Untiefen im Kampf gegen Rechts

Einige Web-Beispiele für Hochstapler und Mitläufer

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Der Kampf "gegen Rechts" in Deutschland ist zu einem Tummelplatz für Hochstapler, Wichtigtuer und Betrüger geworden. Es scheint, dass selbst bei seriösen Medien der Verstand aussetzt, behauptet nur irgendjemand, er sorge dafür, dass es weniger vom Bösen - zum Beispiel "rechtsextremen Homepages" - gebe. Wie könnte man sonst erklären, dass niemand recherchiert, was Hochstapler wie Dennis Grabowski von der so genannten Initiative Zusammen gegen Rechts im Internet oder Magnus Becker von der Weissen Rose Dortmund behaupten? Oder warum überprüft niemand die Fakten, wenn ein Domain-Grabber wie Marcus Rabanus nazis.de behauptet, er stünde einer Organisation vor, die sich um "Aussteiger" aus der rechten Szene kümmere?

Selbst die Deutsche Presseagentur ging Grabowski und seiner nur aus ihm selbst bestehenden "Initiative" auf den Leim. Angeblich hat "Zusammen gegen Rechts im Internet" dafür gesorgt, dass im ersten Halbjahr 118 "rechtsextreme Homepages" abgeschaltet worden seien. Viele Zeitungen habe die Meldung abgedruckt. Die exakte Zahl "118" suggeriert Seriosität, genau so wie die in der Presseerklärung der "Initiative" unter anderem genannten Neonazi-Organisationen "Kameradschaft Gera" oder "Neogermania". Letztere hat es nie gegeben, und die Website der ersteren lag auf einem US-amerikanischen Server und wurde schon im letzten Jahr vom Netz genommen.

Wie es sich für einen ordentlichen Hochstapler gehört, behauptet die "Initiative" auch, "weltweit" tätig zu sein. Alles gelogen und noch nicht einmal gut erfunden. Jedem, der auch nur fünf Minuten recherchiert, müsste auffallen, dass Grabowski die Welt noch vor wenigen Monaten mit einer Berliner UFO-Gesellschaft beglückte, deren Website und Welterklärungsmodell ungefähr so seriös erscheinen wie das der Zeugen Jehovas. Und so seriös ist auch "Zusammen gegen Rechts im Internet".

Wesentlich professioneller und hart am Rand der Kriminalität geht Magnus Becker mit www.weisse-rose.org vor. Becker wurde vor einigen Jahren vom Frauenbüro Münster mit Geld unterstützt. Er behauptete, das Mädchen-Projekt "Weisse Rose Münster e.V." sowie eine Online-Mädchenzeitung initiiert zu haben ("Deutschlands einzige virtuelle Maedchenzeitschrift", vormals www.muenster.org/femaidl/girlie, buene.muenster.de/femaidl/, iaiwww.uni-muenster.de/wiw/Girli-e-zine/). Im Usenet schrieb er seit 1996 in zahlreichen Newsgroups, "Anti-Gewalt-Training für jugendliche Opfer" anzubieten. Der Verein hätte schon mehrere junge Frauen vor der Abschiebung bewahrt und nicht-straffälligen Jugendlichen den Ausstieg aus der rechten Szene ermöglicht. Nichts davon ist wahr.

Selbst die Tagesschau vom 11.12.2000 wiederholte die wilden Thesen Beckers, sein Projekt ("Love-Homepages gegen die Hass-Homepages der Rechten") habe 1422 "Mitstreiter" in ganz Deutschland, ohne auch nur einmal irgend etwas nachgeprüft zu haben. Der Sender VOX berichtete ebenfalls im Dezember 2000 wohlwollend über den Hochstapler, ohne Verdacht zu schöpfen. Becker orientierte sich jeweils nach der medialen Großwetterlage. Im Dezember 1996 behauptete er, sein Projekt habe "Kontakt zu Maedchen in Belgien aufgenommen. Um der grausamen Mädchenpornographie (nicht nur im WWW) 'Mädchenpower' entgegenzusetzen." Die "Weisse Rose" sei ein "EU-weit via WWW aktiver Jugendschutzverein".

Ein eingetragener Verein existiert nicht, eine wissenschaftliche Evaluation ebenso wenig. Becker behauptet, Studenten der "Liste 10" der Uni Münster würden sein Projekt überprüfen. Auch das ist dreist gelogen: Becker hatte sich als Kandidat einer Liste der "Unabhängigen Studierenden" aufgestellt, die Unterschriften für seine Kandidatur kamen aber unter so dubiosen Umständen zusammen, dass mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde. Becker hatte suggeriert, dass es um Unterschriften "gegen Rechts" gehe und so ahnungslose Studenten für seine Zwecke missbraucht.

Das Studentparlament der Uni Münster sprach von "Überrumpelungstaktik". Studenten der Uni Münster behaupten, dass Magnus Becker auch mit einem anderen Hochstapler zusammenarbeitet - mit René Schneider. Der sei "ein dubioser Mensch, der schon mal bei einem seiner Vorträge bei Burschenschaften eine Schusswaffe (wahrscheinlich Gaspistole) gezogen haben und dabei Drohungen gegen Linke ausgesprochen haben soll."

