Parasit der Medienlandschaft

Zur Geschichte und Theorie von Film-Trailern

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Spätestens seitdem das Internet von Hollywood als Werbeplattform entdeckt wurde, ist der Trailer als künstlerisch-kommerzielles Format in aller Munde. Im Schüren Verlag ist von Vinzenz Hediger nun eine erste umfassende Studie zur Geschichte des Trailers erschienen.

Es tut gut Hedigers Buch "Verführung zum Film" in den Händen zu halten. Und das nicht nur, weil ihm eine CD-Rom mit zahlreichen Trailern (von "The Big Sleep" bis "Aliens") beigelegt wurde. Es ist ein bisschen so wie mit Jaro Gielens "Electronic Plastic": Etwas, womit man aufgewachsen ist, das den herkömmlichen Archivar und Historiker aber nicht interessiert, wird dokumentiert und theoretisiert. Ein Randphänomen, dem keiner so wirklich sein Augenmerk zu schenken scheint, das wir alle aber unbewusst aufnehmen. Es durchdringt unser filmisches Gedächtnis und ist das Zentralorgan der Filmwerbung.

Laut Hediger sorgen Trailer sogar für ein Viertel bis ein Drittel des Umsatzes an der Kinokasse. Erstaunlicherweise kosten sie aber lediglich zwischen 1 und 4,5 Prozent des gesamten Werbebudgets. "Verführung zum Film" bedient demnach in erster Linie nicht nur alle Cineasten und Freunde von Trampelpfaden der Film- und Mediengeschichte. Es schickt sich an, eine seriöse wissenschaftliche Abhandlung eines Werbeformats zu sein, das seit 1910 im Umlauf ist und neben seiner erstaunlichen Formkontinuität mit einer unsäglichen stilistischen Vielfalt aufwartet.

Trailer Premiere als Internet-Ereignis: Am Freitag, den 13. Juli um 06.00 Uhr (MEZ) wurde unter großem Medienrummel der Teaser-Trailer von Spider-Man ein ganzes Jahr vor dem Kinostart in den Staaten im Internet premiert (Bild aus der Online-Werbekampagne zu Spider-Man)

Alle, die Hitchcock lieben, müssen seine Trailer kennen. Der Meister sprach sie oftmals selbst ein und überraschte sein Publikum mit kleinen Solo-Performances, wie zum Beispiel im Werbeclip für "Die Vögel". In einem Studierzimmer mit der Lektüre beschäftigt, wendet er sich zu Beginn der Kamera zu, um in seiner trocken-zynischen Art über das Verhältnis des Menschen zu seinen gefiderten Artgenossen zu sprechen. Unvergesslich orginell und wirklich komisch. Als verkapptes Bildungsinstrument erscheint auch der Trailer von "Die 10 Gebote". Darin gibt in gut 15 Minuten der Regisseur des Films (Cecil B. de Mille) einen Vortrag zum Besten, der die Hintergründe und Inhalte der Produktion erläutert. Als filmender Historiker greift er wie Hitchcock auf etliche Requisiten zurück, darunter Bücher und andere Gegenstände, um seine Aussagen zu belegen. Doch während DeMille sein Publikum vollen Ernstes als SchülerInnen ansprach, was prompt dazu führte, dass der Trailer auch lange Zeit in Ausbildungsstätten gezeigt wurde, musste Hitchcocks unterschwellig ironische Ansprache in einer schrillen Abschlussmontage enden. In Superlativen kommentierende Schriftzüge überlagern rasch wechselnde Filmbilder.

Temporeich und experimentell kommen auch Kubricks Trailer zu "Clockwork Orange" und "Dr.Strangelove" daher. Man darf sich wundern, dass dieses Medium derart verstörend eingesetzt wurde. Überhaupt überraschen viele ältere Werbeclip-Produktionen alle, die Kino und damit die Kultur des kommerziellen Vorprogramms erst seit den 80ern wahrgenommen haben. So machten nicht nur Regisseure, sondern auch Schauspieler kräftig Werbung für ihren Film - und zwar nicht nur off-screen, sondern auf der Leinwand, im Trailer. Humphrey Bogart taucht etwa im Werbeclip zu Howard Hawks "The Big Sleep" (1946) in einer Bibliothek auf, um sich nach einer guten Kriminalgeschichte zu erkundigen... "like "The Maltese Falcon"". Die Bibliothekarin empfiehlt ihm Raymond Chandlers "The Big Sleep", woraufhin Bogart darin zu lesen beginnt. Seine Stimme führt durch die wesentlichen Orte des Films, ohne die Geschichte zu verraten.

