Wir sind noch weit von der zweiten Erde entfernt

Der Planetenforscher Michel Mayor glaubt, dass die Entdeckung eines erdähnlichen extrasolaren Planeten frühestens erst in 10 Jahren möglich ist

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Sie wird länger und länger - die Liste der aufgespürten Exoplaneten. Vorbei sind die Zeiten, da Astronomen in ihrer anthropozentrischen Fixierung noch ernsthaft glaubten, dass unsere Erde und unser Sonnensystem nichts anderes als eine kosmische Ausnahme sei. Innerhalb von nur sechs Jahren sind aber den Planetenjägern der Moderne knapp 70 Exoplaneten ins Fangnetz gegangen. Längst ist die Suche nach extrasolaren Planeten ein fester Bestandteil der Astronomie geworden. Und jetzt soll endlich die "zweite Erde" entdeckt werden. Doch bis ein erdähnlicher Exoplanet detektiert wird, werden nach Ansicht des Exoplanetenexperten Michel Mayor noch viele Erdjahre durchs "Universum" ziehen.

Frei flottierende Planeten im Orion-Nebel. Philip Lucas (Univ. Hertfordshire), Patrick Roche (Univ. Oxford), UKIRT

"Es gibt unzählige Welten, sowohl solche wie die unsere als auch andere. Wir müssen akzeptieren, dass es auf alle Welten Lebewesen, Pflanzen und andere Dinge gibt, wie wir sie auf unserer Welt erblicken." Was der griechische Philosoph Epikur von Samos (341-270 v. Chr.) bereits vor zweitausend Jahren zu Papyrus brachte, nehmen heutige Astrobiologen und insbesondere Planetenjäger beim Wort. Weltweit forschen sie nach extrasolaren Planeten und gemeinsam rätseln sie über die generelle Wahrscheinlichkeit von Leben im All.

Erfolgsquote der Planetenjäger kann sich sehen lassen

Der derzeit wohl prominenteste Vertreter unter ihnen ist Michel Mayor, der 1995 zusammen mit Didier Queloz bei dem 42 Lichtjahre entfernten Stern 51 Pegasi (Nummer 51 im Sternbild des Pegasus) den ersten Planeten (Peg 51 b) einer noch nicht erloschenen Sonne entdeckte. Dass heute extrasolare Planeten salonfähig wie nie zuvor sind, dass Forscher mit immer präziseren Beobachtungstechniken und leistungsstärkeren Teleskope immer tiefer in die unendliche Endlichkeit des Universums vordringen, ist fraglos dem 59-jährigen Schweizer zuzuschreiben. Er hat den Anstoß dazu gegeben, dass der Katalog der neu entdeckten Sterntrabanten, der aufgrund der Erfolgsquote der Planetenjäger ständig aktualisiert werden muss, auf inzwischen 68 bestätigte Exoplaneten gewachsen ist - Tendenz steigend.

"Allerdings sind diese allesamt sehr lebensfeindlich. Sie bewegen sich in der Größenklasse von Jupiter und sind ausschließlich extrem heiße und lebensfeindliche Gaskugeln", erklärt Prof. Michel Mayor, der am Institut für Astronomie an der Universität Genf lehrt und seit 1998 das Genfer Observatorium leitet.

Michel Mayor u. Didier Queloz, Uni Genf

Mayor, der im letzten Jahr sogar für den Nobelpreis nominiert war, wird gelegentlich von der Presse als "Guru" der Planetenjäger bezeichnet. "Den Begriff Planetenjäger finde ich weitaus angemessener" gesteht der Astronom. Weniger angemessen sei dagegen die vor einigen Wochen in der Boulevard-Presse lancierte Meldung gewesen, wonach Forscher angeblich eine zweite Erde entdeckt hätten. "Davon kann überhaupt keine Rede sein. Wir haben zwar ein ausgefeiltes Instrumentarium, um massereiche Planeten zu entdecken. Ein Sonnensystem, das unserem ähnelt, wurde jedoch bislang von keinem entdeckt, ganz zu schweigen von einer zweiten Erde."

Endpunkt erreicht

Tatsächlich scheint die gegenwärtige klassische Suchmethode, mit der das verräterische Taumeln der Sterne detektiert werden soll, langsam an die Grenzen des Messbaren zu stoßen. Zwar lässt sich gegenwärtig das durch die Gravitation extrasolarer Planeten verursachte Schwanken der Sterne bis auf drei Meter pro Sekunde genau berechnen. Doch um einen Planeten in der Größe der Erde aufzuspüren, müsste die Messgenauigkeit bis auf acht Zentimeter pro Sekunde optimiert werden.

"Wir sind an einem Endpunkt angelangt", stellt Mayor fest. "In meinen Augen haben wir nur eine Chance, wenn wir neue Techniken und Methoden anwenden." Für Mayor bietet die Transit-Technik, die im Rahmen der Eddington-Mission der ESA zum Einsatz kommen soll, die künftig beste Option.

Sofern der ESA-Satellit den Sprung in den Orbit unbeschadet schafft, soll er ab 2010 in großem Umfang ferne Sonnen anvisieren. Dabei "fokussiert" sich das Weltraumteleskop nicht mehr auf den gravitationsbedingten Tanz der Sterne, sondern auf Planeten, die vor ihrem jeweiligen Heimatstern vorbeiziehen. Steht der Sterntrabant zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne, wird das Licht, das der Mutterstern aussendet, geringfügig abgeschwächt, aber immer noch stark genug, um den unsichtbaren Planeten "sichtbar" zu machen.

"Die Eddington-Mission der ESA startet aber erst in 10 Jahren", dämpft Mayor jeden Anflug von verfrühtem Optimismus. "Wir sind noch weit davon entfernt, eine zweite Erde zu entdecken. In zehn bis fünfzehn Jahren könnte es aber so weit sein".

Vielleicht wird aber der Terrestrial Planet Finder (TPF, den die NASA gegen 2010 ins All entlassen will, die historische Zäsur markieren. Dieses Teleskop nimmt erdähnliche Planeten auf höchst direkte Weise ins Visier. Es kann Sterne in bis zu 50 Lichtjahren Entfernung unmittelbar beobachten und das eingefangene Licht mit Hilfe der Spektroskopie analysieren. Auf diese Weise erhalten die Astronomen Kenntnisse über Temperatur und chemische Zusammensetzung der exoplanetaren Atmosphären. Theoretisch ließe sich damit zumindest indirekt Leben nachweisen.

Wenngleich diese Technik aber noch nicht ausgereift ist, so könnte sie in naher Zukunft vielleicht eine Frage beantworten, die sich das Gros der Planetenjäger insgeheim schon oft gestellt hat: Gibt es neben unserer Spezies irgendwo da draußen eine wie auch immer noch anders geartete intelligente Lebensform, die sich womöglich just in diesem Augenblick dieselbe Frage stellt? Für Michel Mayor ist zumindest diese Sache sonnenklar: "Wissenschaftlich kann man dies nicht definieren. Gefühlsmäßig würde ich aber sagen, dass wir ganz bestimmt nicht allein sind. Irgendwo da draußen gibt es auch intelligentes Leben."

Ein Interview mit Michel Mayor folgt demnächst.