Sonnenstürme können PC zum Absturz bringen

Auch das Weltraumwetter ist in unserem Sonnensystem bisweilen recht wechselhaft

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Turbulent wird es meist dann, wenn unsere Sonne hochenergetische Strahlen Richtung Erde schickt. Dann sind unerklärliche Stromausfälle, Navigationsfehler, rätselhafte Störungen beim ICE, ja sogar Hardware-Schäden vorprogrammiert. Am Dienstag diskutierten in Bonn Experten über dieses Phänomen

Skizze zum Sonnenwind

Alle elf Jahre macht unser Heimatgestirn auf eigentümliche, aber dennoch natürliche Weise auf sich aufmerksam: Dann bescheren uns sogenannte "Sonnenflecken", hervorgerufen durch starke Magnetfelder, einen Strom ionisierender Teilchen. Trifft ein solcher Magnetsturm auf unseren Planeten, entwickelt er ungeahnte "Kräfte" mit nachhaltiger Wirkung. So geschehen Mitte März 1989, als ein Sonnensturm innerhalb von 90 Sekunden das Stromnetz der gesamten kanadischen Provinz Quebec für neun Stunden ausschaltete und einen Schaden von über einer Milliarde Dollar verursachte. Viele Menschen froren bei minus 15 Grad Celsius, da Elektroöfen ausfielen. Ampel funktionierten nicht mehr, Autos blieben stehen, da die elektrisch betriebenen Pumpen an den Tankstellen kein Benzin mehr lieferten.

Aber nicht nur im Land der Grizzly-Bären zeigte sich die fatale Wirkung dieser Plasmaströme. Rund um den Globus schalteten diese bereits Satelliten und Telekommunikations- und Navigationssysteme aus.

In der Tat wirft dieses Phänomen derzeit zahlreiche Fragen auf: Was sind die Ursachen für diese Teilchenströme, deren Partikel mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800 Kilometern pro Sekunde auf die Erde strömen? Wie sind die Auswirkungen auf unsere Energieversorgungssysteme? Sind Piloten und Flugbegleitpersonal einer höheren Strahlendosis ausgesetzt? Inwieweit lassen sich Magnetstürme vorhersagen - beispielsweise mit Hilfe der jüngsten DLR-Mission "CLUSTER II"? Was nützen die Prognosen - wie können wir uns schützen?

Auf diese Fragen versuchte am Dienstag eine Gruppe von Experten im Rahmen der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK) in Bonn Antworten zu finden.

Schon 1847 traten zum ersten Mal Störungen der Telegraphie durch Sonnenstürme auf. Seitdem sind in Elektronik, Raumfahrt, Luftfahrt, Telekommunikation, Stromversorgung, Gas- und Ölindustrie und im Eisenbahnverkehr zum Teil erhebliche Schäden und Beeinträchtigungen festgestellt worden. Einen Gipfel erreichen die Störungen meist dann, wenn die Sonnenaktivität nach 11 Jahren ihr Maximum erreicht; aber auch während ihrer Minimalphasen kann die Sonne so einiges "anrichten".

Darstellung von zwei der vier Cluster Satelliten vor dem Hintergrund der Erde

Dass der Effekt von Sonnenstürmen viele Bereiche des täglichen Lebens im wahrsten Sinne des Wortes "durchdringt", belegt die Statistik. Mehr als 30 Satelliten sind schon durch Turbulenzen im Weltraumwetter ausgefallen oder zumindest Systeme in ihnen. Manche Satelliten stürzten sogar regelrecht ab, da deren empfindliche Elektronik versagte. Beim letzten starken Sonnensturm im Jahre 1989 verlor die US-Navy auf diese Weise gleich vier ihrer Spionage-Satelliten. Aber auch Zugunfälle wegen Signalfehlschaltungen führen Wissenschaftler auf das launische Treiben der Sonne zurück.

Bereits seit einigen Jahren erforschen Wissenschaftler weltweit mit zunehmender Intensität die Phänomene des Weltraumwetters. Dabei richtet sich ihr Interesse besonders auf den Einfluss von Magnetstürmen auf irdische Technik. Angesichts der zunehmenden Abhängigkeit von hoch entwickelter Elektronik auf der Erde sehen sie hier dringenden Handlungsbedarf.

