Omega-3 vom Acker

Rapsfeld. Bild:On-chan /CC-BY-3.0

Raps und Algen statt Fisch - biotechnologisch erzeugtes Fischöl soll den Markt erobern

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Große Unternehmen der Agrarindustrie arbeiten seit Jahren intensiv an der Möglichkeit, Fischöle auf anderem Wege zu gewinnen als wie gehabt. Biotechnologie und Gentechnik sollen das Fischmehl langfristig ablösen. Während der Fokus der Fischöl-Anwendung vor wenigen Jahren noch fast ausschließlich bei Nahrungsmittelergänzungen mit Gesundheitsfunktion lag, rückt angesichts der angekündigten bevorstehenden Marktreife praktikabler Herstellungsmethoden nun ein anderer großer Markt ins Visier der Agrar-Innovateure: die Futtermittelherstellung für die weltweit weiter rasant zunehmende Aquakultur. Favorisiert wird zurzeit die Fischöl-Herstellung in Raps und Meeralgen.

Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus, große Agrarindustrie-Konzerne, die die Landwirtschaft des Globus dominieren und unter "ABCD" firmieren, haben massive Entwicklungsarbeit in das Vorhaben gesteckt.

Am weitesten fortgeschritten gelten die Versuche bei Cargill. Das Unternehmen hatte kürzlich bekanntgegeben, es könne die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA aus Rapsöl herstellen.

Docosahexaensäure (DHA). Omega-3 ist die umgangssprachliche Sammelbezeichnung für ungesättigte essenzielle Fettsäuren, die in fettreichen Fischen wie Sardinen und Makrelen hauptsächlich Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) vorkommen. Sie liegen verestert in Form ihrer Triglyceride vor - als Fischöl. Bild: Bernd Schröder

2011 hatten Cargill und die BASF ein Joint Venture begonnen, dessen geplante Erzeugung von Fisch- aus Rapsöl ursprünglich die Omega-3-Nahrungsmittelergänzungsindustrie mit Gesundheitsbetonung als Ziel im Blickpunkt hatte. Zwar bleibt das Bild zu vorteilhaften Auswirkungen auf die Gesundheit auch nach neueren Studien unübersichtlich. Nur eins ist klar: Sollte es diese geben, dann nehmen die Konsumenten im Schnitt deutlich zu wenig davon ein. Der Markt hatte zu diesem Zeitpunkt einen geschätzten Wert von 7,5 Milliarden US-Dollar. Und das mobilisierte Konsumentenbewusstsein versprach zweistellige Wachstumsraten für die nächsten Jahre.

Cargill steuerte ein internationales Vertriebsnetz und Know-how in Nahrungsmittelanwendungen zum Joint Venture bei, die BASF Expertise bei der genetischen Erhöhung der EPA/DHA-Mengen im Raps sowie bei der Begleitung der Zulassung ihrer Nutzung in Nahrungsmitteln.

2015 hat Cargill den norwegischen Futtermittelhersteller EWOS für 1.35 Milliarden Euro übernommen. EWOS war einer der größten Futtermittelzulieferer für Aquakulturen weltweit, hauptsächlich für Lachsfarmen. Bild: Bernd Schröder

Daneben arbeitet Cargill mit dem Biotechnologie-Start-up Calysta an einem Fischmehlersatz auf Methanbasis. Nach einer Testfabrik im nordostenglischen Wilton/ Teesside wird gerade eine neue und größere Fabrik aufgebaut.

Bunge wiederum hat sich mit dem Algenpionier TerraVia (vormals Solzayme) zusammengetan. Algaprime DHA kommt in Form getrockneter Flocken in den Handel, DHA-Gehalt: mindestens 25%. Das in Brasilien fabrizierte Produkt soll beim dänischen Futtermittelhersteller Biomar Verwendung finden.

Archer Daniels Midland Produkt heißt "DHA Natur" mit 17-20% DHA. Es wird durch einen kontrollierten Fermentationsprozess heterotropher Algen gewonnen, in einer Fabrikanlage in Clinton, Iowa (USA). Das Verfahren fußt auf Archer Daniels Midland's Mikroalgen-basierter Technologie. Nur Louis Dreyfus hat bisher noch keine Aktivität auf der Omega-3-Strecke bekanntgegeben.

Die Agri-Fischöl- Projekte sind nicht auf "ABCD" beschränkt. Dow AgroSciences versucht ebenfalls, Raps zur Produktion von Fischölen zu bewegen, bisheriges Ergebnis: Rapsölanteile von 3.7% DHA und 0.7% EPA. Experimente mit Sojabohnen ergaben ein angereichertes Öl mit 2.7% DHA und 1.5% EPA.

Auch das australische Saatgutunternehmen Nuseed setzt in Zusammenarbeit mit der Commonwealth Scientific & Industrial Research Organisation (CSIRO) und der Australian Grains Research & Development Corporation auf Fischöl aus Raps. Zum Ende des Jahrzehnts soll ein Hektar Raps das Fischöl-Äquivalent von 10.000 Ein-Kilo-Fischen liefern. Dazu haben die Australier sieben oder acht Gene mariner Algen in den so zum Reaktionsgefäß umfunktionierten Raps eingebaut, der nun DHA herstellen soll in Konzentrationen, wie sie in wilden Fischen vorkommen.

Die Lachsindustrie hatte bereits 2008 Omega-3 als begrenzenden Faktor für ein langfristiges Wachstum der Branche identifiziert, wenn als einzige Quelle die Gewinnung aus Fischen zur Verfügung stünde. Die Branche stellte Kapital für Forschung und Entwicklung für die Ausweitung des Sortiments bereit.

Andere Unternehmen aus der Nahrungsmittelbranche, wie etwa Alltech, DSM oder Evonik, arbeiten an eigenen Rezepten für kommerzielles Algenöl. Um die Produktion dem Bedarf der weltweiten Aquakultur und der Nahrungsmittelzusatz-Industrie anzupassen, sind zum Hochfahren der Produktion jedoch massive Investitionen nötig.