Sind alle Telefonbenutzer und privaten Surfer Kriminelle?

Datenschutzbeauftragte warnen vor der Ausweitung der Datenspeicherei durch die Telekommunikationsdatenschutzverordnung

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Am Freitag will der Bundesrat über die Telekommunikationsdatenschutzverordnung (TDSV) entscheiden, einen Anhang zum Telekommunikationsgesetz (TKG). Entgegen den Forderungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses ist auf Vorschlag des Innenausschusses vorgesehen, sämtliche Verbindungsdaten zum Zweck der Verbrechensbekämpfung ein halbes Jahr lang aufzubewahren. Die Datenschutzexperten sehen die Ausweitung als nicht verfassungsmäßig an und fürchten, dass gerade die "arglosen" Telefon- und Internetbenutzer dadurch ins Visier der Strafverfolger geraten.

Als "Datenschutzverordnung" kommt die TDSV daher, die der Bundesrat in seiner ersten offiziellen Sitzung in seiner neuen Unterkunft, dem ehemaligen Preußischen Landtag in der Leipziger Straße, beschließen soll. Doch hinter der schönen Bezeichnung verbirgt sich - einer Erklärung der Datenschützer zufolge - eine Verpflichtung der Telekommunikationsanbieter zur "gefährlichen, verfassungsrechtlich angreifbaren Vorratsdatenspeicherung".

Was die Wächter über die Privatsphäre besonders auf die Palme bringt: Die Ausweitung der Speicherfristen ist zur Abwicklung des Telekommunikationsverkehrs nicht nötig. Sie "dient nur als vorsorgliche Datensammlung für eventuell in der Zukunft stattfindende Zugriffe der Sicherheitsbehörden". Damit werde unterstellt, dass die Verbindungsdaten aller Telefonbenutzer und aller Surfer, die sich über eine Telefonleitung ins Internet einwählen, zur Strafverfolgung oder zu geheimdienstlichen Zwecken gebraucht würden.

Bisher werden die Verbindungsdaten, also alle Angaben darüber, wer an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt war und wann dieser stattgefunden hat, bei den Anbietern 80 Tage nach Versendung der Rechnung aufbewahrt. So ist es den Anschlussinhaberinnen und -inhabern möglich, im Fall von Reklamationen eine Prüfung vornehmen zu lassen. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates beschloss Ende Juni, diese Regelung weitgehend fortzuschreiben.

Die Innenminister der Länder waren allerdings anderer Ansicht: Abweichend vom Wirtschaftsausschuss hat der Innenausschuss des Bundesrates die Empfehlung abgegeben, dass sämtliche Verbindungsdaten grundsätzlich sechs Monate lang vorgehalten werden sollen. Dahinter steht die Überlegung, dass damit die Menge der Daten vergrößert wird, auf die Sicherheitsbehörden im Bedarfsfall zugreifen können. Eine derartige Entscheidung hatte der Landesdatenschutzbeauftragte von Brandenburg, Alexander Dix, im Juni in einem Gespräch mit Telepolis (Neue Datenschutzverordung zur Telekommunikation in der Kritik) bereits als inkakzeptabel bezeichnet, da die anfallenden "umfangreichen personenbezogenen Datenbestände ohne Bindung an einen Straftatenkatalog, also auch bei Bagatellstraftaten, von den Strafverfolgungsbehörden nach dem Fernmeldeanlagengesetz genutzt werden" könnten.

Es geht niemand etwas an, wer wann mit wem telefonisch, per Fax oder Email Kontakt hat

In ihrer gemeinsamen Erklärung kritisieren die Datenschützer nun weiter, dass die geplante verlängerte Speicherung ihren Zweck gar nicht erfülle, da die Kunden eine Verkürzung der Speicherungsdauer im Einzelfall vertraglich vorsehen können. Jeder Nutzer mit krimineller Absicht könne und würde sicherlich davon Gebrauch machen.

Von der Verlängerung der Fristen in erster Linie betroffen blieben daher vor allem die "arglosen Telekommunikationsnutzenden". Das Risiko eines Missbrauchs ihrer Daten werde durch die längere Speicherungsdauer massiv erhöht. "Die gewaltigen, bei den Anbietern vorgehaltenen Datenfriedhöfe", fürchten die Experten, "sind im besten Fall unnütz und teuer, in jedem Fall aber ein unnötiger Eingriff in das Fernmeldegeheimnis."

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass das Fernmeldegeheimnis ein hohes Gut ist, das auch die Verbindungsdaten schützt. Die Datenschützer sind daher der Auffassung, dass es "grundsätzlich niemanden etwas angeht, wer wann mit wem telefonisch, per Fax oder Email Kontakt hatte". Sie erwarten vom Plenum des Bundesrates, dass er der sinnlosen Datensammelei einen Strich durch die Rechnung macht.