Europäisches Rechtshilfeabkommen verabschiedet

Trotz Kritik des Europäischen Parlaments keine Änderungen mehr an der Fassung vom 15.Mai. Präventions- und Schutzmaßnahmen sollen Missbrauch bei der Fernmeldeüberwachung ausschließen.

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Wie Charles Elsen, Generaldirektor des Rates für Justiz und Inneres der Europäischen Union, gegenüber Telepolis bestätigte, wurde das Europäische Rechtshilfeabkommen am 29. Mai nachmittags unterzeichnet. An der Fassung vom 15. Mai (Copen 32) wurde nichts mehr verändert. Bis zuletzt unterlag das Dokument der Geheimhaltung Mit dem jetzt verabschiedeten Rechtshilfeabkommen sollen die bisherigen Rechtshilfeverfahren beschleunigt werden. Bislang waren sie auf bilaterale Kooperation ausgerichtet und in Fällen von Computerkriminalität zu langsam. Verabschiedet werden sollte das Übereinkommen bereits vor drei Jahren. Die Telefonvernehmung, das Fernabhören und die Bestimmungen über die gemeinsamen Ermittlungsgruppen wurden später noch eingebracht.

In einer Pressemitteilung gab der Rat nicht die Verabschiedung sondern seine "Schlussfolgerungen" bezüglich der Überwachung des Fernmeldeverkehrs bekannt: So habe der Rat "Gedanken" über die Erörterungen des Europäischen Parlaments "ausgetauscht". Das Parlament hatte die Streichung des Paragraphen 18, der die "Überwachung von Personen im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten ohne deren technische Hilfe" regelt, gefordert. Der Rat wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie sie im Vertrag über die Europäische Union anerkannt wurden, gewahrt werden würden.

Keine Wirtschaftsspionage per Überwachungsschnittstelle?

Auch distanzierte er sich von dem Vorwurf, über einheitliche Überwachungsschnittstellen Wirtschaftsspionage zu ermöglichen. So stellte er fest, dass die TK-Überwachung "zwar ein wichtiges Instrument bei der Bekämpfung der Kriminalität oder bei der Verteidigung der nationalen Sicherheit darstellt", doch "auf keinen Fall für die Erlangung kommerzieller Vorteile genutzt" werden dürfe.

Der Rat verwies deshalb auf die Ankündigung der Europäischen Kommission "innerhalb eines Jahres nach Unterzeichnung ... ein sicheres System zur Übertragung der Abhöranfragen sowie für die Übermittlung der abgehörten Kommunikation" auszuarbeiten (siehe auch Feinschliff am Abhörstandard). Der Rat will deshalb darauf achten, dass die zuständigen Arbeitsgruppen nicht nur die Menschenrechte im Auge haben, sondern auch "mit Blick auf die missbräuchliche Verwendung der neuen Technologien insbesondere alle Präventions- und Schutzmaßnahmen fördern".

Tele-Vernehmung

Das Europäische Rechtshilfeabkommen regelt nicht nur die grenzüberschreitende Telekommunikationsüberwachung, sondern auch die Vernehmung per Videokonferenz, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger in einem anderen Mitgliedsstaat vernommen werden soll. Auch können Zeugen und Sachverständige per Telefonkonferenz vernommen werden.

Europäische Ermittlungsgruppen

Ebenso regelt das Abkommen den Einsatz gemeinsamer Gruppen für strafrechtliche Ermittlungen. Sie können bei schwierigen und aufwendigen Ermittlungen mit Bezug zu anderen Mitgliedstaaten gebildet werden, oder wenn ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen erforderlich ist. Geleitet wird eine solche Gruppe von einem Vertreter der Polizeibehörde in dem Mitgliedstaat, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt. Dabei handelt der Gruppenleiter "im Rahmen der ihm nach innerstaatlichem Recht zustehenden Befugnisse". Auch muss sich die Gruppe nach den Rechtsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaat richten, in dem sie ihren Einsatz durchführt.

Dies gilt nicht für Ermittlungen in Uniform, sondern auch für verdeckte Ermittlungen. Diese Vereinbarung war allerdings nicht unumstritten. Deshalb wurde ein Passus eingefügt, nachdem jeder Mitgliedstaat jederzeit erklären kann, dass er dieser Vereinbarung nicht zustimmt. Falls die Beamten in dem anderen Mitgliedstaat Straftaten begehen oder falls Straftaten gegen sie begangen werden, werden sie "dem Beamten des Einsatz-Mitgliedstaates gleichgestellt". Dabei haftet der Mitgliedstaat, der den Beamten entsandt hat, für den durch die Beamten bei ihrem Einsatz verursachten Schaden.

Zugriff auf Internet noch auf Wunschliste

Das Übereinkommen bietet jetzt die rechtliche Grundlage, grenzüberschreitend Kommunikationsdaten abzugreifen und Kommunikationsinhalte abzuhören. Dabei geht es ausschließlich um den Telekommunikationsverkehr, nicht jedoch um das Internet. Unter dem Dokumententitel Enfopol 19 stehen derzeit noch die Forderungen der Polizei im Raum, auch bei den neuen Telekommunikationstechniken den grenzüberschreitenden Zugriff zu ermöglichen. Deutsche Politiker konnten in der Kürze der Zeit noch keinen Kommentar abgeben. In einer Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums zur Ratssitzung fand sich kein Wort zum verabschiedeten Abkommen, Justizministerin Däubler-Gmelin kommentierte die Sitzung gar nicht.

Der Europäische Rat für Justiz und Inneres diskutierte gestern während eines Mittagsessens auch Echelon, das anglo-amerikanische Spionagenetzwerk und wie sich die Mitgliedsstaaten vor dessen missbräuchlicher Verwendung schützen können.