Selbst als der Hochstapler Becker forderte, man müsse mit Mädchen aus der rechten Szene schlafen, um sie zum Ausstieg zu bewegen, wurde er noch mit öffentlichen Geldern gefördert. In mehreren Städten des Ruhrgebiets gelang es ihm, Beträge von 800 DM für seine Website lockerzumachen. Unterhalb dieser Größenordnung wird kaum kontrolliert, wofür das Geld verwendet wird. Auf der Website der "Weissen Rose Dortmund" bedankt sich Becker bei der Stadt Dortmund für die Zusammenarbeit. Das Jugendamt der Stadt Dortmund hat ihm vor anderthalb Jahren rund 2000 DM überwiesen - für die Website des ominösen Vereins. Auch dieser Verein ist weder eingetragen noch findet eine real existierende Arbeit statt. Auf der Website stehen nur hohle Phrasen. Jetzt schöpfte Klaus Birkholz, der Leiter der Abteilung Jugendarbeit, Verdacht, dass alle Projekte Beckers nur aus ihm und heißer Luft bestünden. Das Jugendamt will das Geld zurückfordern.

In Münster brach Becker fluchtartig seine Zelte ab, nachdem aus seiner Kandidatur für die Unabhängigen Bürger für den Bundestag nichts wurde. An Warnungen vor Becker fehlte es ohnehin nicht. Ulrike Graff von der Landesarbeitsgemeinschaft für Mädchenarbeit in NRW kritisierte, dass Becker Mädchen fotografierte und ihre Bilder ins Internet stellte. Dieter Glaap von der Akademie Remscheid äußerte Skepsis, dass ein Mann den Vorsitz bei einem Mädchen-Projekt habe. Dennoch wurde und wird Becker von zahlreichen Initiativen und Schulen eingeladen. Offenbar geht es beim "Kampf gegen Rechts" nicht um Inhalte, sondern um sinnfreie Betroffenheit und Selbstdarstellung.

Auch die wirre Website nazis.de, Domain-Inhaber: Markus Rabanus Grundstücksverwaltungen, entbehrt jeden ernst zu nehmenden Inhalts. Ein großes Nachrichtenmagazin bezeichnete nazis.de fahrlässig als "Selbsthilfeseite". Rabanus betätigt sich vornehmlich als Domain-Grabber. Er besitzt u.a.: www.initiative-dialog.de, www.rassismus.de, www.antisemitismus.de, www.zigeuner.de, www.jude.de, www.zivile.de, www.kulturlexikon.de, www.reisebegleitung.de, www.kontrovers.de, www.sommertour.de, www.rabanus-verlag.de, www.neue-models.de, www.kindercasting.de, www.model-lexikon.de, www.misswahlen.de, www.modelcasting.de, www.gesicht-des-monats.de, www.model-des-monats.de, www.internet-journal.de, www.jetCard.de, www.user-verlag.de, www.zugriffe.de, www.thulenet.de. Schwerpunkt seiner Interessen scheint aber nicht die rechte Szene, sondern eher Models und Miss-Wahlen zu sein. Sinn macht das nicht. Und was das Tohuwabohu auf nazis de gegen Rassismus und Antisemitismus bewirken soll, bleibt selbst dem gutwilligsten Surfer verborgen.

Vielleicht sollten Journalisten, die über die vielen sinnfreien Initiativen "gegen Rechts" berichten, zwei Dinge beherzigen: Bevor man eine Website ernst nimmt, sollte man recherchieren. Und das Motto des verstorbenen Nachrichtensprechers Hanns-Joachim Friedrichs: "Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken."

Gegendarstellung von Markus Rabanus

27. August 2001

Sehr geehrter Herr Schröder,

Ihr Beklagen, dass Berufskollegen bezüglich der Initiative-Dialog nicht hinreichend recherchieren würden, träfe allenfalls auf Sie selbst zu, wenn Sie es nicht besser wüssten:

Entgegen Ihrer Mutmaßung betreut die Initiative-Dialog Aussteiger und gewährt Hilfen vielfältiger Art.

Entgegen Ihrer Mutmaßung bin ich weder Vorsteher der Initiative-Dialog noch sind uns Presseberichte solchen Inhalts bekannt.

Entgegen Ihrer Mutmaßung existiert auf einem US-Server eine WebSite namens "Neogermania". Wir erstatteten Anzeige, da auf einer schwarzen Liste unter dem Titel "Feinde des Reiches" zu Straftaten gegen uns aufgefordert wird.

Entgegen Ihrer Mutmaßung hat die Initiative-Dialog nichts mit den kommerziellen WebSites meines Verlages zu tun.

Entgegen Ihrer Mutmaßung hat weder der Besitz politischer noch kommerzieller Domains etwas mit Domaingrabbing zu tun, zumal niemandes Rechte dadurch berührt werden.

Einzig zutreffend dürfte Ihre Mutmaßung sein, wonach ich mehr Gefallen an Models haben könnte als an Skinheads. Dies wäre jedoch weniger eine politische als eine ästhetische Frage.

Wir wiederholen unser Angebot, Ihre Rechercheergebnisse durch einen Besuch in unserer Berliner Redaktion zu überprüfen.

Wir wiederholen unsere Aufforderung an Sie, die Verlinkung zu unseren WebSites zu unterlassen und sich ehrenrühriger Kommentierungen zu enthalten.

Wir wiederholen unsere Aufforderung an Sie, die "umfangreichste deutschsprachige Sammlung von Nazi-Links im WWW" aus Ihrer WebSite zu entfernen.

Wir wiederholen unsere Aufforderung an Sie, Ihre Auseinandersetzung mit der WebSite Nazis.de oder mit mir als Person nicht als journalistische Tätigkeit zu deklarieren.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Rabanus