USA lehnen Zusatzprotokoll zur Biowaffenkonvention ab

Wieder einmal ist ein internationales Abkommen durch die Haltung der Bush-Regierung gefährdet

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Nach Informationen der Washington Post werden die USA das Zusatzprotokoll für das "Abkommen zum Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer Waffen" nächste Woche ablehnen. Die US-Regierung unterstütze zwar das Abkommen, könne aber das Zusatzprotokoll nicht akzeptieren, weil es zu viele Schlupflöcher offen lasse. Damit wird die Bush-Regierung, die auch aus dem Kyoto-Abkommen zur Klimareduzierung ausgestiegen ist, mit dem Raketenabwehrschild den ABM-Vertrag unterläuft und gerade auch das UN-Abkommen über die Kontrolle kleiner Waffen verwässert hat, das nächste internationale Abkommen gefährden. Die letztes Verhandlungsrunde der Ad-hoc-Gruppe zur Ausarbeitung des Zusatzprotokolls tagt für vier Wochen im Juli und August. Mit dem wahrscheinlichen Ausscheren der USA steht nun das ganze Abkommen auf der Kippe.

Schon im Mai empfahl eine Komitee aus Mitarbeitern des Außen-, Verteidigungs-, Energie- und Wirtschaftsministeriums sowie der Geheimdienste der US-Regierung, dass sie das über 200 Seiten starke, in sechsjährigen Verhandlungen ausgearbeitete Protokoll nicht unterschreiben soll. Die Verfizierungsverfahren würden Betrug, so der Haupteinwand, nicht verhindern können. Damit war die Haltung der US-Regierung bereits vorgezeichnet (USA lehnen Biowaffenkonvention ab).

1972 wurde das Biowaffenabkommen von 143 Staaten unterzeichnet, das die Entwicklung, Produktion und Lagerung von biologischen Waffen und Toxinen verbietet. Allerdings sah das Abkommen keine Verfahren vor, wie sich die Einhaltung überprüfen ließe. Nachdem 1992 bekannt wurde, dass die damalige Sowjetunion weiterhin ein großes Forschungsprogramm zur Entwicklung von Biowaffen betrieben hatte, und vor allem als 1995 klar wurde, dass der Irak, obgleich ebenfalls Unterzeichner des Abkommens, große Mengen von biologischen Waffen wie Anthrax (Milzbrand) produziert und bereits in Sprengköpfe eingefüllt hatte, begann man im selben Jahr mit den Verhandlungen über ein Zusatzprotokoll. Nach sechsjährigem Verhandlungsmarathon, die letzte Sitzung fand im April und Mai in Genf statt, liegt nun ein Entwurf von 210 Seiten mit 500 Seiten Erläuterungen vor, der natürlich ein Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen ist und eine ganze Reihe von Lücken offen lässt.

Die Mitgliedsstaaten müssen angeben, ob sie bereits Biowaffenprogramme durchgeführt haben und in welchen Labors Versuche mit bestimmten Krankheitserregern beispielsweise zur Entwicklung von Impfstoffen stattfinden. Aber sie wären nur verpflichtet, Hochsicherheitslabors und größere Labors zu benennen, die dann routinemäßig überprüft würden. Festgelegt wird eine Höchstgrenze für die Anzahl möglicher Inspektionen in einem Jahr pro Staat und Labor/Firma, die Dauer und die Verfahren der Inspektion und eine Voranmeldefrist für zufällig ausgewählte Inspektionen von vierzehn Tagen. Routinemäßige Inspektionen zur Überprüfung der Angaben sollen so nur zwei Stunden dauern. Biowaffen könnten aber auch kleineren Firmen, die nicht gemeldet werden müssen, hergestellt werden. Durch die lange Voranmeldung lassen sich Spuren beseitigen. Wenn es ausgerechnet um die "nationale Sicherheit und Betriebsgeheimnisse" geht, hat das besuchte Labor die Möglichkeit, entsprechende "Vorkehrungen" zu ergreifen, das Sammeln von Proben zu verhindern und Fragen nicht zu beantworten. Ähnliche Einschränkungen gibt es, wenn in einem Land eine verdächtige Seuche ausgebrochen ist oder ein Staat einen anderen bezichtigt, Biowaffen eingesetzt zu haben.

Das interministerielle Team soll bei der Überprüfung des Entwurfs für das Zusatzprotokoll auf 38, zum Teil schwere Lücken hingewiesen haben, die es Betrügern leicht machen, das Abkommen zu umgehen. Die USA befürchten, dass sie bei einem solchen Abkommen mehr durch Inspektionen in ihrem Land verlieren, als sie etwa an Sicherheit gewinnen könnten (Wirtschaftsspionage, Behinderung der Arbeit von Labors etc.). Und obgleich die vielen Lücken kritisiert werden, die auch wirklich vorhanden sind und die das Schwindeln erleichtern, hatten sich auch die amerikanischen Delegierten dafür eingesetzt, die Handlungsmöglichkeiten von Inspektionsteams zu beschränken, um die heimische Industrie zu schützen und nicht zuviel Einblick in die eigenen Anstrengungen der Bekämpfung von Biowaffen zu geben. Seit Beginn der Bush-Regierung hätten die US-Delegierten auch nicht mehr aktiv an den Verhandlungen teilgenommen, wird kritisiert, also auch nichts dafür getan, das Protokoll strenger zu machen.

