Deutschland bleibt auch unter Rot-Grün "Weltmeister im Abhören"

Bundesregierung legt Abhörzahlen vor

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Die Antwort des Bundesjustizministeriums (BT Drs. 14/4055) zu einer kleinen Anfrage der PDS-Abgeordneten Petra Pau liegt jetzt vor, die der Bundesregierung zur Telekommunikationsüberwachung auf den Zahn gefühlt hatte.

Mittlerweile sind es ja nicht mehr die Grünen, die sich in kleinen Anfragen bei der Regierung zu Themen wie Kryptografie oder Überwachung erkundigen, sondern Abgeordnete der PDS. Anders als die Bündnisgrünen stehen sie nicht in der Pflicht, ihre Fragen mit einer anderen Partei abstimmen zu müssen.

Wie aus der Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs Eckhart Pick hervorgeht, bleibt die Tendenz der Vorjahre ungebrochen: Auch 1999 haben die Strafverfolgungsbehörden wiederum deutlich häufiger als 1998 den Telekommunikationsverkehr überwacht.

Der Generalbundesanwalt und die Staatsanwaltschaften der Länder ließen in 3066 Strafverfahren, im Vorjahr noch 3034, die Telefone und Faxgeräte von insgesamt 6646 Anschlussinhabern, im Vorjahr 6443, überwachen. Hierbei sind die Zahlen von Baden-Württemberg (LT-Drs. 12/5494) bereits enthalten, die in der Antwort auf die kleine Anfrage noch nicht genannt waren.

Zu den Spitzenreitern gehören die großen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern, gefolgt von Hessen. Dabei erfolgten mit Abstand die meisten Überwachungsmaßnahmen wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, gefolgt von Bandendiebstahl und Mord. Diese Straftaten gehören zu den so genannten Katalogstraftaten des Abhörparagrafen 100a der Strafprozessordnung. Die Justizministerien führen die seit dem 1. Januar 1996 einheitlichen Erhebungen durch.

Hinzu kommen Abhörmaßnahmen seitens des Bundeskriminalamtes, des Zollfahndungsdienstes und des Zollkriminalamtes als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft. Sie führten knapp 2000 Abhöranordnungen aus. Hinzu kommt die Kontrolle der Geheimdienste aufgrund des G-10-Gesetzes.

Nach Angaben des bündnisgrünen Abgeordneten Christian Ströbele ist die nicht mitgeteilte Zahl der betroffenen Einzelanschlüsse sowie der überwachten Beteiligten und Kommunikationseinheiten "weit höher". Auch öffentliche Fernsprecher wie Telefonzellen wurden abgehört. Ströbele:

"Rund 40 Prozent der Abhörmaßnahmen, deren Dauer ebenfalls stieg, richteten sich gegen unverdächtige Anschlussinhaber."

In den nächsten Wochen werden die - nach anderen Kriterien erfassten - weit höheren Überwachungszahlen der auf Basis von Paragraf 88 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) durchführenden Telekommunikationsgesellschaften veröffentlicht. Diese nannten schon für 1998 knapp 10.000 ausgeführte Abhöranordnungen gegen knapp 14.000 Anschlüsse.

Für Ströbele ist klar: "Damit ist Deutschland weiterhin Weltmeister im Abhören". Er fordert deshalb künftig, dass "die Begleitumstände der Überwachung genauer als bisher, also nach Grund, Umfang der Betroffenen und "Erfolge" erfasst und analysiert werden". Eine Verschärfung der Abhörvoraussetzungen und strikte Kontrollmechanismen seien geboten.

Die Bundesregierung hat deshalb bereits im letzten Jahr beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg eine wissenschaftliche Untersuchung zur Rechtswirklichkeit der Telekommunikationsüberwachung in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen voraussichtlich im nächsten Jahr vor.