Ähnlich verfährt der Trailer zu "Dr.No", der wie alle anderen bislang genannten auf der dem Buch beigelegten CD-Rom im QuickTime-Format gespeichert ist. Sean Connery stellt sich in der ersten Hälfte sich selbst und seine Arbeit vor, um daraufhin auf die wesentlichen Schauplätze/Ingredienzen des Films zu sprechen zu kommen.

Der zentrale Bruch in Trailern aus den 90er Jahren besteht darin, dass die neuere Generation versucht, die Geschichte des Films zusammenzufassen und dabei auf narrative Kontinuität setzt. Der zeitgenössische Trailer ist wie ein kurzer Film aufgebaut. Mit Anfang und einem meist offenen Ende. Wenn man den Trailer gesehen hat, meint man den Film gesehen zu haben - der Trailer präsentiert "den Film in Form einer antizipierten Erinnerung" (Hediger). Man weiß aber auch, ob man sich während des Zwei-Stunden-Spektakels langweilen wird oder nicht. So sei der Trailer heute vor allem auch dazu da, Leute aus dem Kino fernzuhalten, die nach einem enttäuschenden Lichtspielhausbesuch negative Mundpropaganda für den Film machen könnten. Häufig geht diese Rechnung jedoch nicht auf. Die meisten, die etwa den Trailer zu "Mission Impossible 2" und auch den ganzen Film gesehen haben, meinten, sie hätten sich die 2 Stunden schenken können, weil alle spektakulären Actionszenen eben schon im Werbeclip verbraten worden waren. Und dort einfach auch besser zur Geltung kamen.

Wie sich daraus bereits ablesen lässt, kann man aus Hebigers Studie ableiten, dass der Trailer durchaus auch in Konkurrenz zum Spielfilm zu sehen ist. Gerade im Internet-Kontext lässt sich diese These weiterspinnen, wo der Filmwerbung seit "The Blair Witch-Project" ernst genommen wird. Wie in so vielen anderen Zusammenhängen wäre hier die im Internet übliche Aufmerksamkeitsspanne von bis zu 5 Minuten anzuführen. Der Trailer gesellt sich hier bestens zu anderen Kurz- und Werbefilm-Formaten (Vgl. Kunst im Werbeclip-Format). Ebenso erscheint er als das netztaugliche Ausdrucksmittel: Redigieren/Editing lässt sich als favorisiertes Produktions-Vehikel des Autors im Zeitalter des Netzes ausmachen [Vgl. Vom Schreiber zum Leser), was dem Trailer-Macher letztendlich zum Künstlerstatuts verhelfen dürfte.

Die digitale Verfügbarkeit aller visuellen Informationen und der Trend zur interaktiven Werbung (Vgl. Macht was Ihr wollt!) lassen die zukünftige Trailer-Produktion auch als Open-Source-Projekt denkbar erscheinen. Ein Projekt, zu dem alle Netizens eingeladen werden, ihren eigenen Trailer zu machen. Do-It-Yourself und Personalisierung werden ja nicht umsonst seit geraumer Zeit im Netz groß geschrieben. Wer heutige Trailer im Kino aufmerksam begutachtet, wird jedoch auch ein anderes Argument dafür finden, warum dieses Clip-Format im Netz auch zukünftig besonders grossen Anklang finden sollte.

Wie Dietmar Schwärzler Gründer des Wiener Vereins Projektor (Diskussionsforum Film und Neue Medien) neulich festhielt, gibt es im Trailer nicht die Notwendigkeit einer zeitlichen und räumlichen Kontinuität: "Die einzelnen Figuren kommunizieren zwar, aber meist außerhalb raumzeitlicher Koordinaten. Sie können auf Ereignisse reagieren, die mit ihrer eigenen diegetischen Situation nichts zu tun haben." Sie sagt "Ich kann nicht mehr mit Dir leben". Schnitt. Ein Hund leckt einem Mann am Hosenstall rum. Er sagt mit flehender Stimme "Du musst mir helfen." Manchmal offenbart sich dem Trailer-Publikum die räumliche Distanz solcher Situationen. In solchen Momenten meint man einer Sonderform des Ferngesprächs beizuwohnen. Ohne unseres Wissens berühren sie uns dann tief als Telekommunikations-Junkies. Vielleicht ist dies das Geheimnis des Trailers.

Vinzenz Hediger "Verführung zum Film: Der amerikanische Kinotrailer seit 1912" Schüren Verlag 2001, ISBN 3-89472-505-2

Trailer im Netz

www.popcornq.com
entertainment.simplenet.com
www.movie-list.com
www.petesmoviepage.com
www.comingsoon.net/trailers
www.theatres.sre.sony.com