Stephen Hawking rettet die Menschheit

DNA-veredelte Menschen müssen intelligenter werden, um nicht die Weltherrschaft an Computer abzutreten

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Stephen Hawking zerbricht sich zurzeit seinen superintelligenten Kopf über das Schicksal der Menschheit. Auf Grund einer kleinen imaginären Reise in die Zukunft sieht Hawking die Gefahr, dass Computer die Welt übernehmen könnten.

Nun ist diese Befürchtung nach Myriaden von Sci-Fis, die den Albtraum in jeder erdenklichen Weise durchdekliniert haben, nicht allzu originell, aber Hawking hat wenigstens ein hochpraktisches Rezept parat, diese Bedrohung listenreich zu kontern - ganz nach Albert Einsteins Formel "Intellektuelle lösen Probleme, Genies verhindern sie". Menschen müssen klüger werden. Das ist eine Idee, die auch jenseits der vermeintlichen Bedrohung durch megakluge Rechner ihren humanen Charme hat. Aber der Appell des Naturwissenschaftlers richtet sich nicht an desolate Bildungseinrichtungen, etwa an den hoffnungslos antiquierten Betrieb der Alma Mater, sondern direkt an die Biowissenschaften.

Hawking plädiert dafür, das Erbgut gezielt zu verändern, um die Komplexität der DNA zu erhöhen und zu verbessern. Während hier zu Lande Sloterdijks eher diffuse Ausritte in den Menschenpark und eine verunsicherte Stammzellenforschung abendländische Untergänge, ethische Wolkenbrüche und den gesammelten Protest aller Gutmenschen auslösen, plädiert Hawking kurzerhand und scheinbar ungeschoren für den intellektuellen Umbau des gebeutelten Menschenhirns. Der zeitreisende Inhaber des Newton-Lehrstuhls ist sich der Schwierigkeit seines Vorhabens voll bewusst. Das könnte zwar einige Generationen dauern, aber wäre die einzige gangbare Lösung, wenn biologische elektronischen Systemen überlegen bleiben wollten. Dem FOCUS vertraute der Biosoph an, dass er die Gefahr der Übernahme der Welt durch künstliche Intelligenz für sehr real halte, wenn sich Chips so wundersam weiter entwickeln.

Scheint so, dass das "HAL-Syndrom" nun auch zeitverzögert seine infektiösen Wirkungen in Cambridge entfaltet. HAL, der Supercomputer aus Kubricks 2001, musste ja schon erfahren, was es heißt, sich mit machtbewussten Menschen anzulegen. Der damalige Retter der Menschheit, Astronaut Dave Bowman, war allerdings - rein dna-technisch betrachtet - nicht intelligenter als HAL. Er raubte der künstlichen Intelligenz schlicht den elektronischen Lebenssaft. So simpel ist das: "Hör' auf, Dave. Ich habe Angst." HAL`s intelligente Ressourcen reduzierten sich dann auf das erste Lied, das ihm seine menschlichen Schöpfer einspeisten: "I am half crazy" (In deutscher Übersetzung trällert er "Hänschen klein") - und segnete damit doch sehr menschlich und herzergreifend das Zeitliche.

Vielleicht würde uns Stephen Hawking seine nassforschen Ausflüge in den zukünftigen Krieg der genetisch aufgemotzten Wetware gegen die teuflische Software ersparen, wenn er noch einen biowissenschaftlichen Lehrauftrag annimmt. Denn die Aufrüstbarkeit des Menschenhirns dürfte jenseits ethischer Erwägungen biotechnisch ein äußerst zweifelhaftes Unternehmen darstellen. Da quält zudem "MooreŽs Law" der Transistorverdoppelung auf den Chips alle 12 bis 24 Monate, das zwar auch sein natürliches Ende finden mag, aber etwa nach Ray Kurzweil dann eben von einem neuen Paradigma exponentiellen Wachstums abgelöst würde.

Vielleicht könnte es Hawkings Schreckensvisionen entschärfen, wenn er die segensreiche Weltherrschaft des Menschen nicht allzu ernst nehmen würde. Wären Rechner eines Tages wirklich intelligenter als Menschen, könnte das ja auch ihrer humanen Globalplanung für das nächste Millennium mächtig zugute kommen. Aber in Hawkings Universum sind hochintelligente Computer vermutlich half crazy, neurotisch aggressiv und werden Menschen dann hemmungslos zu Maschinensklaven unterjochen - etwa mit der lebenslänglich auferlegten Pein, sich regelmäßig wöchentlich in der städtischen Videothek Science-Fiction-Horrorstories auszuleihen. Dann aber rette sich, wer kann. "Hör' auf, Stephen. Ich habe Angst."