Bei Störungen der US-Wahl soll mit "Cyberwaffen" gegen Russland zurückgeschlagen werden

Bild: Christiaan Colen/CC BY-SA 2.0

Über Medien und inoffizielle Informationen wird der Cyberkonflikt zwischen Washington und Russland hochgeschaukelt

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Am Freitag gab "Guccifer 2.0" bekannt, dass die Demokraten die Präsidentschaftwahl manipulieren könnten. Der Hacker beansprucht, die Emails von den DNC-Computernetzwerken kopiert und später geleakt zu haben. Manchen gilt er als russischer Agent, der Stimmung gegen die USA und Clinton machen soll. Das machte derjenige, der hinter dem Pseudonym steckt, jedenfalls erneut. Möglich sei die Manipulation durch die Software, die in den Netzwerken der Bundeswahlkommission (FEC) installiert wurde. Die sei schlecht und habe viele Sicherheitslücken. Er habe sich im FRC-System als unabhängiger Wahlbeobachter registriert und werde darauf achten, dass die Wahl sauber abläuft. Er ruft andere Hacker auf, ihm dabei zu folgen. Gemeinhin wird angenommen, dass die Wahlcomputer nicht in größeren Umfang manipuliert werden können, weil sie nicht landesweit vernetzt sind und jeder Wahlbezirk andere Maschinen und Programme hat, die allerdings aufgrund ihres Alters als unsicher gelten.

In den USA wird vor der Präsidentschaftswahl die Angst vor der "russischen Aggression" geschürt (USA und Russland im Cyberkonflikt). Obgleich die Bevölkerung nach Umfragen keine sonderlich große Angst vor Russland hat und sich vor allem durch Terrorismus und islamischen Extremismus bedroht sieht, wird an einem Narrativ von Sicherheitskreisen und interessierten Politikern gestrickt, dass Russland nicht nur in Europa und Syrien militärisch aufrüstet, interveniert und eine "hybride Kriegsführung" betreibt, sondern auch über den Cyberspace direkt die digitale Infrastruktur der USA angreift. Jetzt aber seien die "Hacker der US-Regierung" bereit zurückzuschlagen, wenn Russland versuchen sollte, die Wahl zu stören, so eine Drohung, die nicht die Regierung ausspricht, sondern ein US-Medium mit der üblichen Berufung auf einen anonym bleibenden hohen Geheimdienstmitarbeiter und "top-secret documents", die angeblich vom Sender NBC News eingesehen wurden.

Zum Narrativ, an dem auch viele US-Medien mitarbeiten, gehört, dass die USA mit ihrem aufgeblähten Militär- und Geheimdienstapparat nur auf Bedrohungen reagieren würden, aber die amerikanischen militärischen und hybriden Aktivitäten nicht erwähnt werden. Bezeichnend dafür ist beispielsweise den Artikel "Russian hackers seek to embarrass the U.S. this election season" von Brian Bennett in der Los Angeles Times vom letzten Freitag, der die vermeintliche russische Strategie zur Beeinflussung der Wahl, die dadurch ein wenig interessanter wird, weil beide Präsidentschaftskandidaten bekanntlich höchst unbeliebt sind, am Beispiel des Telefongesprächs zwischen Victoria Nuland vom US-Außenministerium und dem damaligen US-Botschafter in Kiew, erläutern will.

Die geleakte Aufzeichnung des Telefongesprächs hätten angeblich US-Geheimdienste auf russische Geheimdienste zurückführen können, wofür aber keine Belege vorgelegt wurden und werden. Nuland hatte damals klar gemacht, dass die USA einen Regierungssturz befürworten, wozu Vizepräsident Joe Biden die Opposition unterstützten sollte, und unbedingt den mittlerweile abgehalfterten, in Korruption verstrickten Jazenjuk ("Jats") als Regierungschef durchsetzen wollten. Die damals noch etwas weniger aggressive Haltung der EU, wo man, allen voran Deutschland und Frankreich, auf Verhandlungen und einen friedlichen Übergang setzte, gefiel in Washington bekanntlich nicht, weswegen Nuland ihren berühmt gewordenen Ausruf sagte: "Fuck the EU".

Dass das Telefongespräch vor allem zeigt, wie massiv die USA die Ereignisse in der Ukraine zu steuern versuchte, wird nicht thematisiert. Hingegen heißt es, dass damit ein Bruch zwischen den USA und der EU verursacht wurde: "Aber die wirkliche Bedeutung ist erst jetzt deutlich: Russland war willens, die Früchte der Spionage öffentlich zu nutzen, um die US-Außenpolitik zu stören." Unterstützt wird das durch Stewart Baker, einem ehemaligen Generalrat der NSA und Staatssekretär im Heimatschutzministerium unter Ex-Präsident Bush. Er sagte, Russland habe sich damals entschieden, einmal zu schauen, was mit einer Veröffentlichung geschieht, und dass das Einwirken nicht schlecht ist. Das würde helfen zu verstehen, warum Putin, selbst Ex-Geheimdienstmitarbeiter, nun versuchen würde, die Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen.

Direkt die Wahlsysteme zu manipulieren sei schwierig, wenn nicht unmöglich. Aber die Russen könnten das Internet oder die Übertragung von Daten stören, um das Vertrauen in den Wahlprozesse zu untergraben, was parallel dazu auch Donald Trump macht. Sicher sei, so der Artikelautor mit Verweis auf "US-Offizielle" und auf die Stellungnahme des Heimatschutzministeriums und der Obersten Geheimdienstbehörde DNI von Anfang Oktober, dass Russland versuche, die Wahlkampagne von Hillary Clinton zu stören, indem Emails gestohlen und über WikiLeaks geleakt wurden. Es gibt auch eine Erklärung dazu: Es gebe in der russischen Führung, d.h. wohl bei Putin, eine persönlich Abneigung gegenüber Clinton, zudem wolle Moskau damit "die amerikanische Demokratie und die globale Führung" beeinträchtigen.

Zwar heißt es, dass alle Geheimdienste darauf aus seien, die Kommunikation der anderen Regierungen abzuhören, der Unterschied sei jedoch, dass die angeblichen russischen Hacker erwischt wurden, weil sie unvorsichtig oder nachlässig waren, aber dass Russland dann trotzdem weitermachte. Ihre "Risikotoleranz" sei so hoch und die Konsequenzen so gering, meint Michael Allen, ein früherer Sicherheitsberater von Ex-Präsident Bush: "Es gibt jetzt noch keine Cyberabschreckung. Es gibt keine Vergeltung (payback)."

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