Polizei-Informationssystem Inpol-Neu droht zum Fiasko zu werden

Sündenbocksuche im Bundesinnenministerium

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Die Einführung des Polizei-Informationssystems Inpol-neu droht zum internen Fiasko zu werden. Schon im Januar zeichnete es sich ab, dass nicht alle Bundesländer in der Lage sein werden am Parallellauf teilzunehmen. Das Bundeskriminalamt hält jedoch bis heute am 15. April als Start für den Parallelbetrieb von Inpol-neu und dem bisherigen Inpol fest.

Ende März musste die Lenkungsgruppe im BKA feststellen, dass der Termin eigentlich unhaltbar geworden war. Der Leiter der Lenkungsgruppe Peter Sehr wurde nach Informationen eines Insiders abgelöst - angeblich wegen "Interessenkonflikten". Ein Sprecher des BKA wollte sich gegenüber Telepolis dazu nicht äußern, räumte jedoch ein, es habe Veränderungen gegeben.

Zum 15. April sollen nur erste Testläufe mit einigen Pilotanwendern beginnen, jedoch nicht der geplante Probelauf. "Die Fakten stehen und sind unumwerflich. Das BKA kann das nicht mehr lange unter den Tisch kehren", sagte Horst Müller von der Gewerkschaft der Polizei Telepolis. Dass der Termin nicht mehr steht, wollte der BKA-Sprecher so nicht bestätigen, über technische Einzelheiten könne er sich nicht äußern.

Schulung abgebrochen

Operative Schwierigkeiten sind schon seit längerem bekannt: Die am 5. März begonnene Schulung einer ersten Trainerstaffel musste im Verlauf des Folgetages ausgesetzt werden. Zwar war zuvor bekannt gewesen, dass die Software noch nicht fehlerfrei war, aber die Gesamtprojektleitung hoffte, dass es schon nicht so schlimm werden würde. Zu Beginn der Schulung wurde das Vorgangsbearbeitungssystem Agil vorgestellt - und stieß nicht auf große Begeisterung. In einem internen BKA-Schreiben heißt es: Die Schulungsteilnehmer machten "über die bekannten Fehler hinaus Änderungswünsche geltend".

Darüber hinaus traten technische Probleme auf. Da diese nicht in absehbarer Zeit gelöst werden konnten, wurde die Schulung ausgesetzt. Aufgenommen werden sollte sie erst wieder zum 19. März, knapp zwei Wochen später. Eine Task-Force aus Projektleitern, Entwicklern und Dozenten wurde zusammengestellt, um die Fehler bis zu Beginn des Parallelbetriebs auszumerzen.

Gravierende Mängel

Jörg Radek vom Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei berichtete jetzt in der Zeitschrift "Deutsche Polizei", dass sowohl der Controlling-Bericht "Agil" vom 17. Januar, als auch der Controlling-Bericht Projekt "Inpol-neu" von "gravierenden Mängeln" sprachen. Zudem fehlten den Bundes- und Landespolizeien "eigene geeignete IT-Fachkräfte in ausreichender Anzahl, die diese Projekte begleiten und betreuen". Die Gefahr von Abhängigkeiten zu externen Unternehmen sei schon jetzt sehr groß, da Inpol-neu, Agil und andere Projekte mit einem sehr hohen Anteil von Fremdressourcen entwickelt wurden.

Nachzügler

Am 15. Oktober 2001 soll der Parallelbetrieb beendet werden. Insider glauben jedoch schon lange, dass dieser Termin nicht eingehalten werden kann und damit erhebliche Kosten auf die Länder zu kommen. Es genügt schon, wenn nur ein einziges Bundesland nicht an Inpol-neu teilnehmen kann. Radek meint, "dies hätte den Zusammenbruch des bundesweiten Fahndungsverbundes zur Folge, da von diesem Bundesland Straftäter weder eingegeben noch aus diesem abgefragt werden könnten."

Tatsächlich stellte Bremen erst Mitte Januar ein Budget von 17 Millionen Mark für das Vorgangsbearbeitungssystem bereit - muss allerdings noch die komplette Hard- und Softwareausstattung besorgen. Auch Hessen stellte erst Anfang des Jahres das notwendige Budget für die Umstellung bereit. Ein mit den Ländern abgestimmtes Gesamteinführungskonzept "ist nicht erkennbar", kritisiert Radek.

Aber auch der Parallelbetrieb birgt Risiken: Daten können verloren gehen oder korrumpiert werden, da die Beamten parallel in beiden Systemen die Daten pflegen müssen. Dass der Parallelbetrieb flächendeckend ohne Pilotversuch begonnen wird, bezeichnet Radek als "kritisch".

Suche nach dem Sündenbock

Im Bundesinnenministerium wird indes bereits nach einem Sündenbock gesucht. Im Fokus steht Ulrich Kersten. Unter seiner Ägide als Präsident des Bundeskriminalamtes wurde das Projekt aus der Taufe gehoben. Heute ist er in führender Position im Bundesinnenministerium immer noch für das Projekt zuständig. Spätestens zu Beginn des Parallelbetriebs in wenigen Tagen wird klar sein, ob Schily das Projekt so weiterlaufen lassen wird wie bisher.