Wenn Langnasen von Schlitzaugen reden

Auch Chinesen kennen zahlreiche abschätzige Bezeichnungen für Ausländer

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Die Stegreif-Rede von Günther Oettinger im Rahmen einer Veranstaltung des Unternehmensverbandes AGA mag für die anwesenden Vertreter mittelständischer Unternehmen ein Ohrenschmaus gewesen sein. Hätte er sie als Privatmann im vertrauten Kreise des Stammtisches norddeutscher Groß- und Außenhändler gehalten, wäre es sein Privatvergnügen gewesen.

Die Veranstaltung wurde beim AGA Unternehmensverband jedoch unter der Rubrik Politik & Information als 27. Europa-Abend mit Günther H. Oettinger aufgeführt. Man legt bei AGA wert auf den Hinweis, dass Repräsentanten des konsularischen Korps, aus Verwaltung, Politik und Medien zusammengekommen (seien), um einen Abend ganz im Zeichen Europas mitzuerleben. Festredner war Günther H. Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft.

Dass seine launische Rede als Aufzeichnung aus der Veranstaltung auf dem Panoramadeck des Emporio Towers in Hamburg weltweit verbreitet wird, musste dem EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft klar gewesen sein, wenn er das von ihm betreute Geschäftsfeld versteht. Dass diese Rede in Hamburg bei Groß- und Außenhändlern gehalten wurde und dort zumindest teilweise auf Begeisterung stieß, macht die Sache nicht besser.

Die Hafenstadt Hamburg ist seit Jahrzehnten über einen Partnerschaftsvertrag mit Shanghai verbunden und Sitz zahlreicher Niederlassungen chinesischer Firmen. Die Kenntnis über die Empfindlichkeiten im Umgang mit Chinesen kann man in diesem Umfeld als bekannt voraussetzen. Entweder Oettinger war schlecht gebrieft oder es war Absicht.

Oettingers Rede steht im Raum, nachträgliche Erklärungsversuche machen sie nicht besser

Dem künftigen EU-Vizepräsident und Verantwortliche für den EU-Haushalt wird sein in Hamburg geoffenbartes Welt-Verständnis wie Pech an den Füßen kleben. Er hat mit seiner Rede das Niveau im Umgang mit chinesischen Handelspartnern auf eine Ebene abgesenkt, die schon weitgehend in Vergessenheit geraten war.

Die Tatsache, dass Oettinger die in Ostasien vorherrschende Form der Augen in einen Zusammenhang mit Schlitzohren setzte, macht den Vorfall auch nicht besser. Der Begriff Schlitzohr wird heute meist für mehr oder weniger große Gauner gebraucht, wurde jedoch zu Zeiten größerer Volksgläubigkeit auch für Menschen genutzt, die mit dem Teufel im Bunde waren.

Das zumeist mit “Langnase” übersetzte abschätzige 長鼻子, ist dabei noch die harmloseste Version. Mit鬼佬 (gweilo) "Geistermensch" oder "geisterhafte/bleiche Person" werden Menschen mit heller Haut und blonden oder roten Haaren beschrieben, besonders wenn sie auch noch grüne oder blaue Augen haben. Auch 洋鬼子 mit der Bedeutung "ausländischer Geist" zählt zu den abwertenden Bezeichnungen für Ausländer, die in China durchaus gebräuchlich sind. Der aus den Erfahrungen mit den Westlern abgeleitete Begriff 洋鬼子(yangguizi) , der als "ausländischer Teufel" übersetzt wird, ist auch heute nicht ungebräuchlich. Westlichen Ausländern entgeht eine solche Bemerkung zumeist dank fehlender Sprachkenntnisse.

Oettinger hat mit seiner Hamburger Rede rassistische Begrifflichkeiten im politischen Umfeld wieder salonfähig gemacht. Mit der Tatsache, dass er in China damit auch auf längere Sicht stärker verbunden ist als mit seiner politischen Tätigkeit, muss er leben. Seine ausgeprägte Nasenform wird dies unterstützen.