Novartis-Chef: Töte, um zu gewinnen

Von Topmanagern gerade in der LifeScience-Branche sollte man ein wenig mehr Vorsicht in der Wortwahl erwarten

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Natürlich wollte er angeblich nur seine Mitarbeiter als Team motivieren, musste der Pressesprecher gleich entkräften, womit sich der neue Chef von Novartis-Pharma in Szene oder Positur setzen wollte. Der 41jährige Top-Manager Thomas Ebeling, studierter Psychologe und seit September 1999 an der Spitze von Novartis-Pharma (35.000 Mitarbeiter, 16 Milliarden Franken Umsatz), nachdem er zunächst drei Jahre lang für den Lebensmittelzweig des Konzerns zuständig war, schien von allen guten Geistern verlassen zu sein, als er anlässlich eines Firmenmeetings in Paris seinen Mitarbeitern letzte Woche 10 Grundregeln für die Führung des Pharmagiganten einhauchte.

Mit seiner Regel Nr. 8 "Do whatever it takes. Kill to win - No prisoners" (Mache alles, was nötig ist. Töte, um zu gewinnen, mach keine Gefangenen) hat sich das angebliche Vertriebsgenie - vormals bei "West" und "Pepsi-Cola" - aber eindeutig in seiner Wortwahl vergriffen, auch wenn er sie bewusst gewählt haben sollte, um eine neue Betriebsatmosphäre einzuleiten.

Mit Slogans wie "Be (with) the brand - 24 hours a day", "Spend to win" oder "Be smart - be paranoid" versuchte Ebeling, seine Leute auf einen neuen Kurs zu bringen. Möglicherweise dienen dazu bewusst missverständliche und provokative "Regeln", die nach dem Vortrag auch noch über das Intranet weltweit an alle Mitarbeiter des Pharmakonzerns verschickt wurden. Jetzt dürfen sich alle einer Gemeinschaft zugehörig empfinden, die nicht nur bedingungslosen Einsatz verlangt, sondern auch noch einen kruden Darwinismus predigt. Aber vielleicht lernt man so etwas ja bei den Psychologen.

Ebeling soll in der neugeschaffenen Position eines Chief Operating Officer (COO) die Pharma-Abteilung des Konzern für den Konkurrenzkampf fit machen, vor allem in den USA, wo Novartis am Pharma-Markt nur einen kleinen Anteil hat. Gleichwohl ist der Umsatz des gesamten Konzerns im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Prozent auf 19 Milliarden Franken (etwa 24 Milliarden Mark) gestiegen, wie Novartis am Montag in Basel bekannt gab.

Die achte, in der Antrittsrede von Ebeling propagierte Regel ist aber nicht nur missverständlich, sondern legt, um es höflich zu sagen, von höchster Geschmacklosigkeit Zeugnis ab. Wenn Pharmamanager als neue Führungsprinzipien einen kruden Darwinismus im Stil einer Kriegspropaganda predigen, dann ist das nicht nur unklug im eigenen Interesse, sondern schadet auch der gesamte Branche, die sich sowieso mit Gentechnologie und Genlebensmittel auf heiklem Terrain bewegt (In den Produkten von Novartis sind keine genveränderten Bestandteile). Erst im letzten Jahr wurde noch ein Novartis-Kodex beschlossen, der ganz anders klang: "Fairer, höflicher und respektvoller Umgang" und "einem hohen ethischen Standard verpflichtet". Von dem sucht sich Ebeling offenbar abzusetzen. Doch wenn Top-Manager glauben, mit wie metaphorisch auch immer gemeinten, aber expliziten Tötungsaufrufen Mitarbeiter motivieren zu müssen, dann sollten sie in den Chefetagen der Wirtschaft nichts mehr verloren haben.

Mit dem Auftritt Ebelings hat das Image von Novartis einen großen Schaden erhalten, auch wenn der Konzern gegenüber der SonntagsZeitung einräumte, dass die Slogans, aus dem Kontext gerissen, "zu falschen oder schädlichen Interpretationen führen könnten". Wenn die Manager von Pharmaunternehmen scheinbar über keinerlei wirtschaftsethische Grundlagen verfügen, dann ist besorgniserregend, dass gerade sie mit den neuen Technologien in der Lage sein werden, Leben neu zu designen und zu manipulieren. Es wird Zeit, erneut eine Debatte über Wirtschaftsethik zu führen, insbesondere im Bereich der boomenden Lebenstechnologien.