Mach's noch einmal, Sam

Das "DNA Copyright Institute" verspricht umfassenden Schutz gegen Klone

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"And you think you look like James Bond, when you're smoking your cigar. It's so bizarre." Das könnte weniger bizarr sein, als es Harpo seinem Möchtegern-Moviestar unterstellte, der ihn ganz nach oben in die Charts katapultierte. Demnächst überführt echte Klonpower das Film- und Stargeschäft in das Zeitalter seiner gentechnischen Reproduzierbarkeit.

Humphrey Bogarts obercool auf der Unterlippe klebende Zigarette, das aufreizende Lachen der Monroe, Gregory Pecks stilvolles Räuspern, der unsterbliche Glamour von Rita Hayworth: "Das ist alles nur geklaut und gestohlen, nur gezogen und geraubt, Entschuldigung das hab' ich mir erlaubt!" (Die Prinzen). So weit darf es nicht kommen. Nicht für Dutzendtypen, sondern eben für "hochprofilierte" Individuen wie Schauspieler, Modelle, Athleten, Musiker, aber auch Wissenschaftler bietet das DNA Copyright Institute in San Francisco deshalb nun umfassenden Schutz gegen DNA-Diebstahl, Klonen und andere gentechnologische Selbstenteignungen an. "EveryOne a Designer Original" - lautet der Slogan des Instituts, der als Authentizitätsnachweis auch jeder Jeans gut stünde. Stars sollen den Service nutzen, um ihre rechtlichen Erstanspruch zu sichern, wenn irgendwer sie gegen ihren Willen klont. Zwar gilt bereits seit dem 18.Jahrhundert der Unterschied zwischen Kopie und Original als Maßstab des wahren Menschseins, aber erst jetzt begreifen wir die Untiefen, in die uns der "homme-copie" führt.

Der Klon als Prozessgegner

Andre Crump vom "DNA-Copyright Institute" schürt kräftig Selbstverlustängste. Ein einziger Telefonanruf könnte schon genug DNA auf dem Hörer zurücklassen, um einen Klon zum Leben zu erwecken. Gattaca, Golem und Höllenzauber - ein Logo kann man schützen, aber die Persönlichkeit soll im nächsten Gen-Labor zur Bio-Dutzendware verkommen? Nach bestehender Rechtslage hilft der Copyright-Schutz zwar noch nicht so weit, dass der gegen den Willen des hundertprozentigen Originals geschaffene Klon wieder eliminiert werden kann. Aber Crump verspricht gleichwohl schon jetzt echten Rechtsschutz. Irgend einen Sinn müssen die 1.500 Dollar schließlich haben, die der Kunde seinem Selbst spendieren muss, wenn er die Dienste der Firma in Anspruch nimmt. Oder mutiert hier Antiklonpower zur albernen Clownpower von windigen Ego-Händlern? Keine Spur. Die Firma bietet einiges über die Totalkartografie der eigenen Genlandschaft hinaus an: DNA-Registrierung für Minderjährige, um sie im Fall des Verlustes identifizieren zu können. Oder gar nachzuklonen? Sogar eine eigene DNA-Kollektion für zuhause oder im Büro unterm Briefbeschwerer gibt es für Premium-Kunden. Die Sorge um das Selbst kennt eben keine Grenzen.

Nun führt Gendiebstahl nebst Klonkopie nicht in allen Fällen unmittelbar zum Persönlichkeitsverlust. Auf Schwarzeneggers Klon etwa müssen noch ein bis zwei Jahrzehnte Nautilus-Maschinenarbeit im "GoldŽs Gym" hinzugerechnet werden, um den hochprofilierten Körperpalast zum Filmformat reifen zu lassen. "You think you are some kind of James Dean, but the only thing I've ever seen of you was a commercial spot on the screen" (Harpo). So viel Selbsttäuschung gehört allerdings der Vergangenheit an. Ein Art von James Dean sollte wohl dabei herauskommen, wenn man nur das richtige Genpaket besitzt. Charisma, soweit es sich in Mimik, Gestik, Körperbau buchstabieren lässt, wird zur brandheißen Klonware. Hat man bisher immer nur in der Fantasie geschwelgt, der pure Narzissmus könne Doppelgänger auf den Markt der Eitelkeiten werfen, droht jetzt allüberall der Angriff der Klone. "Schau mir in die Augen, Kleines" sagt Casablanca-Rick. Aber nicht die falsche deutsche Übersetzung des cineastischen Jahrhundertspruchs quält uns nun vorrangig, sondern die Frage: "Wessen Augen sind das eigentlich? Ist das nicht Bogart II im Casablanca-Remake?"

Noch erheblich größere Überraschungen sollte der Rechtsschutz bescheren: Nach den Visionen des amerikanischen Antiklonunternehmens würde der Rechtsstreit di Caprio I ./. di Caprio II also demnächst mit einer horrenden Schmerzensgeldzahlung zu Lasten des Klons entschieden. Der grinste genau so wie sein unfreiwilliger Genoriginalpapa. Das private Klonschutzprogramm könnte mithin nicht nur Copyrightshops, sondern auch Anwälte glücklich machen. Denn der größte Teil des menschlichen Genoms ist äußerst unoriginell und juristische Anspruchsgrundlagen, die beim Urheberrecht ansetzen, versprechen spannende Prozesse über die volle Distanz. Lassen sich Gensequenzen als schöpferische Werke behandeln? Ist das Individuum gar ein schutzwürdiges Gesamtkunstwerk? Besonders paradox werden die neuen Kopierschutzprozesse, wenn sich Originale demnächst auf ihr Urheberpersönlichkeitsrecht berufen, obwohl sie ihre Schöpfung ihren Eltern, Gott oder der Natur verdanken.

