Liebe Deinen Klon wie Dich selbst

Dollys Klon-Vater Ian Wilmut war in Berlin

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"Es wäre toll, wenn man Gebäude klonen könnte", sagte ein Junge in der Sitzreihe vor mir. "Dann könnten wir den Eiffelturm nach Berlin holen und dafür das ICC plattmachen!" Wie kein anderes biomedizinisches Thema regt das Klonen die Phantasie an, verweist sie aber auch in ihre Grenzen, wie Ian Wilmut, Vater des Klon-Schafes "Dolly" am letzten Donnerstag auf einem Vortrag in Berlin betonte.

Ian Wilmut mit Dolly

Eingeladen hatten ihn unter dem Motto "Dolly. Der Aufbruch ins biotechnische Zeitalter" das Einstein-Forum Potsdam, das Berliner Medizinhistorische Museum und der Carl Hanser-Verlag. Wilmut, Chef des Department of Gene Expression and Development am Schottischen Roslin-Institute, hatte im Februar 1997 eine heftige Debatte ausgelöst (Dolly und die Folgen), nachdem er bekannt gegeben hatte, aus den Zellen eines erwachsenen Schafes eine genetisch identische Kopie geschaffen zu haben - das Klon-Schaf "Dolly".

Das Klonen ist unzuverlässig und ineffizient

, sagt Ian Wilmut

Zunächst erklärte Wilmut dem zahlreich in die Hörsaalruine des Medizinhistorischen Museums geströmten Publikum, wie das Klonen nach der "Dolly-Methode" funktioniert. Eine Eizelle werde von ihrer genetischen Information im Zellkern befreit und die Information einer ausgewachsenen Spenderzelle dort eingesetzt. Durch elektrische Impulse werde im dritten Schritt die Fusionierung der beiden Zellen angeregt. Obwohl dieses Verfahren sehr einfach anmute, sei "das Klonen eine sehr unzuverlässige Methode", betonte Wilmut.

Bei Hasen, Ratten, Rhesus-Affen, Katzen und Hunden habe die Methode bisher noch überhaupt nicht funktioniert. Bei Rindern, Mäusen, Ziegen und Schweinen sei die Klonierung aus Körperzellen zwar möglich gewesen, während der Schwangerschaften habe es aber zahlreiche Komplikationen gegeben und die Effizienz sei sehr gering. "Die Hälfte der Tiere, die 50 Tage überlebten, waren am 150. Tag tot. 44 % der ersten geklonten Schafe starben schon am ersten Tag" unterstrich Wilmut. Zudem hätten viele der überlebenden Klone "Abnormalitäten" gehabt (Spätschäden bei geklonten Tieren, Gesundheitsschäden bei geklonten Tieren). Erst kürzlich hätten Forscher des Roslin-Instituts versucht, Tiere ohne Prion-Gen herzustellen. "Kurz vor Weihnachten" sei ein Lamm geboren worden, das "erst perfekt" zu sein schien, dann aber "viel zu schnell atmete". Schließlich hätten sie es töten müssen, da keine Therapie ihm helfen konnte.

Dolly gehe es aber gut, erklärte Wilmut auf Nachfrage des Publikums. "Das Wappentier des anbrechenden Zeitalter des Klonens" - wie Hartmut Wewetzer vom Berliner Tagesspiegel das Schaf einleitend vorstellte - habe noch "keine Anzeichen für vorzeitiges Altern". Wegen der Maul- und Klauenseuche stehe es aber vorerst unter Quarantäne.

Vom embryonalen Stammzell- zum Menschenklon?

Ian Wilmut erfüllte die Erwartungen des Publikums: Er sprach nicht nur über Dolly, er sprach über das Klonen von Menschen. Zunächst führte er drei mögliche Gründe für das Klonen von Menschen an: "Um Unfruchtbarkeit zu behandeln", um "ein verlorenes Kind zurückzuholen" und für "selektives Züchten" - womit er das Klonen von embryonalen oder adulten Stammzellen - könne das menschliche Klonen eingesetzt werden.

Die erste Vision schien Wilmut zu amüsieren: Wenn er und seine Frau vor 20 Jahren beschlossen hätten, eine genetische Kopie seiner selbst herzustellen, hätte ihn seine Frau bestimmt längst rausgeworfen und die junge Ausgabe bevorzugt. Obendrein sei der Junge sicher unglücklich, weil er wüsste, wie er mit 56 Jahren aussieht. Darüber hinaus sehe er die Gefahr, dass man als Elternteil noch viel mehr Kontrolle ausüben wolle, wenn das Kind, das man vor sich habe, man selbst sei.

