Vom Punk zum Neonazi?

Karl Nagel letztes Gefecht

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Macht er? Oder macht er's nicht? Zumindest ist er jetzt wieder da: Karl Nagel, um den es in den letzten Monaten verdächtig ruhig geworden war. Wie kein anderer zuvor (zumindest in Deutschland) nutzte er bereits Mitte der 90er Jahre das Internet, um mit seinen so genannten Medienviren anlässlich der Chaos-Tage in Hannover Presse und Polizei zu verwirren (Medienviren) . Danach kandidierte der Wahlhamburger im letzten Bundestagswahlkampf als Spitzenkandidat der Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands, um anschließend pünktlich zum Jahre 2000 und zur Weltausstellung erneut schwerste Chaos-Tage-Krawalle in Hannover übers Netz zu prophezeien.

Die aber blieben zum Glück rein virtuell. Und auf Nagels Netzprovokationen fiel zum Schluss noch nicht einmal mehr die Bild-Zeitung herein. Doch das kann einen Nagel nicht erschüttern. Und so greift er nun buchstäblich zum allerletzten Mittel, um erneut mediale Aufmerksamkeit zu erringen. Seit Wochen schon grummelt es nämlich in der Neonazi-Szene im Internet, und das Gerücht geht um, dass Nagel womöglich die Seiten wechseln werde, dass also aus dem mittlerweile 40-jährigen Punk-Opa ein strammer Deutschnationalist werden könnte.

Wer es glaubt, wird selig. Dennoch arbeitet Nagel selbst hart an diesem Gerücht. Auf seiner Netzseite taucht er in seinen "Bunkerbriefen" tief in seine persönliche Geschichte ab, verrät wie ein kleiner Boris Becker intimste Dinge, gesteht, dass er als kleiner Bub den Hitler und seine Soldaten ganz schön gern gehabt hat und dass er jetzt von einer schlimmen Post-Punk-Midlife-Crisis eingeholt worden sei und dass daher irgendetwas geschehen müsse.

Also trifft er sich kurzerhand mal mit Christian Worch, einem stadtbekannten Hamburger Neonazi, und lässt sich von diesem steinreichen Erben in einer Fernfahrerkneipe einladen zu einem Strammen Max und drei Cola. Was nicht weiter schlimm wäre, schließlich sind die beiden große Science-Fiction-Fans. Doch leider bleibt es nicht beim Fachsimpeln über Perry Rhodan, sondern Nagel muss fast notdürftig der Welt via Internet von dem Gespräch mit dem ach so netten Herrn Worch berichten: "Ja, es war wirklich ein sehr interessantes Gespräch. Wir lachten, scherzten und fachsimpelten über historische und politische Zusammenhänge, und ich gewann zunehmend einen sympathischen Eindruck von ihm, zumal schnell klar wurde, daß er mit stumpfer Ausländerfeindlichkeit nichts am Hut hat. Wußtet Ihr etwa, daß er in seiner Knastzeit gar einmal einem Schwarzen bei seinem Asylantrag geholfen hat? Das hat ihm manch einer aus seinem politischen Umfeld ziemlich übel genommen. Aber Worchs Ansichten sind auch in anderer Hinsicht ungewöhnlich für einen Rechten: Er spricht sich für die Freigabe von Drogen aus, hat keine Probleme mit Homosexualität und hält Knäste für ein ziemlich idiotisches Mittel, mit gesellschaftlichen Problemen fertigzuwerden."

Ja, der Worch ist also ein toller rechter Hecht - glaubt man zumindest Nagel, bei dem nach diesem Gespräch, wie er selbst behauptet, die Birne heißlief: "War das die Alternative? War mein Platz an der Seite von Leuten wie Christian Worch? Was sprach dagegen, was dafür?" So grübelt er nun, wenn er sich nicht gerade um seine neueste Parteigründung kümmern muss, öffentlich und seitenlang im Netz und wird beim Grübeln mittlerweile unterstützt von dem skurrilen Berliner Einzelkämpfer und selbst ernannten "Nationalanarchisten" Peter Töpfer, der ihm auf seiner Netzseite eine wahre Ode unter dem Titel gedanken zu dem mann karl nagel und drüber hinaus) gewidmet hat:

"...Was an karl auch so geil ist, ist der spielerische umgang mit seinen eigenen macken, und wie er plötzlich macke macke und ironie ironie sein läßt und sich dem ernst des lebens zuwendet, zum manne wird, ohne sich zu verkaufen, ohne sich aufzugeben. Karl weiß, daß seine-macken-aufgeben nicht heißt, sich selbst aufzugeben. Im gegenteil: sich zu finden. Karl kommt in die jahre, will endlich mal ernst machen, will auch etwas geld verdienen für sein ganz eigenes, privates glück. Hat die schnauze voll von seinen macken. Ich wünsche ihm alles gute dafür und daß alles klappt..."

Aber es bleibt nicht bei solch schon fast pathologisch formulierten Wünschen. Der letzte Email-Rundbrief von Töpfers Nationalanarchisten endet nämlich mit einer so genannten "Sonder-Promo": "nationale Anarchie unterstützt den Kampf der POPULISTEN (www.populisten.de), um das Hamburger Rathaus! 88 den 88ern! Führer & Volxtribunator: KARL NAGEL!"

Ehre, wem solche Ehre gebührt. Bloß sein angedrohtes und wohl letztes Gefecht als Mitglied der "Freien Kameradschaft Christian Worch" möge Nagel sich und uns bitte ersparen.