan getrieben wird, zusammen. Unternehmen bedienen erst einen erlauchten Presseclub. Erst nachdem Meldungen in Zeitungen wie Asahi Shimbun erscheinen, finden sie Verbreitung über die normalen Wege. So kann es selbst uns in Deutschland passieren, dass wir einen halben Tag nach Veröffentlichung überhaupt erfahren, was los ist. Die Raketenmeldung war das beste Beispiel dafür, wie eine bislang unbemerkte Story von einem Journalisten gefeaturet, von den Agenturen aufgegriffen wurde und sich zum Flächenbrand entwickelt."

Nur scheint diese Art des Mythosspinnens gewissermaßen Schule gemacht zu haben. Microsofts X-Box wurde bereits Tage vor der eigentlichen Ankündigung schon enttarnt. Auch Nintendos neueste Konsole, lediglich eine neue farbliche Variante, fand mehr als nur ein offenes Ohr. Im Netz der Eigendynamik hatte man eine ähnliche Meldung wie die bezüglich der PS One vermutet, in dem Sinne, dass Nintendo eine tragbare N64 Konsole launchen, oder sogar die Online-Tauglichkeit der neuen Dolphin-Konsole ankündigen wollte. Was am Ende herauskam, enttäuschte nicht nur den sensationsgierigen Journalisten.

Die echten Opfer dieser Medienschlacht dürften vorerst die Konsumenten sein, die im Netz der Verwirrung nicht mehr wissen, ob ihre importierte Playstation 2 aus Japan jetzt nun selbstgebrannte DVDs aus Usbekistan abspielen kann. Oder braucht man doch die neue kopiergeschützte Raketenstützpunkt-Nintendo-Konsole, um sich ins Internet hineinzuwählen? Um die Wahrheit - oder sagen wir besser, eine sehr wahrscheinliche Annäherung andiese - zu erfahren, empfehlen wir regelmäßig diese Seiten aufzusuchen.