Patente Menschen

Die Copyklongeschäftemacher segeln im Aufwind der hitzigen Biopatentdiskussion (Vgl. Das Gen-Copyright). Industrie und Wissenschaft halten bekanntlich die Patentierung von Genen für unabdingbar, um die Forschung voranzutreiben.

Kein Unternehmen würde für 600 Millionen Dollar ein neues Medikament entwickeln, wenn es nicht die Möglichkeit hätte, das Medikament exklusiv zu nutzen,

verkündete George Poste von "Health Technology Networks" auf dem Berliner Weltkongress "Biotechnology 2000". Greenpeace sieht das anders und fordert vom Deutschen Bundestag ein generelles Verbot von Patenten auf Gene. Das menschliche Genom sei Allgemeingut und keine Ware. Das Europäische Patentamt in München hatte beispielsweise im Dezember 1999 ein Patent EP 695 351 auf gentechnisch veränderte Embryonen vergeben. Bei dem Patent handelt es sich nach Greenpeace bereits um ein Verfahren, das letztlich gentechnisch veränderte Menschen schaffen könnte. Nach deutschen Gesetzen und EU-Biopatent-Richtlinie dürfen Patente auf Menschen nicht erteilt werden. Auch der Gesetzentwurf zum rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen auf Grund dieser Richtlinie setzte sich schärfster Kritik aus. Gensequenzen wären zwar nur patentierbar, wenn sie mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus ihrer natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt werden. Das aber liefe auf die Privatisierung eines Gemeinguts der Menschheit hinaus. Dieses Schutzgut wird aber gerade nicht verletzt, wenn sich ein Mensch als Individuum patentieren lassen will. Wer sich für einen patenten bist patentierbaren Menschen hält, beugt schließlich vor, nicht als Gemeingut für zukünftige Humanentwürfe zu enden.

Selbstversicherung

BBC-Online-Journalist Chris Horrie liefen jedenfalls die Schweißperlen über seinen Originalrücken, als er sich vorstellte, von einem klonierten Alter Ego beraubt zu werden. Aber 1.500 Dollar für die Klonwächter aus San Francisco erschienen ihm für erste Notfallselbstmaßnahmen dann doch zu teuer. Er wollte sich lieber gleich selbst registrieren lassen. Doch die Schwierigkeiten begannen schon, als er sich einen geeigneten Abdruck seiner DNA beschaffen wollte. Im St. Mark's Hospital in Harrow, hielt man Horries Erklärung, seine DNA "wegen seiner Neugier" verzeichnen zu lassen, für nicht ausreichend. Er solle sich lieber dem "Human Genome Project" als "guinea pig" (Versuchskaninchen) andienen. Bevor er sich aber dazu entschied, fragte er vorsichtshalber beim Patentamt nach. Dort erhielt er eine Abfuhr. 90 % seiner Gene hätte er mit Affen gemeinsam und eine Sammelklage des Londoner Zoos wollte er auch nicht riskieren. Überdies sei eine technologische Anwendung notwendig, um sich patentieren zu lassen. Aber Horrie konnte nicht einmal damit aufwarten, dass sich besonders nützliche chemische Reaktionen einstellen, wenn er sich etwa in ein Bad tödlicher Chemikalien wirft. Horrie muss nun ungeschützt weiter leben.

Dabei hat Künstler Marilyn Donahue, der wie das Copyright-Institut auch in San Francisco aus dem kreativen Genpool schöpft, bereits eine Billig-Variante für zukünftige Klonopfer parat: Briefmarke ablecken, den wertvollen Brief mit DNA-Originalspucke an sich selbst verschicken, oben darauf dann noch der Poststempel als Beweis des Zeitpunkts der "Autorenschaft". Biologielehrer Steve Miller von der Oakland Fremont High-School fand das so großartig, dass er alle seine Studenten auf diese Weise bereits zu leckenden Autoren ihrer selbst gemacht hat.

Aber während Stars und Starlets jetzt über den weniger hemdsärmeligen Genschutz ihrer wertvollen Komplettpersönlichkeit nachdenken, könnte der Albtraum, vom eigenen Klon beklaut zu werden, längst von anderen Technologien überboten werden. Denn die unfreiwillige Wiedergeburt einer Repropersönlichkeit könnte sich auch virtuell vollziehen. "Shrek, lass nach, man hat mir im Filmdigitalstudio mein Lachen geraubt." Ach, wie waren die Zeiten noch kommod, als Peter Schlemihl lediglich wegen seines verkauften Schattens Sturm lief, während heute die Komplettpersönlichkeit zur biotechnischen Ausverkaufsware wird.

Statt des Selbst-Copyrights dürfte schon bald eine rechtlich weniger aufwändige Lösung am Horizont der Selbstverlustangst aufleuchten. Wenn man Virtuosenhände, Kleopatranasen, Silikonbusen und selbst Pos hoch versichern kann, wird demnächst "Lloyd's" auch die erste Klonversicherung anbieten. Wer dann nicht zugreift, soll sich später nicht beklagen, wenn sein Moviestar-Klon ihm die Hauptrolle beim nächsten Film wegschnappt, ohne dass eine Vollcharismaversicherung eintritt.