Reden die Forscher vom 'Weltraumwetter', dann verstehen sie darunter meist das komplizierte Zusammenwirken von galaktischer Strahlung aus den Tiefen des Kosmos, einem unterschiedlich starken und unterschiedlich schnellen Strom von Ionen und Elektronen, sowie der solaren Flares, gewaltiger Energieausbrüche auf der Sonne, die vor allem um das Sonnenfleckenmaximum mitunter mehrmals am Tage auftreten. Sonnenwind, Erdmagnetfeld und Flares spielen in einer Art zusammen, die durchaus mit dem irdischen Wetter vergleichbar sind. Gegenwärtig steht die Sonne kurz vor oder schon im Maximum des elfjährigen Zyklus.

Zwar sind Reisende im Flugzeug, so die einhellige Meinung der Teilnehmer der Wissenschafts-Pressekonferenz, nachweislich einer höheren Strahlungsbelastung als auf dem Erdboden ausgesetzt, aber dennoch gab der Hannoveraner Radioökologe Ulrich Schrewe in diesem Punkt in aller Deutlichkeit Entwarnung: "Es besteht kein Anlass, aufgrund dieser Strahlendosis von einer bevorstehenden Urlaubs- oder Geschäftsreise Abstand zu nehmen". Dagegen sei aber, so Schrewe, die Situation für das fliegende Personal weitaus schwieriger, da Ausbrüche der Sonne in kurzer Zeit erheblich zur ohnehin schon höher angesetzten zulässigen beruflichen Strahlenexposition von 20 Millisievert pro Jahr führen kann.

Es wurde auch darauf verwiesen, dass Sonnenstürme auch das GPS-Satellitennavigationssystem durch elektromagnetische Verwirbelungen in der Ionosphäre stören können. Auf den GPS-Aspekt machte der Navigationsspezialist Norbert Jakowski vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Neustrelitz aufmerksam. Gegenwärtig liege der Fehler bei einfachen GPS-Navigationsempfängern durch Störungen in der Ionosphäre bei bis zu 60 Metern, was für bestimmte Anwendungen - beispielsweise in der Luftfahrt -gefährlich werden könne. Eine genauere Beobachtung des Weltraumwetters könne rechtzeitige Warnung vor erwarteten Störungen ermöglichen. Außerdem könnten die Erkenntnisse bei der Konzeption des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo nützlich sein.

Bei alldem kann die solare hochenergetische Strahlung auch Computersysteme nachhaltig beschädigen. Sie kann sich von der Sonne bis zum Erdboden hinwirken und zugleich, wie der Greifswalder Physiker Dr. Frank Jansen vor der Wissenschafts-Pressekonferenz deutlich machte, durchaus Speicherinhalte von Computern verändern. Allerdings bestehe noch Uneinigkeit darüber, inwieweit bestimmte Hardwarekomponenten auf ein solches Strahlenbombardement reagieren. Als sicher gelte aber, so Jansen, dass die Stromausfälle 1989 seinerzeit ebenso auf Aktivitäten der Sonne zurückzuführen waren wie die zunächst unerklärlichen Zerstörungen an elektronischen Bauteilen, die Anfang der 90er Jahre den deutschen ICE plagten.

Uneinigkeit herrschte unter den anwesenden Experten indes, wann genau der nächste Sonnensturm seinen Höhepunkt erreicht. Die Prognosen reichten von 2000 und 2002. Immerhin ist sich das Gros der Forscher in einem Punkt einig: Gegen die Allmacht der solaren Strahlen kann vorerst keiner was ausrichten - sie treffe alle und alles.

Ob der Besitzer eines heimischen PCs diese natürlich bedingte Gerechtigkeit wirklich "gerecht" findet, darf allerdings bezweifelt werden.

- Was sind Sonnenwinde und Sonnenstürme. Ein interessantes 13-minütiges Video mit Erklärungen von Prof. Harald Lesch (Alpha-Centauri/br-alpha)