Die zweite Möglichkeit - ein verlorenes Kind zurückzubringen - bezeichnete Wilmut als "attraktiv". Ein geklontes Kind sei aber "bloß genetisch identisch", wandte er sich sogleich gegen genetischen Determinismus. Physisch habe es zwar eine Ähnlichkeit mit dem verlorenen Kind, besitze aber "eine andere, ganz eigene Persönlichkeit". Schließlich sei das Klon-Kind zu einem anderen Zeitpunkt, vielleicht von einer anderen Mutter geboren, mache andere Erfahrungen etc. Deshalb werde der Klon die in ihn gesetzten Erwartungen kaum erfüllen können. Auch ein Klon ist also einzigartig. "Ethisch gesehen" sei er deshalb dagegen, "Kinder zu klonen", sagte Wilmut. "Potenziell gibt es aber einige Gründe, erwachsene Menschen zu klonen", fügte er etwas ominös hinzu.

Drittens nannte Wilmut das seit Ende Januar in Großbritannien erlaubte Klonen von Embryonen zum Zwecke der Stammzellgewinnung. Er wiederholte dabei zwar die üblichen Verheißungsszenarien seiner Zunft - geklonter Zellersatz biete die Möglichkeit, Herzinfarkte, Diabetes und Parkinson therapieren zu können - verschwieg aber auch nicht, dass weder adulte noch embryonale Stammzellen bisher zu einer erfolgreichen Therapie beigetragen haben. Mit dem jetzt legalisierten Klonen von Embryonen werde man im Roslin-Institut erst Anfang nächsten Jahres beginnen, da die Genehmigungsverfahren einige Zeit in Anspruch nähmen.

Embryozellen sind derzeit Wilmuts Klonfavoriten: Um Diabetes zu behandeln, könne aus einer Zelle des Patienten ein Embryo hergestellt werden, aus dem wiederum Zellen hergestellt werden könnten, die man zur Produktion von Insulin braucht, sagte er. Dafür benötige man aber "eine große Anzahl von unbefruchteten Eizellen. Das ist das Problem!" gibt Wilmut einschränkend zu Bedenken. Irgendwann werde es aber möglich sein, den Embryo zu umgehen und "direkt aus der Patientenzelle die Stammzelle zu produzieren". Aus dem genannten Grund hält er es auch für sehr unwahrscheinlich, dass südkoreanische Forscher schon Menschen geklont haben. Dazu hätten sie "Tausende von Oozyten" (Eizellen) gebraucht: "Wo sollen diese menschlichen Oozyten hergekommen sein?"

Hatte die Klonierung von Dolly, dem Schaf vor vier Jahren noch zu einer diskursiven Explosion von Empörungen über den bald zu erwartenden geklonten Menschen geführt, sind inzwischen zahlreiche Reproduktionsmediziner bereit, unfruchtbaren Paaren ihren Traum vom geklonten Kind zu erfüllen. Der italienische Reproduktionsmediziner Severino Antinori kündigte im Januar diesen Jahres an, 2002 den ersten Menschen zu klonen. In diesen Tagen richtet er in Rom eine Klon-Konferenz aus, im Oktober soll eine zweite in Monte Carlo folgen (Dolly ist hier - und wir sind die nächsten).

Zu den Bestrebungen seines Kollegen sagte Wilmut: "Wer Menschen klonen will, kann die Biologie nicht verstanden haben." Er gestehe Antinori "große Fähigkeiten auf dem Gebiet der Selektionstechniken" zu, dieser irre sich aber, wenn er die planmäßige Auswahl von Klonen für möglich halte. Klonen gelingt zufällig: "Der eine Embryo, der später zu Dolly wurde, konnte nicht ausgewählt werden", betonte Wilmut.

Er hob hervor, das Klonen von Menschen sei unverantwortlich, da die Methode des Klonens noch unzuverlässig sei. Es könnte zu Fehl- und Totgeburten sowie Abnormalitäten bei Föten kommen. "Wir sind sehr komplex und jedes Kind wird einen Versuch darstellen". Bedauerlicherweise sei es ja unmöglich, die potentielle Funktionalität aller Gene in der Zelle zu prüfen. Ein Anti-Klon-Argument, das sich im übrigen nahtlos in den derzeitigen Eugenik-Diskurs einpasst.

Zum Schluss sagte Wilmut, erst brauche man mehr Forschung, um die Verfahren zu verbessern. "Wir brauchen ehrgeizige Forschung, bevor wir es vorsichtig anwenden können!" Erst wenn die Klonierungstechnologie ausgereifter ist, wird sie es also ermöglichen, "gezielte genetische Veränderungen" auch beim Menschen vorzunehmen.

In einem Interview mit der ZEIT hatte Wilmut erklärt: "Stellen Sie sich vor, nur theoretisch, Sie nehmen einen menschlichen Embryo. Daraus können Sie Stammzellen machen. Die können Sie genetisch modifizieren und wieder einen Embryo daraus machen. Die Dolly-Technik kann also zur Herstellung von Designermenschen benutzt werden. Im Moment ist das bloß ein Traum - ein Albtraum, wenn Sie mich fragen."