Während das Abkommen durch die Ablehnung der USA möglicherweise ganz scheitert oder erneute Verhandlungen sich noch lange hinziehen, wachsen die Möglichkeiten, bessere biologische Waffen zu schmieden. Noch ist sicherlich die Gefahr, die etwa von gentechnisch veränderten Erregern ausgeht, nicht sehr groß. Doch werden immer mehr Genome von Viren und Bakterien sequenziert und die Möglichkeiten der Schaffung von transgenen Organismen verfeinert, um beispielsweise die Gefährlichkeit des einen Erregers mit der Virulenz eines anderen zu verbinden oder eine bakterielle Waffe resistent gegen Antibiotika zu machen.

Aber die Waffenentwickler müssten sich nicht auf die Kombination bestehender Gene beschränken. Biopharma-Unternehmen setzen bereits, wie ein Artikel in Nature (411, 17. Mai 2001) berichtete, Verfahren einer "gesteuerten molekularen Evolution" ein, indem sie erwünschte Veränderungen durch höhere genetische Variation und künstliche Selektion bewirken. Die Firma Maxygen hat etwa Methoden entwickelt, wie Gensequenzen auch unterschiedlicher Organismen fragmentiert und dann wieder in unterschiedlichen Weisen zusammengesetzt werden können, um künstlich Mutationen zu erzeugen. Was man für die Entwicklung von Medikamenten einsetzen kann, lässt sich aber auch für die von gefährlichen Organismen mit bestimmten Eigenschaften einsetzen. So konnte die Firma E. coli Bakterien herstellen, die 32000 Mal weniger empfindlich für ein bestimmtes Antibiotikum waren als wild lebenden.

Eine andere Möglichkeit wäre es, die Vektoren, die man in der Gentherapie für das Einschleusen von Genen in die Körperzellen benutzt, zum Transport von schädlichen Genen zu verwenden. Ob es jemals möglich sein wird, Biowaffen zu erzeugen, die nur bei bestimmten ethnischen Gruppen gefährlich werden, ist allerdings sehr fraglich. Manche Forscher bezweifeln überdies überhaupt, dass in nächster Zeit aus den Genlabors überlebensfähige transgene Viren oder Bakterien kommen werden. Sie könnten schnell ihre gefährlichen Eigenschaften verlieren, überdies vertragen sich oft auch Eigenschaften wie Virulenz und Übertragbarkeit nicht. Daher bleiben vielleicht vorerst die herkömmlichen Erreger wie die Pest, Milzbrand, Lassa, Pocken oder Ebola die gegenwärtig für Menschen wirklich gefährlichen Organismen.

Hier wird auch gleich eine Problematik deutlich. Auch wenn gentechnisch oder auf eine andere Art veränderte Viren oder Bakterien als mögliche "Waffen" identifiziert werden können, weil sie bislang nicht oder nicht in dieser oder jener Gegend gefunden wurden, so ist bei den gewöhnlichen Erregern vielleicht nur schwer feststellbar, ob eine von ihnen ausgelöste Epidemie ein Anschlag ist oder nicht. Anders als bei den nuklearen und chemischen Waffen ist der gesamte Bereich der Biotechnologie von den Organismen bis hin zu den Geräten und Labors kaum unterscheidbar für zivile, terroristische und militärische Zwecke verwendbar. Das macht auch ein Verifizierungsprotokoll so problematisch, das auch vermeiden soll, dass Gerüchte geschmiedet oder immer wieder aufgrund von kaum ganz abzuweisenden Vermutungen Inspektionen durchgeführt werden, um etwa auch so einen Gegner zu schädigen.

Ein vom Chemical and Biological Weapons Nonproliferation Project des Stimson Center Anfang Mai veröffentlichter Bericht, der im wesentlichen die Beurteilungen von Experten aus Universitäten, Unternehmen und dem Militär zusammenfasst, weist ebenfalls auf die vielen Schwächen und Lücken des Protokolls, aber auch auf die grundsätzlichen Probleme hin (House of Cards. The Pivotal Importance of a Technically Sound BWC Monitoring Protocol). Beispielsweise kenne man die Substanzen und Nebenprodukte der chemischen Waffen, so dass diese sich zweifelsfrei von Chemikern in einem Labor identifizieren lassen. Überdies seien die Entwicklungen im Bereich der Chemie "relativ statisch gegenüber der Geschwindigkeit, in der technische Forschritte die pharmazeutische und biotechnologische Forschung, die Testprozeduren und die Herstellungsanlagen verändern." Aber nicht nur die Geschwindigkeit bereitet Schwierigkeiten, sondern auch die Einsicht in das, was in den biotechnologischen Labors wirklich vor sich geht.

Wahre Wundermenschen wären nach dem Bericht des Stimson Center für die Inspektionen erforderlich. Sie müssten über den neusten Stand der Forschung praktisch und theoretisch Bescheid wissen und in vielen Bereichen wie der Bioinformatik, der Molekularbiologie, der Sicherheitstechnik oder der Aerobiologie, aber auch als Mikrobiologen für einzelne Pathogene wie Pilze oder Bakterien Spezialisten sein, um sehen zu können, was in einem Labor gemacht wird. In einem Test des Stimson Center hatten zwei erfahrene Inspektoren in einem präparierten Labor, in dem Tuberkulose-Forschung betrieben wurde, die angebrachten Hinweise übersehen, weil sie sich damit nicht auskannten: im Kühlschrank ein Medium, das nicht für den Tuberkulose-Erreger verwendet wird, einen entsprechenden Eintrag im Laborbuch und eine Kultur von Bacillus subtilis, eine mit dem Milzbranderreger verwandte Bakterienart.