Ende eines Schneeballes

Die Geschäfte des Scientologen Reed Slatkin

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Daß Scientologen auch Straftaten begehen, um der Organisation entsprechende Geldmittel zukommen lassen zu können, stellte ein deutsches Gericht bereits 1996 fest (OVG/Nordrheinwestfalen). Am 2. Mai 2001 tauchte in der "Los Angeles Times" die Meldung auf, dass ein "Reed Slatkin" von Investoren verklagt werde, Konkurs eingereicht habe und gegen ihn wegen massiven Betruges ermittelt werde. Sein Name war in Kreisen der Scientology-Kritiker bereits bekannt: Reed Slatkin.

Slatkin war bei dem durch Scientologen gegründeten Internet-Anbieter "Earthlink" ein Investor der ersten Stunde gewesen und damit zum Multimillionär geworden. Er wird beschuldigt, ein Schneeballsystem betrieben zu haben, in dem sich Investoren an Einkünften, die ihnen durch Mittel neuerer Investoren zuflossen, bereichert haben. Der Betrug soll über eine halbe Milliarde Dollar betragen. Unter den etwa 500 Opfern sind zum einen Teil Scientologen (darunter viele Prominente u.a. aus der Scientollywood-Szene), zum anderen wohlhabende Leute aus seinem Bekanntenkreis.

Nach Bekanntgabe des Konkurses werden im Internet skurrile Versuche der Geschichtsfälschung gefunden. Auf einer Internet-Seite des Kultur-Vereins "Sings like Hell" wurde ein Gruppenbild so verändert, dass einer der gegen Slatkin klagenden Investoren wegretouchiert wurde. Bei einer anderen Seite, wo ein Mädchen stolz geschrieben hatte, sie habe durch "ihren Onkel Reed Slatkin" zu Scientology gefunden, steht nun nur noch "mein Onkel" ohne Namensangabe. Und zwei Leute, die Slatkin als Arbeitgeber in ihren Lebensläufen angegeben hatten, haben diesen nun auch entfernt. (Siehe auch:www.slatkinfraud.com/biz.shtml).

Da in den USA Gerichtsakten üblicherweise öffentlich sind, kamen schnell Einzelheiten der kriminellen Energie von Slatkin ans Licht. So hatte er Investoren erzählt und dokumentiert dass deren Gelder in der Schweiz angelegt worden, und dort wegen einer Geldwäsche-Ermittlung vorübergehend blockiert seien. Zwei Investoren beauftragten eigene Ermittlungen, die die entsprechenden Dokumente als plumpe Fälschungen entlarvten. (Siehe auch:www.slatkinfraud.com/docs/stedman_declare.htm).

Bereits im Jahr 2000 hatte Slatkin Probleme mit der Börsenaufsicht bekommen. Diese ermittelte gegen ihn seit 1997, weil er Geld für Investoren verwaltete, ohne die erforderliche Zulassung zu besitzen. Anfangs 2000 wurde er deswegen für längere Zeit vernommen. Nach seinen Qualifikationen befragt, antwortete er, dass er ein Geistlicher von Scientology sei, und erklärte weiter, dass er seit seinem 14ten Lebensjahr mit Scientology zu tun habe; er verwalte Gelder für andere als eine Art "Dienst am Nächsten", um anderen Scientologen finanziell zu helfen. Er bestritt, dass er dies gewerblich machen würde.

Das Gericht setzte inzwischen einen Konkursverwalter ein, um festzustellen, was noch zu retten ist. Das Vermögen von Slatkin, 44.67 Millionen US-Dollar , beträgt nicht einmal 10% der Forderungen seiner Gläubiger - 576 Millionen. Besonders pikant ist, dass der Konkursverwalter die Möglichkeit hat, von Investoren, die in den letzten vier Jahren aus dem Schneeballsystem profitiert haben, die Herausgabe von Geldern zu erzwingen. In den vielen Zeitungsartikeln zum Thema hat sich Slatkin nie geäußert. Der einzige Kommentar kam immer von seinem Anwalt, nämlich, dass Slatkin mit den Ermitteln "kooperieren" würde. Der Konkursverwalter warf jedoch Slatkin vor, sich bisher nur zweimal mit ihm getroffen zu haben. Auf einer Versammlung mit Gläubigern verweigerte Slatkin die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten.

Beamte des FBI und der Steuerbehörde haben inzwischen bereits mehrmals die Räume von Reed Slatkin und anderen Verdächtigen durchsucht. Anklage wurde bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch noch nicht erhoben. Ein anderer amerikanischer Scientologe, Benjamin Franklin Cook, der ebenfalls ein Schneeballsystem betrieb, wurde angeklagt und sitzt in Untersuchungshaft, und Scientology musste aufgrund eines Gerichtsbeschlusses 1,8 Millionen Dollar zurückzahlen.

In einem ähnlichen Fall, einer anderen "Kirche", der "Greater Ministries International Church", wo 18000 Investoren um insgesamt eine halbe Milliarde betrogen wurden, verurteilte das Gericht den Haupttäter zu 27 Jahren Haft. Auch seriöse Kirchen sind nicht immun: um zu verschleiern, dass durch gefallene Grundstückspreise der Wert ihrer Besitztümer gesunken war, hatte die seit 1948 existierende "Baptist Foundation of Arizona" auf die Schneeballmethode "umgestellt". Drei Beteiligte haben sich bereits vor Gericht schuldig bekannt, gegen fünf weitere ist Anklage erhoben worden.

Großer Dank gebührt "t1kk" sowie seinen Helfern für das Recherchieren, Aufbereiten und Sortieren vielerInformationen